Sebastian Wetzel aus Ebenhausen ist gerade zurück aus dem Nordirak. Er hat dort bei der medizinischen Versorgung von Flüchtlingen aus Syrien geholfen. Sein schlimmstes Erlebnis: ein vier Wochen altes Baby, das unterernährt und fast ausgetrocknet ins Lager kam.
"Die Eindrücke kommen jetzt erst so langsam", sagt Sebastian Wetzel. Er ist in der Nacht von Sonntag auf Montag nach einem zweiwöchigen Aufenthalt im Nordirak wieder nach Hause gekommen. Der Familienvater ist ehrenamtlicher Rettungssanitäter. Er war für die Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) Schnelleinsatztruppe für Auslandseinsätze (First Assistance Samaritan Teams/FAST) im Lager Dormiz für syrische Flüchtlinge, 30 bis 40 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt.
30.000 Flüchtlinge sind dort derzeit untergebracht. Wetzel war Teil eines achtköpfigen Teams. Insgesamt sieben Zelte, fünf für Behandlungen und zwei als Wartezelte, standen ihnen zur Verfügung. Das Team war für die basismedizinische Versorgung verantwortlich, sagt Wetzel. Atemwegserkrankungen, Durchfallerkrankungen, Unterernährung waren die häufigsten Krankheiten, mit denen er zu tun hatte. Und es gibt viele Schwangere.
"Wir hatten ein tragbares Ultraschallgerät dabei. Als sich das herumgesprochen hatte, kamen die Schwangeren zu uns", erzählt er.
Es fehlen Decken Die Verhältnisse im Flüchtlingslager werden zwar langsam besser, es werden feste Unterkünfte gebaut werden, eine Klinik soll bis Dezember stehen, eine Schule gibt es schon - in einem Container. Aber es fehlen zum Beispiel Decken, Heizungen gibt es gar keine, und in einem Zelt schlafen bis zu 14 Menschen. "Dass sich Krankheiten da schnell ausbreiten, ist kein Wunder", sagt der ehrenamtliche Helfer. Über 50 Prozent der Patienten, die er mitversorgt hat, waren Kinder und Babys. Dort ist Wüste, es ist staubig, tagsüber waren es noch 25 bis 30 Grad, in der Nacht ist es schon kalt. Dann hat es geregnet, und der Staub wurde zu Schlamm. Die hygienischen Verhältnisse sind ebenfalls katastrophal.
"Die Kinder spielen im Schlamm" und dann sei es kein Wunder, wenn die Durchfall bekämen, sagt Wetzel.
Das für den Vater zweier kleiner Töchter schlimmste Erlebnis war gleich bei seinem ersten Dienst im Lager: Ein vier Wochen altes Baby, das unterernährt und fast ausgetrocknet zu ihnen kam. "Es hatte schon fast aufgehört zu atmen", sagt Wetzel. Das konnte er nicht so schnell vergessen. Aber bei der Arbeit, 12 bis 14 Stunden pro Tag, hatte er keine Zeit darüber nachzudenken. "Man muss das dann ausblenden. Die Arbeit geht weiter", sagt er.
Kriegsverletzungen hatten sie nicht so viele zu behandeln, aber unter anderem war ein Mann mit weggeschossenem Unterkiefer bei ihm. "Viele Flüchtlinge sind traumatisiert", berichtet Sebastian Wetzel. Die haben Gesprächsbedarf wegen der Erlebnisse, der Flucht, dem Krieg oder weil sie von ihren Angehörigen nichts gehört haben.
Sechs Dolmetscher übersetzten von Englisch ins Kurdische und umgekehrt.
Sebastian Wetzel hat für diesen Auslandseinsatz eine lange Ausbildung gemacht. Sein Arbeitgeber unterstützt ihn dabei. Eigentlich hatte er nämlich keinen Urlaub mehr. Er durfte sich trotzdem für diesen Einsatz freinehmen.
"Ich wollte schon immer mal ins Ausland", sagt er. Mit 17 Jahren hat er sich zum Sanitäter ausbilden lassen, später zum Rettungssanitäter. Statt Bundeswehr hat er sieben Jahre beim Katastrophenschutz gearbeitet. Und er fährt in seiner Freizeit auch noch Rettungsdienst.
Für den Familienvater war es eine gute Erfahrung: "Es hat mir sehr viel gebracht", sagt Wetzel. "Man wird wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt", sagt er. Hier in Deutschland seien doch viele Probleme hausgemacht.
Die First Assistance Samaritan Teams (FAST) des ASB bestehen aus haupt- und ehrenamtlichen Samariterinnen und Samaritern. Während eines umfassenden Ausbildungsprogramms werden nicht nur fachspezifische Inhalte, z.B. zur Trinkwasseraufbereitung und basismedizinischen Versorgung, vermittelt, sondern auch Themen wie Sicherheit im Auslandseinsatz, Stressbewältigung, interkulturelle Kommunikation und Standards der humanitären Hilfe.