Bayerns Umweltministerin Ulrike Scharf informiert sich bei einer Busfahrt durch die Rhön. Sie sieht gute Chancen für einen Nationalpark.
Nach drei Stunden kreuz und quer durch die Rhön, mit einem Bus auf den entlegensten Waldwegen, zwischen Buchenhainen und Basaltflächen legte sich Ulrike Scharf fest: "Das ist eine tolle Region - hier ließe sich etwas entwickeln." Die Umweltministerin sieht in der Rhön den möglichen Nationalpark als "sinnvolle Ergänzung" zum Biosphärenreservat. Jetzt liege es an den Menschen, ob sie diese "Angebot" der bayerischen Regierung annehmen wollten.
Das Landratsamt Bad Kissingen hatte sich Mühe gegeben, der Ministerin auf der Suche nach dem dritten Nationalpark in Bayern eine detaillierten Einblick von der Rhön zu geben. Ein großer Linienbus stand bereit, um die rund 40 Vertreter verschiedenster Gemeinden und Ulrike Scharf durch ein Gebiet zu kutschieren, in dem der Nationalpark möglich werden könnte.
Im Zickzack ging es auf Waldwegen durch den Klausforst, über die Platzer Kuppe, auf Serpentinen durch die Schwarzen Berge bis rüber in den Salzforst, übers Neustädter Haus zum Kreuzberg. Drei Stunden, in denen die Ministerin sich viele erklären ließ: Über die Kernzonen des Biosphärenreservates, die noch störende Fichte, die neuen Setzlinge, das alte Holz, die Feuchtzonen mit ihren Birken. Es war für Ulrike Scharf allerdings auch unmöglich, die Birken zu ignorieren - die Allergikerin spürte bereits das erste Kratzen im Hals.
Kein Hindernis für sie, anschließend auf dem Kreuzberg den Bürgermeistern der Gemeinden, die in einem künftigen Nationalpark liegen könnten, Rede und Antwort zu stehen (). "Ein Nationalpark ist eine historische Entscheidung", verdeutlichte sie. Denn bis aus den angelegten Kernzonen - 75 Prozent der Parkfläche müsste aus solchen entstehen - tatsächlich wieder ein Urwald wird, dauere es Jahrzehnte. Jahrzehnte, in denen der Wald bestimmten Regularien unterworfen wird. Wie eben dem, dass der Mensch nicht mehr eingreift. "Allerdings heißt das nicht, dass der Mensch ausgesperrt wird - ein Nationalpark ist für Menschen gemacht." Allein im Nationalpark Berchtesgaden gebe es 350 Kilometer lange Wald- und 250 Kilometer lange Radwege. Einzig in der Holznutzung würde sich etwas ändern, da aus dem Nationalwald eben nicht lange noch Holz geerntet werden darf. "Aber: Ihr Brennholz kriegen Sie nach wie vor wohnortnah, in ausreichender Menge und zu handelsüblichen Preisen. Mehr als einmal betonten Scharf und die Landräte Thomas Habermann (Rhön-Grabfeld) und Thomas Bold (Bad Kissingen), dass nichts ohne das Einverständnis der Bevölkerung passiere. In den Gemeinden soll nun sondiert werden, was die Rhöner vom Nationalpark halten. Scharf sicherte auch zu, sich mit Verbänden, die eine kritische Haltung haben könnten, zusammenzusetzen.
Edgar Thomas ist Kreisobmann des Bauernverbandes Bad Kissingen. Eingeladen zu der Infoveranstaltung auf dem Kreuzberg war er nicht, gekommen war er dennoch. Er drückte der Ministerin ein Protestschreiben in die Hand. Auf Nachfrage erklärte er den Inhalt: "Wir haben hier einen Naturpark und ein Biosphärenreservat, das reicht für die Rhön. Wir haben die Befürchtung, dass das Schwarzwild sich explosionsartig vermehrt." Außerdem werde der Wald von vielen Landwirten als Energielieferant für Holz genutzt, "das fällt dann weg".
Ihm zur Seite stand Rolf Herdt, Schafhalter aus Römershag. Er sieht seine Tiere in Gefahr, wenn, so Thomas, "sich Wolf und Luchs im Nationalpark vermehren".
Ein Zeitplan, wann ein möglicher Nationalpark Rhön umgesetzt werden könnte, liegt noch nicht vor. Ministerpräsident Horst Seehofer hatte mit der Ankündigung, in Bayern einen dritten Nationalpark zu errichten, vor allem die Naturschutzverbände überrascht. Kritiker werfen ihm vor, er wolle damit im grünen Lager nach Stimmen fischen. Die Umweltministerin dazu: "Es ist jetzt um die 40 Jahre her, dass wir den letzten Nationalpark in Bayern errichtet haben. Und Umweltschutz gehört einfach auch zu unserer Partei. In Bayern stehen momentan nur 0,64 Prozent der gesamten Fläche unter Nationalpark-Schutz - da können wir uns einen dritten noch leisten."
Erst spät am Abend fuhr die Ministerin wieder zurück nach München. In zwei Wochen schaut sie sich den nächsten potenziellen Standort für den dritten Nationalpark an, dann geht es in die Donauauen.
