Sorgen Sie sich gerade nach Chemnitz um die Demokratie in Deutschland?Den Großteil meines Lebens habe ich Demokratie für etwas Selbstverständliches gehalten. Das hat sich verändert, und das geht auch einher mit einer gewissen Sorge um die Demokratie. Da ist jetzt Chemnitz nur ein sehr deutlicher Ausschlag auf dem Seismographen. Was mir mehr Sorge macht, ist zum Beispiel, dass einer der Kandidaten um den CDU-Vorsitz, Friedrich Merz, das Grundrecht auf Asyl in Frage stellt. Die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes haben ja nicht ohne Grund eingefügt, dass Menschen ein politisches Asyl zu gewähren ist. Das ist ja ein Teil unserer Geschichte. Diese Geschichtsvergessenheit macht mir Sorge, auch im Blick auf die Demokratie. Wir erleben in der Politik und in der Öffentlichkeit  eine schleichende Diskurs-Verschiebung. Ich sehe das als Folge der dauernden Tabu-Brüche, die wir durch die neue Rechte und andere rechtsradikale Gruppierungen erleben. Diesen Tabubrüchen folgen leider auch viele Politiker und Politikerinnen in anderen Parteien.
Wie sieht es aus Ihrer Sicht in der Region aus: Ist Unterfranken noch Insel der Seligen?Achtsam sein muss man, glaube ich, überall, auch wenn die Erscheinungsformen der Gefahren für die Demokratie schon unterschiedlich sind. Es sind auch aus Unterfranken Abgeordnete der AfD in den Landtag eingezogen, und wenn man sich da einige Äußerungen genauer anschaut, ist das, finde ich, schon auch Anlass zur Sorge. Was es in Unterfranken gibt, ist unglaublich viel Engagement in Kirchengemeinden und in der Zivilgesellschaft, wenn es um Mitmenschlichkeit geht, also gerade jetzt in der Hilfe für Geflüchtete in den vergangenen drei Jahren, sowohl hier in Würzburg, als auch in meiner Heimatstadt Hammelburg. Es gibt tolle Initiativen und viele Menschen bleiben auch ganz beständig dabei, um Geflüchteten zu helfen. Und für Würzburg gesprochen: Hier gibt es eine Zivilgesellschaft, die sich immer wieder über Parteigrenzen hinweg zusammen tut, wenn es darum geht, klare Kante gegen Rechts zu zeigen. Da sind häufig alle dabei, auch wenn sie sonst oft sehr unterschiedliche Positionen vertreten.
Trotzdem haben aber auch Helfer nach drei Jahren Illusionen verloren, oder?Also, es tritt bei manchen Ermüdung ein, bei einzelnen wahrscheinlich auch eine Desillusionierung, weil es bei einzelnen die Vorstellung gab, dass ginge alles viel schneller, dass Menschen hier ankommen, Deutsch lernen und sie integriert sind. Das dauert alles viel länger, was aber nicht nur damit zu tun hat, dass sich die Menschen schwer tun, Deutsch zu lernen, sondern dass halt auch oft die Rahmenbedingungen schwierig sind, dass viele Hürden zu überwinden sind, auch bürokratische Hürden nach wie vor. Beim Zugang zum Ausbildungsmarkt gibt es zum Beispiel immer wieder Rückschläge: Menschen, die gut begonnen haben und sich da zurecht finden, werden auf einmal wieder rausgerissen. Es gibt auch Desillusionierung, weil es Erfahrung mit einer zunehmend entmenschlichten Politik gibt. Hätte man die Kräfte und die Ressourcen, die wir 2015 erlebt haben, beständig positiv bestärkt und danach geschaut, wie man es ermöglichen kann, dass Menschen hier leben, gäbe es auch weniger Frustrationserlebnisse. Viele sind auch ein Stück weit enttäuscht von der Politik.
  
  
  
  
  
    
    
