Chemikalien-Fund: Lange Nacht für Einsatzkräfte

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Geborgene Chemikalien werden verpackt. Foto: Peter Rauch
Geborgene Chemikalien werden verpackt. Foto: Peter Rauch

Aus einer Routineaktion entwickelte sich ein Großeinsatz: Zeitweise war befürchtet worden, dass Chemikalien explodieren könnten. Häuser wurden evakuiert.

"Feuerwehr Bad Kissingen zum Kellerauspumpen in die Theresienstraße ausrücken" - was inzwischen für jede Dorffeuerwehr zum Standardprogramm gehört, entwickelte sich in der Nacht vom Mittwoch auf Donnerstag für die Kissinger Wehr zu einem der längsten und arbeitsintensivsten Einsätze der jüngeren Zeit.


Kurz vor 20 Uhr hatte ein Nutzer eines Kellers mitgeteilt, dass sein Keller auf Grund der Regenfälle unter Wasser stehe. Bereits da schwante Kissingens Kommandanten Harald Albert etwas, denn, in der Kurstadt hatte es in den letzten Tagen kaum geregnet. Aber dies sollte nicht die letzte Ungereimtheit der gerade angebrochenen Nacht sein. Fakt jedoch war, der Keller stand unter Wasser, dies jedoch unter Umständen schon einige Tage lang.


Immens hohe CO-Werte

Die Feuerwehr tat, was sie in diesen Fällen immer tut: Mit einer Pumpe das Wasser herausholen und in den nächsten Gulli einleiten. Nur diesmal war der Keller nicht wie üblich in wenigen Minuten leer, die Pumpe lief und lief und das Schmutzwasser wollte kaum abnehmen. Bei einem der anstehenden Kontrollgänge wurde dann ein beißender Geruch festgestellt, und Messungen ergaben einen immens erhöhten CO-Wert, worauf das Abpumpen sofort unterbrochen wurde.


"Gefahrgut-Alarm"

Auf Nachfrage teilte der jetzige Nutzer, ein ehemaliger Kissinger Mediziner mit, er habe in dem Keller auch verschiedene Chemikalien aus seiner ehemaligen Zahnarztpraxis gelagert.
Um 23 Uhr wurde dann nach Rücksprache mit den zuständigen Fachbehörden "Gefahrgut-Alarm" ausgelöst. Weitere Kissinger Kräfte rückten zusammen mit den Feuerwehren Garitz, Reiterswiesen, Hausen und Kleinbrach an, und nur wenig später traf auch der im Nachbarlandkreis Rhön-Grabfeld stationierte Gerätewagen Gefahrgut ein. Wie auch im hiesigen Landkreis verfügen inzwischen mehrere, auch kleinere Wehren über gut ausgebildete Spezialisten, so dass auch im Nachbarlandkreis etliche Feuerwehrleute an die Geräte gerufen wurden, weiteste Anfahrt hatten dabei die Kameraden aus Ostheim v. d. Rhön.


Durchfahrt abgesperrt

Um Mitternacht, es waren inzwischen über 120 Feuerwehrangehörige und 70 Rettungssanitäter, die aus dem gesamten Landkreis hier zusammengezogen wurden, kam der Zug richtig ins Rollen: Die Wehren aus Hausen und Kleinbrach hatten die Stadt bereits eine Stunde vorher dicht gemacht. Ein Durchfahren durch die City war nicht mehr möglich, Absperrungen waren an der Amtgerichtskreuzung und an der Ludwigsbrücke, wer durch Kissingen wollte, musste den Weg über den Ring nehmen.


Bewohner evakuiert

Schlag Mitternacht wurden dann durch das Rote Kreuz, das drei Notärzte entsandt hatte, auch die beiden angrenzenden Häuser evakuiert und die zwei Dutzend Bewohner durften die Nacht bei Bekannten oder in den Räumen des Roten Kreuzes auf Feldbetten verbringen.

Um 1.30 Uhr standen die ersten in Vollschutzausrüstung verpackten Feuerwehrmänner in ihren blauen "Ganzkörperkondomen" zum Einsatz bereit und auch die farbig angelegte Reinigungsstraße war einsatzfertig. Um in die blauen Vollschutzanzüge mit ihren integrierten Stiefeln und Handschuhen zu kommen, sind zwei Helfer nötig. Um ihm, total verschwitzt nach maximal einer halben Stunde, wieder zu entsteigen, werden vier Helfer in leichten, orangen Chemikalen-Schutzanzügen benötigt.

Aber, so weit war es noch nicht: erst musste der Zweier-Trupp, zu dessen Sicherheit noch ein weiterer Dreiertrupp in Reserve stehen muss, in den Keller, um mit Kescher und Greifer umherschwimmende Chemikaliengebinde aufzusammeln.


Aggressive Chemikalien

Bevor sie dann in Kunststoffbehälter verpackt und diese dann in verschließbare Fässer verfrachtet wurden, wurde jedes einzelne geborgene Chemikalenbehältnis zur Identifizierung fotografiert. So füllten sich schnell die bereitgestellten fünf Metallfässer mit den gefährlichen Hinterlassenschaften aus einer Zahnarztpraxis. Der Kellernutzer und Mediziner stand die gesamte Zeit der Feuerwehrführung zur Verfügung, und so ergab es sich im Lauf der späten Nacht, dass er darauf hinwies dass einige der gelagerten Stoffe bei unsachgemäßer Handhabung auch sehr aggressiv reagieren können. "Beim Schütteln können diese Stoffe sogar explodieren", soll von dem ehemaligen Zahnarzt gesagt worden sein.


Krisenstab eingerichtet

Um fünf Uhr am Donnerstagmorgen wurde die Theresienstraße vorerst wieder freigegeben und die ersten Helfer rückten ab. Die Kissinger Wehr verließ den Einsatzort um sechs Uhr morgens, um in der Feuerwache einen Krisenstab einzurichten, denn die CO-Konzentration lag am Morgen immer noch so hoch, dass der Keller nur unter Vollschutz betreten werden konnte.


Betriebsausflug fiel aus

So haben die Kissinger Wehrleute sich nicht nur die Nacht um die Ohren geschlagen, sondern haben unisono auch auf den gestern geplanten Betriebsausflug der Stadt verzichtet.
Am Vormittag ging der Einsatz weiter mit dem Einsatz zusätzlicher Spezialisten.