Gregor Cimala rettete unter unmenschlicher Anstrengung und großem Mut dem zehnjährigen Noah Lagemann das Leben. Der Markt Wildflecken ehrte ihn deshalb.
Es war eigentlich nur eine ganz normale Auszeichnung durch die Marktgemeinde Wildflecken, die Gregor Cimala am Wochenende erhalten hat. Hinter dieser auf den ersten Blick vollkommen alltäglichen Ehrung steckt allerdings eine ganz lange Geschichte. Eine aufwühlende, anrührende, außergewöhnliche Geschichte mit tragischen Ereignissen, einem glücklichen Ende und einem vollkommen bescheidenen Helden.
Das Ereignis liegt schon ein paar Jahre zurück - 2007. "Trotzdem ist es für mich so präsent, als wäre es gestern geschehen", sagt noch heute der Oberbacher Axel Lagemann. Seinem damals zehnjährigen Sohn Noah hätte ein tragischer Unfall beim Spielen beinahe das Leben gekostet. Wäre da nicht der Vater des damals achtjährigen Spielkameraden Dominik gewesen, Gregor Cimala aus Oberbach. Der eher zierliche Mann rettete den schwer verletzten Noah, indem er massive, schwere Eichenbalken ganz alleine anhob, so dass der eingeklemmte Noah mit letzter Kraft herauskrabbeln konnte. Für diese kraftraubende und zudem gefährliche Lebensrettung wurde Cimala vom Bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer mit der Rettungsmedaille ausgezeichnet.
"Selbst heute kann ich nicht immer begreifen, dass mein Sohn zunächst dank eines einzelnen Menschen und dessen Sohn noch am Leben ist", sagt Axel Lagemann, der mittlerweile in einem österreichischen Zweigwerk der Kunert Gruppe arbeitet, die ihren Hauptsitz in Oberwildflecken hat. Den fast tödlichen Unfall hat Noah ohne bleibende Schäden und Beeinträchtigungen überlebt.
Nichts wie zuvor Es ist der 27. Oktober 2007, als Noah mit seinem Spielkameraden Dominik im Ort unterwegs ist, wie an vielen anderen Tagen zuvor und danach auch. Doch als die Großmutter von Noah unter Tränen bei den Eltern anruft und von einem schweren Unfall berichtet, da ist plötzlich gar nichts mehr wie zuvor.
"Ich wusste, es musste etwas Schreckliches passiert sein, denn meine Mutter ist keine zimperliche Frau, eine kleine Wunde oder Verletzung würde sie schon selbst versorgen, das wusste ich", blickt Axel Lagemann zurück. Kaum hatte die Großmutter diese Worte am Telefon gesagt, rennt Vater Axel zum Auto. Er rast Hals über Kopf zur Unfallstelle, völlig schockiert, voller Ungewissheit.
Nach kurzer, schneller Fahrt findet er seinem Sohn "liegend auf ein paar Spanplatten, in den Händen unseres Hausarztes". Dieser leistet die Erstversorgung, legt einen Venenzugang und verabreicht schmerzlindernde Mittel. Natürlich alarmiert er auch umgehend den Rettungsdienst. "Als ich bei meinem Sohn ankam, begann er zu weinen, bis zu diesem Zeitpunkt verkniff er es sich anscheinend." Der Vater streichelt Hand, Stirn und Haare seines Sohnes und spricht ihm Mut zu. Hilflos muss Axel Lagemann mit ansehen, wie der Sohn immer blasser wird. Noah flüstert kreidebleich mit leiser Stimme: "Hilf mir Papa, hilf mir."
Ein paar Minuten später trifft der Rettungsdienst ein. "Und in diesem Moment, so glaube ich, schaltete mein Körper, aber auch der meiner Frau, die ebenfalls mittlerweile eingetroffen war, in eine Art Notprogramm um, in dem man nur funktioniert, aber keinesfalls mehr klar denken kann. Alles funktioniert nur noch mechanisch." Der Rettungshubschrauber wird im hessischen Fulda alarmiert. Um Noah für diesen Transport zu stabilisieren, wird er in den Rettungswagen gebracht, dort bereits in einen künstlichen Tiefschlaf verlegt.
Notoperation Der Rettungshubschrauber kommt, Noah wird ins Klinikum nach Fulda gebracht, wo bereits alles für eine Notoperation vorbereitet ist und ein ganzer Stab von Spezialisten auf sein Eintreffen wartet, um ihn möglichst schnell zu operieren. "Wie wir später erfuhren, müssen es wohl zwölf Ärzte gewesen sein." Ein Oberarzt der dortigen Kinderklinik teilt den Eltern mit, dass es nicht gut um den Sohn steht. Noah habe einen Leberabriss erlitten und "in der gleichen Menge, wie man das Spenderblut oben nachfüllt, so läuft es unten wieder davon." Bis jetzt habe man die Blutung nicht stoppen können und im Moment wisse man auch nicht wie. "Meine Frau und ich waren am Boden zerstört und doch war alles mechanisch, ein Film lief vor unseren Augen ab, wir waren Darsteller und doch Zuschauer, alles schien völlig unreal und doch war es real."
Nach einer schweren Operation und mehreren Tagen auf der Intensivstation, geht es aber bergauf. Außer einer Narbe vom Brustbein bis unter den Bauchnabel zeugt nichts mehr von seinem schweren Unfall.
Die Ärzte sprechen von einem kleinen Wunder. Noah war mit einem Puls von 18 und einer Körpertemperatur von 24 Grad in der Klinik eingeliefert worden. Später erfahren die Eltern, dass der Rettungsdienst und auch das Hubschrauberpersonal fest davon ausgegangen waren, dass Noah sterben würde. Ein leerer Rettungswagen war extra nach Fulda geschickt worden, vorsorglich, um sich im Fall der Fälle um die Eltern zu kümmern. Es stand nicht gut um den jungen Noah.
Nach und nach bewusst Dass Gregor Cimala dem Bub das Leben gerettet hatte, wurde den Eltern erst nach und nach bewusst. Noah und Dominik, der Sohn von Gregor Cimala, hatten beim Spielen verhängnisvollerweise einen instabilen Holzstapel erklommen. "Kurz bevor mein Sohn die Spitze des Stapels erreicht hatte, kam der Stapel ins Wanken und stürzte schließlich um." Dominik wird durch die herabfallenden Balken weggeschleudert, Noah allerdings wird unter dieser Masse Holz begraben und eingeklemmt. Noah ruft Dominik zu, der etwas entfernt liegt, dass er schnell Hilfe holen müsse. Dominik springt auf, rennt nach Hause und holt Vater Gregor, der im Bett liegt und schläft, um sich auf die anstehende Nachtschicht vorzubereiten.
Gregor springt auf, rennt zur Unfallstelle und mit fast unmenschlicher Kraft stemmt er die Balken irgendwie beiseite, sodass Noah sich befreien kann. Die Eichenbalken sind derart schwer, dass Gregor Cimala diese mit den Hände überhaupt nicht anheben kann. "Er baute praktisch mit seinem Körper eine Brücke, unter der Noah hervor kriechen konnte." Später, als es ans Aufräumen geht, versuchen vier Männer, die Balken beiseite zu heben. Sie schaffen es nicht und müssen einen Gabelstapler nehmen.