Landung im Paragrafendschungel

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Ragassa lernt für seine Qualifizierung zum Altenpflegehelfer, damit er eine Arbeit aufnehmen kann. Foto: Julia Raab
Ragassa lernt für seine Qualifizierung zum Altenpflegehelfer, damit er eine Arbeit aufnehmen kann. Foto: Julia Raab

Viele Asylbewerber wollen arbeiten, dürfen aber nicht. Die Vorschriften sind auch für deutsche Fachleute nicht leicht zu durchschauen.

Ragassa aus Äthiopien ist seit fast zwei Jahren in Deutschland. Sein Asylverfahren ist noch immer nicht abgeschlossen. In seinem Heimatland war er Krankenpfleger und hat gutes Geld verdient, doch aufgrund der politischen Probleme ließ er seine Familie zurück. In Deutschland musste er von vorne anfangen. "Die Hürden im deutschen Arbeitsmarktsystem sind sehr hoch", erklärt Daniela Schad, Flüchtlingsberaterin der Caritas, die Situation der Flüchtlinge auf Arbeitssuche. Und es werde viel zu wenig getan, um arbeitswillige Flüchtlinge zu integrieren. Alleine der Deutschsprachkurs, oft eine Grundvoraussetzung, um arbeiten zu können, erreiche nur einen Bruchteil der Flüchtlinge.

Ragassa hat sich gekümmert. Er hat das Sprachzertifikat B1 erworben und hat in der Capio Franz von Prümmer Klinik ein Praktikum absolviert. Momentan macht er eine Ausbildung zum Altenpflegehelfer in Bad Kissingen, eine Maßnahme der Agentur für Arbeit für Flüchtlinge mit Bleibeperspektiven. Doch die viermonatige Ausbildung bleibt unter seinem Ausbildungsniveau, meint er, und die Arbeit sei auch schlechter bezahlt. Doch seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt seien gut, meint Schad über Ragassa. "Leute wie er werden gesucht", ist sie sich sicher.


Kaum zu überblicken

Der Dschungel des Arbeitsmarktes und der Bürokratie ist für viele Flüchtlinge kaum zu überblicken. Schad versucht zu erklären: Im Asylverfahren befindliche Personen dürfen nach drei Monaten arbeiten, wenn die Ausländerbehörde zustimmt. Dafür muss zunächst eine Vorrangprüfung durchgeführt werden, das heißt, es wird geprüft, ob eine Person mit deutscher oder EU-Staatsbürgerschaft besser für die Arbeit geeignet ist. Nach 15 Monaten im Asylverfahren fällt die Vorrangprüfung weg. Wenn ein Asylbewerber eine Arbeit auf Mindestlohnbasis vorweisen kann, fällt auch die Wohnsitzauflage weg.

Für Personen im Asylverfahren mit Bleibeperspektiven bietet die Agentur für Arbeit verschiedene Leistungen an. Hier wird versucht, die Asylbewerber für Branchen zu qualifizieren, die einen Mangel an Arbeitskräften aufweisen, gibt die Agentur für Arbeit Bad Kissingen Auskunft. Beispielsweise die Qualifizierungsmaßnahme, an der Ragassa teilnimmt. Oder die Maßnahme PerF (Perspektiven für Flüchtlinge), bei der neben Sprachförderung und Berufsorientierung auch ein Praktikum in einem Betrieb auf dem Plan steht. Daraus bahnen sich - laut Agentur für Arbeit - momentan interessante Möglichkeiten zur Arbeitsaufnahme an.

"Doch die Angebote reichen bei weitem nicht aus", kritisiert Schad, die mit den Flüchtlingen in Volkers in engem Kontakt steht und deren Nöte kennt. Auch Angleichungen im System erreichen trotzdem nur einen Bruchteil der Asylbewerber. Die Hürden für eine Arbeitsaufnahme müssten viel niedriger sein, denn "die Arbeit selbst ist ein ganz wichtiger Integrationsfaktor", meint sie weiter. Für das psychische Wohlbefinden sei es ganz besonders wichtig etwas zu tun zu haben, denn viele kommen aus einer unsicheren Situation und landen im Nichtstun.


Die Angebote reichen nicht aus

"Arbeiten wollen viele, doch ob sie was bekommen, ist fraglich", so die Flüchtlingsberaterin über die Asylbewerber. Ihrer Meinung nach müsste es mit der Erstaufnahme sofort eine Sprachausbildung geben, aber "sie dürfen erstmal gar nichts", spricht sie aus Erfahrung. Das System verbaue sich da vieles selbst. Auf der anderen Seite sei es für die Arbeitgeber ebenso undurchsichtig. Die deutschen Wege, an eine Arbeit zu kommen, funktionieren hier nicht. Der Kontakt zwischen Arbeitgeber und -nehmer müsse direkt hergestellt werden. "Meist läuft es über Kontakte, oder dass sich ein Arbeitgeber selbst in der Gemeinschaftsunterkunft vorstellt." Das sei schon ein paar Mal passiert. Aber auch dann müsse man wissen, dass es etwa vier Wochen dauert, bis der Bewerber die Arbeit aufnehmen kann, da erst ein Antrag bei der Ausländerbehörde gestellt werden muss. Aber dieser Weg, so meint Schad, sei viel effektiver.

Was die Anerkennung der Berufe der Flüchtlinge angeht, so ist das eine komplexe Angelegenheit, erklärt eine Mitarbeiterin der Agentur der Arbeit. Hier wird geprüft, ob es Sinn macht, eine Anerkennung anzustreben. Dabei werde unterschieden in reglementierte (zum Beispiel. Ärzte) und nicht-reglementierte Berufe (duale Berufsausbildung). Für nicht-reglementierte Berufe gibt es - je nach Berufsgruppe - verschiedene Anerkennungsstellen, die jeden einzelnen Fall überprüfen.

Positiver sei der Weg einiger junger Asylbewerber, die im schulpflichtigen Alter nach Deutschland kommen. Durch die Schule werden sie besser integriert, lernen schneller Deutsch und können danach eine Ausbildung beginnen. Das bestätigt auch Birgit Herré, Direktorin der Mittelschule in Bad Brückenau. Der Fall eines jungen Ukrainers, der momentan seinen Abschluss an der Schule macht und danach gleich eine Ausbildung in einem Friseurbetrieb beginnt, ist ein Beispiel.


Weniger arbeitsuchende Frauen

Anders sieht es bei Frauen aus, wobei das, je nach Herkunft und Kultur, sehr unterschiedlich sei. "Bei den Syrern gibt es - je nach Bildung - kaum Frauen, die gearbeitet haben und hier arbeiten wollen", meint Schad vorsichtig. Die Frauen seien nicht auf Arbeitssuche, und wenn die Wohnsitzauflage wegfällt, ziehen sie oft in Städte, in denen es ethnische Gemeinschaften gibt. Dann sei es noch schwieriger, die Frauen zu integrieren.

Ragassa war ehrgeizig. Und er hatte Glück. Nach seiner Ausbildung zum Krankenpflegehelfer hat er die Zusage einer Klinik für eine feste Stelle. Doch zunächst muss er in einem Praktikum dort beweisen, dass die Deutschkenntnisse ausreichen. Schad: "Es wird oft gefordert, dass die Flüchtlinge sich integrieren sollen, doch dürfen die Hürden nicht zu hoch sein. Integration muss deshalb von allen Seiten gefördert werden."