Gezerre um die Kernzonen

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Seit 1991 ist die Rhön Biosphärenreservat - unser Bild zeigt den Kreuzberg. Das soll um 57 700 Hektar erweitert werden. Dann wären auch mehr Kernzonen auszuweisen, in denen jede wirtschaftliche Nutzung unzulässig ist. Foto: Archiv
Seit  1991 ist die Rhön Biosphärenreservat - unser Bild zeigt den Kreuzberg. Das soll  um 57 700 Hektar erweitert werden. Dann wären auch mehr Kernzonen auszuweisen, in denen jede wirtschaftliche Nutzung unzulässig ist.  Foto: Archiv

Gut 21 Jahre nach der Verleihung könnte der Rhön der Status eines Unesco-Biosphärenreservats wieder entzogen werden. Es geht um 3532 Hektar, die unter besonderen Schutz stehen sollen.

Als Politiker muss man auch Optimist sein. Auf die Frage, ob die Kernzonen-Erweiterung des Biosphärenreservats Rhön noch 2012 abgeschlossen werden könne, sagt Landrat Thomas Bold (CSU), er sei zuversichtlich.
Allerdings müssten alle Beteiligten - Bayern mit Staatsforsten, Bund, Biosphären-Verwaltungsstelle, Kreise und Kommunen den Willen dazu haben, "dann sei das erreichbar." Bold sieht bei der Umsetzung vor allem den Freistaat in der Pflicht.
Bold und sein Bad Neustädter Amtskollege Thomas Habermann (CSU) haben 2002 die Vergrößerung der Biosphäre angestoßen, weil deren Gebietskulisse und die des Naturparks gleich sein sollten. Damit würden sich zwangsläufig die Kernzonen vergrößern, die von jeder Nutzung ausgeschlossen sind. Auch sollten - aus Gründen der Werbung - die Kurorte hineinkommen. Alle Kommunen wurden angesprochen, sagte Bold. Alle hätten sich dafür ausgesprochen.
Es habe lang gedauert, bis die Rahmenbedingungen klar waren. Für Dynamik sorgte im Juli 2010 ein Beschluss des bayerischen Kabinetts in Bad Kissingen, Flächen des Staatsforstes zur Verfügung zu stellen.
Die Kommunen sollen 1000 Hektar beisteuern. Bold sagt, sie hätten bislang signalisiert, dass sie 600 Hektar bereitstellen würden. Allerdings gebe es noch keine Beschlüsse, da manches noch offen sei. Bis heute, so Bold, habe nur der Markt Oberthulba definitiv entschieden. Bad Kissingen, Hammelburg, Elfershausen und andere hätten ihre Bereitschaft angedeutet.
Ein Problem sei, dass eine zusammenhängende Kernzonenfläche mindestens 50 Hektar groß sein muss. Bold: "Das kann nicht jede Kommune leisten", der Staatsforst tue sich leichter.

Schon jetzt ein großes Defizit


Wie die Regierung von Unterfranken auf Anfrage mitgeteilt hat, besteht schon jetzt ein Defizit bei den Kernzonen in der bayerischen Rhön. 2184 (drei Prozent) sollten es sein, nur 383 Hektar sind es nach Angaben von Sprecherin Lydia Neubert. Das sei schon bei der ersten periodischen Überprüfung durch das deutsche MAB-Nationalkomitee im Auftrag der Unesco 1993 festgestellt worden. MAB steht für "Man And Biosphere" (Menschen und Biosphäre).
Kommt es nun zu einer Erweiterung der Biosphäre in Bayern 130 500 Hektar, vergrößerten sich der Kernzonenbedarf auf 3915, das Defizit steigt auf 3532 Hektar. 2062 Hektar würden laut Kabinettsbeschluss die Bayerischen Staatsforsten beisteuern. Verhandlungen über die Einbringung von 1248 Hektar kommunaler Flächen laufen nach Angaben von Lydia Neubert noch. Offen sei, ob auch der Bund - etwa im Truppenübungsplatz Wildflecken - Grundstücke einbringen wird.

Entschädigung für Kommunen


Die Ausweisung der zusätzlichen Kernzonen übersteige den Bestand forstlich unwirtschaftlicher Fläche "erheblich", so die Sprecherin weiter. Die Aufgabe jeglicher wirtschaftlicher Nutzung führe zu finanziellen Einbußen bei den Eigentümern. Deshalb werde um jeden zusätzlichen Hektar hart verhandelt. Daher sollen auch die Kommunen eine teilweise Entschädigung erhalten, habe das Finanzministerium entschieden.
Die Zeit drängt: Das Überprüfungsverfahren läuft, die drei Bundesländer sollen den Entwurf eines Berichts bis 28. September vorlegen, die endgültige Version muss Ende März 2013 fertig sein. Daher muss die Kernzonen-Frage bis Jahresende beantwortet werden. Das haben die Landräte Bold und Habermann sowie die Amtschefs von Umwelt- und Landwirtschaftsministerium bekräftigt.
Wird das Ziel verfehlt, ist laut Lydia Neubert einem Erweiterungsantrag die Grundlage entzogen. Für den Fortbestand der Biosphäre hätte das aber keine weiteren Folgen. Allerdings müssten die notwendigen 2184 Hektar für die aktuelle Fläche dennoch nachgewiesen werden. Aber: "Wir sind fest davon überzeugt, dass es gelingen wird, das bayerische Kernzonendefizit zu beheben", so Lydia Neubert.
Sollte das Unesco-Prädikat aberkannt werden, seien damit keine direkten finanziellen Folgen für die Rhön verbunden, sagt Lydia Neubert. Eine Aberkennung käme nur in Betracht, wenn auch die Kernzone für die aktuelle Fläche des Reservats nicht ausgewiesen würde; das soll aber auf jeden Fall geschehen. Eine Riesen-Blamage für die Rhön wäre ein Fehlschlag dennoch. Denn man verlöre einen werbewirksames Titel.

Biosphärenreservat Rhön:
Zahlen Die Biosphäre umfasst den Kernbereich der Rhön in Bayern, Hessen und Thüringen. Sie wurde 1991 von der UNESCO anerkannt. Das Reservat ist 184 939 Hektar (davon 72 802 in Bayern) groß.

Ziele Die Biosphäre soll die Vielfalt sowie Qualität des Lebensraumes nachhaltig sichern. Dabei werden Landwirtschaft, Naturschutz, Gewerbe und Tourismus mit einbezogen. Dazu wurde ein Rahmenkonzept als Leitbild entwickelt.

Zonen 2,27 Prozent der Fläche sind Kernzonen, meist Naturwaldreservate. Hier ist jegliche Nutzung ausgeschlossen. In den Pflegezonen (36,40 Prozent, 67 483 Hektar) soll nur naturnahe Nutzung stattfinden. Der Rest der Fläche ist Entwicklungszone. Hier kann es zu Konflikten kommen, weil widersprüchliche Interessen aufeinander prallen. In der Rhön sind Kernzonen und wichtige Teile der Pflegezone als Naturschutzgebiete rechtlich gesichert (ca. zehn Prozent).