Fragen und Antworten
Klauswald, Salzforst, Schwarze Berge, Neuwirtshauser Forst - in diesem Gebiet wird nach dem geeigneten Standpunkt für den mindestens 10.000 Hektar großen Nationalpark gefahndet. Betroffen sind so viele Gemeinden quer durch die Rhön. Etliche Bürgermeister oder deren Vertreter hatten an der Infofahrt teilgenommen und konnten Umweltministerin Ulrike Scharf direkt ihre Fragen stellen.
Thomas Bold, Landrat für Bad Kissingen, und sein Rhön-Grabfelder Amtskollege Thomas Habermann waren sich einig: Sie machen ihre Haltung abhängig von der Bevölkerung. Habermann: "Ja, ich will einen Nationalpark, wenn die Bevölkerung und die Verbände ihn wollen." Für ihn persönlich sei es wichtig, "dass ich mit meinen Kindern in einem Raum leben kann, in dem die Natur noch intakt ist". Außerdem sieht er mit dem "NP 3" eine "Chance für die Natur in einem dichtbesiedelten Land". Fast zwei Stunden antwortete Umweltministerin Ulrike Scharf auf die Fragen der Bürgermeister oder deren Vertreter. Hier Auszüge:
Gerd Kleinhenz, Bürgermeister von Wildflecken: Die Ängste der Wirtschaftsbetriebe seien "elementar", sagte er. Kleinhenz fürchtet, dass Betriebe in ihrer Expansionsmöglichkeit eingeschränkt sind und bat die Ministerin, das Gespräch mit der Industrie zu suchen. Die Ministerin bekräftigte, dass sie das tun werde und fügte an: "Der Nationalpark wird klare Grenzen haben, das heißt also nicht, dass Auswirkungen auf die Industrie zu befürchten sind." Und sie rief - neben der Ankurbelung des Tourismus - das wohl größte Plus des NP 3 in Erinnerung: "Allein eine Parkverwaltung schafft etwa 200 Arbeitsplätze", daneben seien im Haushalt allein für den Nationalpark Bayerischer Wald 15 Millionen Euro eingeplant.
Gotthard Schlereth, Bürgermeister von Oberthulba: Er wisse von einer Studie, die über die ökonomische Auswirkung von Nationalparks angestrengt worden sei. In der ginge es auch um die Auswirkung beispielsweise für die Holzvermarktung und Arbeitsplätze. "Wir sollten diese Studie kennenlernen", regte er an. Ministerin Scharf sicherte zu, dass derartige "Wertschöpfungsdaten" unabdingbar sind.
Erwin Kruczek, 2. Bürgermeister von Hohenroth: Er erinnerte daran, dass es in Bad Neustadt eine Bahnverladung für Holz gibt. "Wenn durch den Nationalpark viel Holz fehlt, fürchte ich, dass das Holz wieder auf der Straße transportiert werden muss und sich auch der Preis für den Festmeter erhöht - die privaten Waldbesitzer zahlen damit drauf." Ministerin Scharf: "Die Auflösung der Verladestation müsste vermieden werden, da werden wir drauf achten."
Birgit Erb, Bürgermeisterin von Oberelsbach: "Wir haben erst die Kernzone fürs Biosphärenreservat erweitert. Kann das an den Nationalpark angerechnet werden?" Christian Barth, Amtschef im Bayerischen Umwelt- und Gesundheitsministerium: "Es ist denkbar, dass man außerhalb des Nationalparks auf die ein oder andere weitere Kernzone verzichten kann."
Brigitte Meyerdierks, Bürgermeisterin von Bad Brückenau: "Ich sehe durch den Nationalpark einen großen Gewinn für unseren Bäderlandkreis. Inwieweit könnte unsere Ecke eingebracht werden?" Christian Barth erklärte, dass die A7, die durch das Bad Brückenauer Gäu verläuft, zur Schwierigkeit werden könnte.
Rudolf Zehe, Bürgermeister von Schönau: "Beeinträchtigt der Nationalpark unsere vielen Wallfahrer?" Ministerin Scharf: "Nein, Wallfahrten werden weiterhin möglich sein."
Georg Seiffert, Bürgermeister von Bischofsheim: "Was springt für uns raus?", fragte er direkt. Ulrike Scharf: "Ich kann keine Summe nennen, weil die von der Art des Nationalparks abhängig ist. Aber ich kann Ihnen von Erfahrungen seit den 1970er Jahren erzählen: Seit damals haben wir in die beiden bestehenden Nationalparks 450 Millionen Euro gesteckt. Ich komme also mit einem vollen Koffer." Landrat Habermann bekräftigte: "Ich will aber, dass die Finanzmittel on top kommen, nicht, dass das Geld von den Zuschüssen für Biosphärenreservat abgezweigt werden."
Andreas Sandwall, Zweiter Bürgermeister von Bad Bocklet: "Ich möchte dafür werben, dass wir den Park bekommen, auch wenn Feinheiten noch geklärt werden müssen. Der Park wäre ein Quantensprung für unsere Region."
Infos in Ratsversammlungen
In den betroffenen Gemeinden und Städten wird das Thema Nationalpark in den nächsten Tagen in den Rats- oder auf Bürgerversammlungen diskutiert.