"Das Zu geht gar nicht": Bad Kissinger Pflanzenmarkt-Geschäftsführer macht seinem Ärger über die Corona-Politik Luft

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Die Gartensaison lässt sich nicht einfach verschieben. Bei einer Inzidenz über 200 müssten aber - den am Mittwoch von der Bayerischen Regierung verkündeten Regeln nach - auch Pflanzenmärkte wieder schließen. Symbolbild: Thomas Obermeier/Archiv
Die Gartensaison lässt sich nicht einfach verschieben. Bei einer Inzidenz über 200 müssten aber - den am Mittwoch von der Bayerischen Regierung verkündeten Regeln nach - auch Pflanzenmärkte wieder schließen. Symbolbild: Thomas Obermeier/Archiv

Dieter Schlereth, Geschäftsführer des gleichnamigen Bad Kissinger Pflanzenmarkts, holt in einem Video bei Facebook zum Rundumschlag gegen die Corona-Politik aus. Wie die Reaktionen zeigen, hat er damit wohl einen Nerv getroffen. Und er hat eine klare Forderung.

"Grüß Gott zusammen. Ich bin der Dieter Schlereth vom Pflanzenmarkt in Bad Kissingen. Ich drehe normal keine Videos und schon gar nicht für Social-Media-Kanäle." Mit diesen Worten beginnt Schlereth-Pflanzenmarkt-Geschäftsführer Dieter Schlereth ein gut vierminütiges Video, das er am Donnerstag, 8. April, im Sozialen Netzwerk Facebook veröffentlicht hat. Schlereth holt dort zum Rundumschlag gegen die aktuelle Corona-Politik aus.

Auslöser: Die am Mittwoch von der Bayerischen Staatsregierung verkündeten neuen Regelungen. Von diesen ist auch der Handel im Besonderen betroffen. Für Bau- und Gartenmärkte, Gärtnereien, Blumenläden und Buchhandlungen, die aktuell den Geschäften des täglichen Bedarfs gleichgesetzt sind, gelten ab Montag, 12. April, dieselben Regeln wie für den restlichen Einzelhandel.

Inzidenz in Bad Kissingen noch unter 100

In Bad Kissingen heißt das bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von aktuell unter 100: Click & Meet. Also, Einkaufen nach vorheriger Terminvereinbarung. Steigt die Inzidenz über 100, müsste zusätzlich ein negativer Corona-Test von den Kunden vorgelegt werden. Ab einer Inzidenz über 200 wäre nur noch Click & Collect möglich, also das Abholen vorbestellter Ware.

Vor allem Letzteres ist es, was Dieter Schlereth verärgert: "Wir brauchen ein Konzept, das zuverlässig ist und auf lange Sicht Bestand hat. Es geht nicht, dass man Angst haben muss, in der nächsten oder übernächsten Woche vielleicht komplett zumachen zu müssen." Das gelte für den gesamten Handel.

"Click & Collect ist nicht wirtschaftlich für uns, selbst wenn man alles gibt und sich richtig reinhängt. Es ist ein Riesenunterschied, ob wir unter strengen Bedingungen öffnen dürfen oder ganz schließen müssen. Das Zu, das geht gar nicht."

Tests ab einer Inzidenz von 100 vorgeschrieben

Man wisse auch noch nicht, wie das mit den Tests ab einer 100er-Inzidenz funktionieren solle, führt Schlereth einen weiteren Kritikpunkt an. Der Handelsverband stehe den Händlern normalerweise als guter Berater zur Seite. Aber auch hier herrsche Unklarheit. Denn von der Regierung habe es nur geheißen, dass noch entsprechende Informationen kämen. "Wir wissen es nicht, aber wir kriegen es irgendwie hin", sagt Schlereth. Was folgt, ist ein tiefer Seufzer durch den Telefonhörer.

Ralf Ludewig, der Bad Kissinger Kreisvorsitzende des Handelsverbands, erklärt, dass der ab einer 100er-Inzidenz verpflichtende negative Corona-Test nicht älter als 24 Stunden sein dürfe und unter Aufsicht gemacht worden sein müsse. Was das genau heißt, könne er aktuell nur mutmaßen.

Vermutlich handele es sich um Tests, die in einem Testzentrum, beim Arzt oder Apotheker gemacht wurden. Eventuell bestehe auch die Möglichkeit für die Geschäfte, selbst Tests vor Ort anzubieten. "Ein Zuhause gemachter Test ist aber sicher nicht zulässig."

Gartensaison lässt sich nicht verschieben

Mit Blick auf seine Branche erklärt Schlereth, dass in drei Monaten etwa 60 Prozent des Umsatzes gemacht werden müssten. "Das ist jetzt. Wir sind an die Natur gebunden. Wir können das Aussäen und Pflanzen nicht einfach verschieben."

Alle Branchen hätten die Hoffnung gehabt, dass die Situation im Frühjahr wieder besser werde. "Aber stattdessen zieht die Regierung die Schlaufe zu. Wir brauchen ehrliche Öffnungsperspektiven", sagt Schlereth. "Was ist, wenn es die x-te Mutation gibt, gegen die vielleicht auch die Impfstoffe nicht helfen? Wir brauchen ein tragfähiges Konzept, das offene Geschäfte ermöglicht."

Er sei bereit strenge Auflagen hinsichtlich des Tragens von Masken, des Einhaltens von Abstands- und Hygieneregeln zu akzeptieren, betont Schlereth. Auch die Quadratmeterfläche pro Kunde würde er, wenn gefordert, vergrößern, um sein Geschäft offenhalten zu dürfen.

Immer noch fehlt eine klare Strategie der Politik

Bei vielen Betrieben sei mittlerweile viel Substanz abgebaut. Er warnt davor, dass die Kollateralschäden am Ende größer seien als die unmittelbaren Auswirkungen der Pandemie. Deswegen brauche es konstruktive Lösungen nicht nur für den Handel.

"Wir können über alles reden", sagt auch Ludewig. "Aber wir brauchen ein klares und verlässliches Konzept, bundesweit. Wir wollen öffnen und gleichzeitig natürlich unsere Mitarbeiter und Kunden schützen." Es sei klar, dass man weiter mit dem Virus leben müsse, nicht nur die nächsten zehn Tage oder Wochen.

Deswegen brauche es von Seiten der Politik eine langfristige, geordnete Strategie, die auch nicht ausschließlich an die Inzidenz gekoppelt sein dürfe, sondern weitere Faktoren wie etwa die Belegung der Intensivbetten oder das Verhältnis der positiven Tests zur Gesamtmenge an Tests berücksichtigen müsse, sagt Ludewig. Genug Zeit habe man dafür eigentlich inzwischen gehabt.

Über 14 000 Personen innerhalb rund eines Tages erreicht

Schlereth fordert in seinem Video zum friedlichen Protest auf. Er selbst schreibe schon seit längerer Zeit Briefe, etwa an Politiker und Verbände. Von Seiten der Lokalpolitiker sei auch Unterstützung gekommen, berichtet er. "Aber die Landes- und Bundesregierung regiert an den Bürgern, ihren Wählern, vorbei."

Von der Resonanz auf sein Video indes wurde der Geschäftsführer des Pflanzenmarkts positiv überrascht, wie er berichtet. Man habe mit dem Video bereits mehr als 14 000 Personen bei Facebook erreicht, sonst lägen Posts in der Spitze etwa bei 5 000 Kontakten.

"Die Leute haben E-Mails geschrieben, wirklich ausführliche, oder angerufen und sich bedankt, dass ich das gemacht habe. Das habe ich wirklich nicht erwartet und richtig Gänsehaut bekommen."