90 Minuten und eine Zugabe: Joe Cocker macht im Schlosspark keine Überstunden, liefert aber ab, was von ihm zu erwarten war.
30 Liter Regen zeigte die private Messstation von Robert Hildmann, dem Leiter der Kurgärtnerei, für die Nacht von Samstag auf Sonntag an - und auch während des Tages gab es keine Stunde ohne Regenfälle. Skeptiker würden sagen: "Typisch für Brückenau: Wenn ein Open Air ansteht, wird das Wetter schlecht". Eher Optimisten waren die zahlreichen Gäste, die trotz des Regenwetters sogar noch an der Abendkasse die nicht gerade günstigen Tickets erstanden.
"Knapp viertausend Besucher", gab der örtliche Veranstalter Provinztour an. Dies ist sicher als ein Erfolg für das Open Air zu bewerten, hing doch von dieser Veranstaltung der Fortbestand des Open-Air-Events im Schlosspark ab. "Wenn schon Joe Cocker nicht zieht, wer dann?", sagte der Geschäftsführer Rolf Weinmann zum erneuten Versuch nach der letztjährigen Veranstaltungspause.
Und Joe Cocker zog offenbar. Die offiziellen Sitzplätze waren nahezu ausverkauft, anhand der Autokennzeichen konnte man erahnen, welch weite Wege mancher Besucher auf sich genommen hatte, um die fast exakt 90 Minuten lange Show des mittlerweile 69-Jährigen Engländers zu erleben.
Alles im Griff
Dem immer wieder einsetzenden Regen wurde mit einer bunten Mischung aus Regencapes, Müllsäcken, Plastikfolien und breitkrempigen Hüten getrotzt. Schließlich liegt der für sein Konzertflair bekannte Schlosspark in der rauhen Rhön und nicht in südlichen Gefilden.
Elmar Klug von der staatlichen Kurverwaltung sagte am Sonntag: "Wir hatten heute Mittag eine Krisensitzung mit Feuerwehr und Polizei, um die Situation in den Griff zu bekommen. Hier ist auf unsere örtlichen Feuerwehren halt einfach Verlass. Sie haben wieder fantastisch gearbeitet und das Parkchaos hervorragend bewältigt." So mancher Konzertbesucher musste einen strammen Fußweg in Kauf nehmen, denn bis zur Langeller war der Seitenstreifen Parkraum. Doch dafür musste kein Fahrzeug mit Traktorhilfe aus einer Wiese gezogen werden.
Nach einem Kurzauftritt der Münchner Vorgruppe "Yes But" und einer im Nieselregen quälend lang erscheinenden Umbaupause ging es dann ab 20.30 Uhr richtig zur Sache. Cocker-Hits aus dem aktuellen Album "Fire it up", Namensgeber der laufenden Welttournee, wechselten sich mit bekannten Ohrwürmern vergangener Zeiten ab. Cocker und seine acht Begleitmusiker und -Musikerinnen zeigten 90 Minuten lang, dass sie Vollblutmusiker sind und jedes Stück mit Emotionen dargebracht wird. Leider reichte es am Ende nur zu einer einzigen Zugabe.
Cocker scheint das Ambiente von Spielstätten wie dem Staatsbad zu lieben. Betrachtet man den Tourplan dieser Tournee, so ist er unter anderem in einer Woche in Aachen beim Kurpark classic in ähnlicher Umgebung auf der Bühne.
Markenzeichen Cockers ist sicher die unvergleichliche Art, bekannte Stücke zu covern. "Come together" von den Beatles zum Beispiel wurde mit so viel Drive interpretiert, dass die Boxen zu tanzen schienen. "You are so beautiful" von Billy Preston, nur begleitet von Piano und Hammondorgel, war ein Cover voller Emotion und Innigkeit.
Eines war bei allen Stücken gleich: die Körpersprache des Sängers. Ruhig stand er während des gesamten Konzertes hinter dem Mikro auf der unspektakulären Bühne. Nur seine Arme und Finger bewegten sich ruhelos, das ist das Markenzeichen dieses Sängers. Beim von einem melodiösen Hammondorgelsolo eingeleiteten "With a little help from my friends", ein Beatles-Cover und seit Woodstock Cockers wohl bekanntester Song, zeigte er dezente Ansätze einer Luftgitarre. Cocker gilt durch seine zuckenden Armbewegungen als Vater der Luftgitarre.
Herzen aufgeschlossen
Bei anderen Stücken schien er mit der rechten Hand fingerfertig durch eine imaginäre Plattensammlung zu blättern, wie auf der Suche nach neuem Covermaterial. Beim Titelsong "Fire it up" feuerte er den Nieselregen förmlich weg, es wurde von oben trocken.
Als er jedoch den Klassiker "You can leave your hat on" anstimmte, öffnete der Himmel wieder seine Schleusen. Spätestens bei "Unchain my heart" hatte Cocker die Herzen des Publikums aufgeschlossen, sie tanzten und schunkelten stehend in den Stuhlreihen.
Beim Verlassen des Schlossparks nach dem Konzert und beim Warten im Stop and Go der abfahrenden Autos konnte man immer wieder zufriedene Stimmen hören: "Schön war es", ... "er hat noch nicht verloren an seiner Stimme", ..... "er klang genauso wie vor vierzig Jahren bei meinem ersten Konzert".
Das Wagnis hat sich also in mehrfacher Hinsicht gelohnt. Das Wagnis für den Konzertveranstalter, die 2004 begonnene Open-Air-Konzertserie nach einjähriger Pause wieder aufleben zu lassen. Das Wagnis der Besucher, trotz des heftigen Regens im Vorfeld die teils weite Anfahrt und die hohen Ticketpreise auf sich zu nehmen, um einen ewig jung klingenden Joe Cocker zu genießen.Und auch Elmar Klug und seine Mannen dürften sich freuen, es gewagt zu haben, einen solch internationalen Star nach Bad Brückenau geholt zu haben.