Eine gespannte und ehrfurchtsvolle Erwartung lag in der Prokopiuskirche in Bischofsheim in der Luft. In einer festlichen und zugleich gelösten Atmosphäre beging die russisch-orthodoxe Kirche am 6. Januar den Heiligen Abend.
Auch wenn in den Kirchen und manchem Wohnzimmer die Weihnachtsbäume und Krippen noch stehen und die Weihnachtsbeleuchtung brennt, in der Wahrnehmung ist Weihnachten eigentlich schon vorbei. Das neue Jahr hat angefangen, der Alltag hat vielerorts schon wieder Einzug gehalten. Nicht so in der russisch-orthodoxen Kirche, die Gläubigen feierten am Abend des 6. Januar den Heiligen Abend in der Prokopiuskirche in Bischofsheim.
Weihnachten 13 Tage später
Der Grund für das abweichende Datum sind unterschiedliche Kalender. Die russisch orthodoxen Christen berechnen das Fest nach dem älteren julianischen Kalender und nicht nach dem seit 1582 eingeführten gregorianischen Kalender. Sie behielten den alten Kalender und feiern somit Christi Geburt 13 Tage später.
Weihnachten in der russisch-orthodoxen Gemeinde in Bischofsheim war ein sehr beeindruckendes Erlebnis.
Nach und nach kamen die Gläubigen in den behaglichen Kirchenraum. Es wurde umarmt und begrüßt, leise Unterhaltungen wurden geführt, Kerzen angezündet und die Ikonen verehrt.
Es war eine familiäre und warmherzige Atmosphäre, die Menschen gingen umher, Kinder schauten verträumt in die viele Kerzen. Kirchenbänke gibt es in der orthodoxen Kirche nicht, nur am Rande des Raums gibt es Sitzmöglichkeiten. Der eigentliche Gottesdienst wird - zur Ehre Gottes - im Stehen absolviert.
Noch war der Blick auf den Altarraum durch den goldenen Vorhang und die geschlossenen halbhohen Türen versperrt. Es lag eine gespannte und ehrfurchtsvolle Erwartung in der Luft.
Es war eine festliche und gelöste Atmosphäre.
Zumeist russisch gesungen
Pfarrer Fjodor Hölldobler ging im prächtigen, mit goldenen Stickereien besetzten liturgischen Gewand durch den Kirchenraum. Begrüßte die Gläubigen. Und gesellte sich zunächst zur kleinen Schola, die den gesamten Gottesdienst mit dem Gesang begleitete. Zumeist wurde auf Russisch gesungen, doch auch ab und zu auf Deutsch. "Erhöre mich, Herr", diese Bitte wurde immer wieder wiederholt. Der Gesang nimmt einen sehr wichtigen Platz im orthodoxen Gottesdienst ein. Instrumentale Kirchenmusik gibt es nicht. Einzig der eindrucksvolle Gesang ist zu hören.
Er ist Teil der Liturgie, keine Ausschmückung oder Ergänzung oder Begleitung.
Verehrung des Urbilds Gottes
Währenddessen verehrten die Gläubigen die verschiedenen Ikonen mit Christus, der Gottesmutter, den biblischen Szenen, den Heiligen. Auch Ikonen sind in der orthodoxen Kirche Bestandteil der prächtigen Liturgie. Doch die Verehrung gilt nie dem Kunstwerk oder gar dem Künstler, sondern immer dem hinter der Ikone stehende Urbild Gottes, dem einzig die wahre Anbetung gebührt.
Für den orthodoxen Christen ist die Ikone gleichsam ein Fenster zur Ewigkeit, ein Übergang von der sichtbaren zur unsichtbaren Welt. Mit dem Öffnen des Tores und des Vorhangs vor dem Altarraum begann der eigentliche liturgische Teil des Weihnachtsgottesdienstes. Dem erst Ende November zum orthodoxen Priester geweihten Alexander Schäfer kam diese Aufgabe zu.
Mit Weihrauch wurden die Gläubigen, die Ikonen, der Kirchen- und Altarraum versehen. Kleine Schellen erklangen am Weihrauchkessel, der Duft erfüllte den Raum und hüllte die Gläubigen ein, sie standen dicht gedrängt sogar auf den Aufgangsstufen der Kirche.
Inhalt verbindet Christen
Viele Schriftlesungen aus dem Alten und Neuen Testament gehörten zur Liturgie, sie alle verwiesen auf Jesus als Erfüllung der Prophezeiungen der Propheten hin. Zwischen den Lesungen, die ebenfalls singend vorgetragen werden, immer wieder der Ruf des Priesters: "Seid aufmerksam, hört die Weisheit." Bei allen äußerlichen Unterschieden in der Liturgie, der Inhalt des Weihnachtsfestes ist doch gleich und verbindet Christen aller Konfessionen miteinander. Zu Weihnachten wird in der gesamten Christenheit dasselbe gefeiert: die Geburt Jesu Christi, die Menschwerdung Gottes.