Beim Umräumen ist in der Polizeiinspektion ein Karton mit historischen Akten aufgetaucht. Sie erzählen von der Alltagsarbeit der früheren Gendarmerie.
Etwas einlesen musste sich Roland Heinlein anfangs schon, um die alte Schreibschrift zu entziffern. "Die Blätter sind handschriftlich verfasst, und jeder schreibt eben anders", sagt der Kreisheimatpfleger. Aber dann, nach ein wenig Einarbeitung, erzählten ihm die Dokumente vom Alltag in der damaligen Gendarmerie.
Die älteste Akte geht auf das Jahr 1846 zurück. Die Dokumente sind interessant, findet Heinlein, weil sie generell die Einrichtung der Verwaltung und die Organisation der Landpolizei-Stationen beschreiben. Posten gab es einst nicht nur in Hammelburg, sondern unter anderem auch in Oberthulba oder Euerdorf. "Es geht zum Beispiel um die Frage, wo die Polizisten behandelt werden sollen, in Hammelburg oder Euerdorf", erklärt Heinlein.
Ein Schriftstück von 1870 befasst sich mit der Cholera-Bekämpfung: Bürgermeister müssen berichten, was sie unternehmen, damit Jauche nicht die Straßen entlangläuft.
Gegen Ende des Ersten Weltkriegs taucht die Frage auf, ob Einwohnerwehren aufgestellt und Maschinengewehre an die Polizisten ausgegeben werden sollen. Darin spiegelt sich die Angst vor Aufständen wider, erläutert Heinlein. Er hat kurze Inhaltsangaben zu der Sammlung erstellt. Das Konvolut deckt die Zeit bis 1934 ab. "Ende 1933 geht es darum, wie mit Leuten ohne deutschen Pass umgegangen werden soll."
Das Staatsarchiv in Würzburg bekommt nun die Aktensammlung. Sie wurde beim Umräumen in einem Karton entdeckt, berichtet Inspektionsleiter Alfons Hausmann. Er schaltete den Kreisheimatpfleger ein. Heinlein sichtete den Fund. Zu diesem gehören auch drei Polizei-Chroniken, die die Nachkriegszeit bis in die 50er Jahre behandeln. Diese drei Aktenmappen mit Hektographie-Kopien bleiben bei der Polizeiinspektion.
Die Chroniken schildern die Ereignisse, die unmittelbar mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs zusammenhängen.
In der Zeit der Besatzung oblag die Exekutivgewalt der alliierten Militärregierung, wie eine der Chroniken berichtet. Heinlein sagt: "Das war eine spezielle Zeit. Die Verwaltung wurde neu aufgebaut." Das macht die Sammlung für ihn interessant. Die Chroniken halten zum Beispiel fest, dass mit den alliierten Soldaten auch "zugereiste Dirnen der Gewerbsunzucht" auf dem Lagerberg auftauchten, weshalb dort ein Polizeiposten eröffnet wurde. Und 1948 forderte ein Stück Wildschweinfleisch, das der Jäger nicht nach Trichinen untersucht hatte, zwei Todesopfer.
Überhaupt Wald und Wild: Wilderei war früher stark verbreitet. Heute spielt die Deliktsart kaum eine Rolle. Raubdelikte haben ebenfalls nachgelassen, wie Hausmann erklärt. "Es gibt heute leichtere und bequemere Wege, an fremdes Geld zu kommen. Man denke nur an die Internetkriminalität", sagt der Inspektionsleiter.
Dafür findet in den Chroniken der Straßenverkehr so gut wie keine Erwähnung. Heutzutage mache er aber einen bedeutenden Teil der Polizeiarbeit aus.
Die Chroniken zählen nicht einfach nur die einzelnen Vorfälle auf. Sie liefern auch einen Schatz an allgemeinen Informationen über die Zeitumstände. So hält eine Tabelle die Entwicklung der Lebensmittelpreise fest. Überhaupt steckt teilweise viel Liebe im Detail: Eine handgezeichnete Karte veranschaulicht die Lage des Truppenübungsplatzes.