    Gibt es auch Hilfe von Gruppen, von denen sie es sich nicht erwartet haben?Immer wieder. Ich glaube, wenn in Betrieben Mitarbeiter und Ausbilder ganz konkrete Menschen erlebt haben, dann vertreten sie eine Meinung, die sie vorher nicht vertreten haben. Das macht mir schon Mut. Dass sich gerade aus dem Arbeitsmarkt, etwa die Handwerkskammer, so viele stark machen für Geflüchtete, finde ich eine gute Entwicklung. Ich denke aber auch an Gespräche zum Beispiel mit der Polizei. Da gibt es gute Entwicklungen und das Bemühen, dass Menschen hier in der Gesellschaft gut ankommen.
Ist Ihnen jede Unterstützung willkommen, auch wenn es vielleicht aus egoistischen Gründen kommt?Ich habe manchmal schon im Hinterkopf, dass es oft um die Nützlichkeit der Menschen geht, was meinem Ansinnen  und meinem Zugang zum Thema widerspricht. Aber wir brauchen natürlich immer ein Eingangstor, und das kann das Arbeitsleben sein, um zu erleben: Hey, das sind ganz normale Menschen wie wir auch. Und das zeigt sich halt oft erst im direkten Kontakt, auch am Arbeitsplatz. Aber natürlich ist mir wichtig, dass nicht nur die nützlichen, sondern alle Menschen eine Chance haben.
Gibt es gerade deshalb im Osten besonders viele Vorurteile, weil dort der Anteil an Migranten niedriger ist und der Kontakt fehlt?Ja, ich glaube nach wie vor, dass Beziehungen einer der wichtigsten, vielleicht sogar die wichtigste Säule für Integration sind.
Was wäre Ihr größter Wunsch für Geflüchtete an die Politik?Ich finde gut, dass sich außer den äußersten Rechten alle Parteien einig sind, dass wir ein Zuwanderungsland sind und dass wir das gestalten müssen. Wichtig wäre ein Zuwanderungsgesetz mit dem so genannten Spurwechsel. Das heißt, dass Menschen, die schon lange hier sind, die gezeigt haben, dass sie sich bemühen, hier gut anzukommen, auch tatsächlich die Möglichkeit bekommen, aus dem Asylrecht in die andere Schiene zu kommen und hier bleiben zu können. Es kapiert doch kein Mensch, dass jemand der deutsch kann und einen Job hat, plötzlich abgeschoben wird, nur weil Afghanistan jetzt als sicheres Herkunftsland gilt, was ich übrigens sehr problematisch finde. Viele Flüchtlingsorganisationen sagen ja, dass die Realitäten dort eine andere sind und Afghanistan unsicherer denn je ist.
Wie oft sind Sie selbst mit dem Thema Asyl und Menschenrechte unterwegs?Das lässt sich schlecht sagen und nicht so klar trennen. Selbst wenn  ich den ganzen Tag in der KHG bin, sind oft  auch Termine der Hochschulgemeinde durchzogen von diesem Thema, weil es doch auch viele junge Menschen hier beschäftigt. Aber es nimmt auch neben meiner Arbeitszeit schon breiten Raum ein: Ich bin zum Beispiel Mitglied des Ombudsrates der Stadt, da dauert die Sitzung so drei, vier Stunden. Letzten Samstag hatten wir einen Klausurtag des Flüchtlingsrates. Der Tag wäre sonst  für mich schon eine Gelegenheit gewesen, frei zu haben. Ansonsten läuft vieles halt gedanklich einfach so mit.
Wie groß ist denn ihr Aktionsradius?Das ist vorrangig der Raum Würzburg, ich bin demnächst auch bei einer Solidaritätsveranstaltung für die Seenotrettung in Schweinfurt. Aber ich bin auch viel zu Lesungen nach Nürnberg und München eingeladen.  Das Gespräch führte Ralf Ruppert.
     
Die Kirche selbst ist ein Grund, warum die Akzeptanz der aktuellen Flüchtlingspolitik schwindet. Gültige Beschlüsse unseres Rechtsstaats werden ignoriert und durch das Kirchenasyl ausgehebelt. Dabei ist die Kirche einer der Hauptprofiteure der Flüchtlingsbewegung: Die Dienstleistungen in den unzähligen, von Kirchen betrieben Sozialeinrichtungen, werden zu goßen Teilen von dem Steuerzahler getragen. Unser aktueller Ministerpräsident Markus Söder hat deshalb schon 2015 unter dem Slogan "Barmherzigkeit braucht keine Miete" gefordert, die Mietforderungen der Kirche für die betriebenen Unterkünfte zu streichen. Dies wurde von den Kirchen nicht mitgetragen. Die Gehälter der hohen Geistlichen werden, was die wenigsten Leser wissen dürften, ebenfalls von den Bundesländern und nicht von den Bistümern gezahlt. Die Milliarden, die alleine das Bistum Köln hortet, werden, wie es scheint, lieber für das eigene Seelenheil verwendet.
Das Interview zeigt zudem den verschrobenen Blick auf die Situation - hier sind es nur die Hürden der Bürokratie, die fehlende Unterstützung der Gesellschaft, die für die Probleme der Betroffenen verantwortlich sind. Eine Eigenverantwortung, eine Selbstverschuldung, ja fehlender Wille zur Eingliederung in die Gesellschaft gibt es aus Sicht der Kirche nicht.
Die katholische Kirche selbst hat sich über Jahrhunderte an den Schwächsten dieser Gesellschaft in einer bestialischen Art und Weise verschuldigt, dass mir kein Grund einfällt, warum ich mit einer Kerze hinter einem ihrer Vertreter laufen sollte. Diese Institution ist heute mehr politischer als geistlicher Akteur und ich bin sicher, das bleibt sie auch, ganz egal wie das politische System in der Zukunft aussieht. Wie wandlungsfähig sie in ihren Ansichten ist, beweist sie schliesslich seit über 2000 Jahren.