Für das kommende Schuljahr haben sich wieder mehr als zwei Drittel der Schüler für ein zusätzliches Schuljahr auf dem Weg zum Abitur entschieden.
Volleyball, Handball und Parcour sind die Lieblingssportarten des 15-jährigen Luca aus Hammelburg. "Ich habe jeden Tag irgendein Training", berichtet er. Deshalb war für ihn und seine Eltern in der 7. Klasse schnell klar, dass er das neue Pilotprojekt "Mittelstufe plus" nutzt: vier statt drei Jahre für die 8. bis 10. Klasse und dafür kein Nachmittagsunterricht. "Der Druck ist einfach raus", fasst er seine Eindrücke zusammen, und: "Das ist jetzt eher wie auf der Realschule."
In der 6. Klasse hatte Luca einmal, in der 7. Klasse zwei Mal in der Woche Nachmittagsunterricht. Seit September kommt der 15-Jährige wieder von Montag bis Freitag gegen 13.15 Uhr nach Hause. "Man hat mehr Freizeit und kommt trotzdem mit dem Stoff hinterher", sagt auch seine Klassenkameradin Nicole (13) aus Oberthulba. In der 7.
Klasse sei es schon "manchmal stressig" gewesen, jetzt werde der Stoff im Unterricht öfter wiederholt.
Nur 15 Schüler im Regelzug
Hannah (14) aus Frankenbrunn und Daniel (13) aus Sulzthal sind dagegen im Regelzug geblieben: "Mein Bruder hat mir geraten, den Nachmittag in Kauf zu nehmen", erzählt Daniel. Sowohl mit seinen Noten, als auch mit der Menge an Freizeit ist er zufrieden: "Ich spiele relativ viel Tennis, aber oft am Wochenende", berichtet er, und: "Ich komme auch noch dazu, etwas mit Freunden zu machen." Dem stimmt auch Mitschülerin Hannah zu: "Ich habe einmal die Woche Fußball-Training und auch noch genügend Zeit, um mit Freunden was zu machen."
Hannah und Daniel gehören zu den nur 15 Schülern am Frobenius-Gymnasium Hammelburg, die nach zwölf Schuljahren Abi machen wollen. Der größte Teil der aktuellen 8.
Klasse, nämlich 49 oder 76,6 Prozent, hatten Mittelstufe plus beantragt. Für das kommende Schuljahr haben sich 60 von 86 Schülern (69,8 Prozent) der Siebtklässler für das Zusatzjahr entschieden. "Der Anteil ist etwas geringer, aber annährend vergleichbar", sagt Schreiner.
Das Pilotprojekt ist nicht nur pädagogisch, sondern auch organisatorisch eine Herausforderung: In einigen Fächern werden die 8. Klassen noch gemeinsam unterrichtet, andere Fächer würden nach und nach "entkoppelt": In Deutsch, Mathematik und Englisch werde der Stoff in den Mittelstufe-Plus-Klassen gedehnt, in einer der beiden 8. Klasse zudem Latein, in der anderen die Naturwissenschaften. Nach der 9. Klasse wird dann eine "9 plus" eingefügt, ab der 10.
Klasse sollen die Schüler mit denen des nachfolgenden Jahrgangs weiter lernen bis zum Abi.
"G 8 eigentlich gut etabliert"
Laut Schreiner war es in den beiden Schuljahren einfach Glück, dass die Anmeldezahlen eine Klassenbildung zuließen: Jeweils eine Regel- und zwei Mittelstufe-plus-Klassen kamen zustande. In Elterngesprächen habe er unter anderem darauf hingewiesen, dass ein Jahr länger Schule auch ein Jahr länger Hausaufgaben bedeute. Zumindest seien die Abiturienten nach zwölf Jahren immer froh, dass kein weiteres Jahr mehr bevorsteht, erzählt er schmunzelnd.
"Eigentlich war das G 8 gut etabliert", berichtet Schreiner, dass sich Bedenken der meisten Eltern längst gelegt hatten. Trotzdem habe sich das Frobenius-Gymnasium "sehr aktiv" um das Pilotprojekt Mittelstufe plus beworben, sogar mit einem eigenen Konzept.
Zu Schulwechseln oder mehr Anmeldungen habe die erweiterte Mittelstufe allerdings am Hammelburger Gymnasium nicht geführt: 2015 kamen 67 Fünftklässler, heuer sind es 65 Anmeldungen.
Bei einer pädagogischen Einordnung hält sich Schreiner zurück: "Natürlich ist ein 19-Jähriger reifer als ein 18-Jähriger", sagt er mit Blick aufs Abitur. Allerdings würden junge Menschen die Reife ja auch außerhalb der Schule erwerben, etwa in einem Auslandsjahr oder einem freiwilligen sozialen Jahr nach dem G 8. "Psychologisch ist die Schule wieder positiver besetzt", laute ein ganz praktischer Effekt: Viele Schüler würden mit mehr Freude lernen, wenn sie mehr Zeit haben. Dafür sei in seiner Wahrnehmung die Motivation im Regelzug größer.
Bei den Noten und der Zahl der Wiederholer gebe es in den drei 8. Klassen keinen großen Unterschied.
Schließlich würden auch sehr gute Schüler das zusätzliche Jahr wählen, um mehr Zeit für Hobbys zu haben. Neben diesem Mehr an Freizeit kann der Mittelstufe-Plus-Antrag noch mit der Aufarbeitung von Lern-Defiziten oder einem n geplanten Auslandsjahr begründet werden.
Mini-Abitur-Jahrgang 2020
Wie es nach der zweijährigen Pilotphase 2017 weitergeht, weiß auch Schreiner nicht: "Das entscheidet die Staatsregierung." In jedem Fall werde das Konzept bei den beiden Pilot-Jahrgängen bis zum Abi durchgezogen. Das bedeutet auch, dass im Jahr 2020 in Hammelburg nur 15 Schüler Abitur machen und dass ab Herbst 2020 Platz für zwei zusätzliche Klassen vorhanden sein muss.
"Mit dem Landkreis ist das alles abgestimmt", betont Schreiner, und: "Wir werden auch den 15 Schülern ein ausreichendes Angebot in der Oberstufe bieten." Kommt die Mittelstufe plus flächendeckend müssten viele praktische Fragen geklärt werden, fordert Schreiner. Etwa feste Kriterien, wann Anträge abgelehnt werden, um die Klassenbildung an kleineren Schulen zu ermöglichen.
"Alles für alle anzubieten ist häufig weder organisatorisch möglich noch pädagogisch sinnvoll", lautet die klare Botschaft aus dem bayerischen Kultusministerium. "Gut zwei Drittel" der Schüler in den 47 (von insgesamt 430) Pilot-Gymnasien hätten sich für die längere Mittelstufe entschieden. Die Quote liege etwa zwischen 35 und 90 Prozent.
"An allen Modellschulen wird es im kommenden Schuljahr mindestens eine Plusklasse geben", sagte eine Sprecherin auf Nachfrage.
Ministerium: Sorgfältig auswerten
Das Kultusministerium werde "die Ergebnisse der Pilotphase sorgfältig auswerten" und "rechtzeitig die entsprechenden Schlüsse ziehen". Der Hammelburger Schulleiter erhofft sich vor allem möglichst bald eine Aussage, wie es mit Mittelstufe plus weitergehen soll. Schließlich müssten sich Schüler und Eltern spätestens mit Mai 2017 entscheiden, falls es nach der Pilotphase weitergeht.