Flucht ohne Eltern : Jugendhilfe vor Problemen

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Fotos: Benedikt Borst
Fotos: Benedikt Borst
Klaus Hofmann, Siegbert Goll und Thomas Bold
Klaus Hofmann, Siegbert Goll und Thomas Bold
 

Die ersten unbegleiteten Flüchtlinge sind im Landkreis Bad Kissingen angekommen . Die Jugendlichen sollen gut integriert werden. Die Behörden haben Probleme, langfristig Unterkünfte und Betreuer zu finden.

Zwei Taxis haben die zehn jungen Männer von der Bayernkaserne in München an den Volkersberg gebracht. Sie packen ihre gesamten Habseligkeiten, verstaut in mehreren Plastiktüten, aus den Autos und beziehen drei Bungalows auf dem Gelände der Jugendbildungsstätte. Die Jugendlichen sind zwischen 16 und 17 Jahre alt. Neun von ihnen stammen aus Eritrea im Nordosten Afrikas, einer wurde im westafrikanischen Mali geboren. Sie haben ohne ihre Eltern die Flucht aus ihrer Heimat gewagt und schließlich nach Monaten Deutschland erreicht.

"Sie waren ganz schön geflasht (beeindruckt, Anm. d. Red.) von der idyllischen Rhön", sagt Erlebnispädagoge Lui Böhler. "Die Verständigung funktioniert ganz gut über Englisch und Deutsch. Ich finde, dass der Anfang gut gelungen ist." Er und drei weitere Pädagogen und Jugendhelfer betreuen die minderjährigen Flüchtlinge in den nächsten vier Monaten. Sie helfen ihnen, sich an die fremde deutsche Kultur und an die unbekannte Umgebung in der Rhön zu gewöhnen.

Jugendhilfe vor Problemen

Die zehn jungen Afrikaner sind die ersten unbegleiteten Flüchtlinge, die im Landkreis ankommen. Dementsprechend groß war das Medieninteresse bei einer Pressekonferenz am Mittwoch, auf dem die Verantwortlichen vom Landratsamt Bad Kissingen und der Jugendbildungsstätte das Pilotprojekt "unbegleitete minderjährige Flüchtlinge Volkersberg" vorgestellt haben. Landrat Thomas Bold (CSU) dankte der Einrichtung, dass sie die Flüchtlinge provisorisch bis März im Bungalowdorf unterbringen. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge genießen besonderen rechtlichen Schutz. "Da ist eine andere Qualität der Begleitung und der Betreuung gefordert", sagt Bold. "Wir brauchen dazu entsprechend qualifizierte Einrichtungen."

Für die unbegleiteten Flüchtlinge ist die Jugendhilfe des Landratsamtes direkt zuständig. Das bedeutet, dass sie eigentlich in einer Jugendhilfeeinrichtung untergebracht werden müssten. Im Landkreis sind allerdings alle stationären Einrichtung voll und außerdem fachlich auf andere Aufgaben ausgelegt. Jugendamtsleiter Siegbert Goll verhandelt deshalb mit Trägern, um eine neue Unterkunft speziell für die Jugendlichen zu schaffen. "Für das Jugendamt ist das eine große Herausforderung", sagt Goll. Es sei schwierig, geeignete Immobilien zu finden. Auch hätten die Träger Probleme bei der Suche nach geeignetem Fachpersonal, das die Jugendlichen intensiv betreuen soll. Goll ist trotzdem zuversichtlich, rechtzeitig eine Lösung zu finden.

Flüchtlinge langfristig integrieren

Der Volkersberg springt allerdings nur provisorisch ein, betont Leiter Klaus Hofmann. "Wir sind damit fachlich als Bildungsstätte nicht beauftragt." Die Jugendbildungsstätte sei keine Konkurrenz zu anderen Jugendhilfeeinrichtungen. "Wir wollen dem Landkreis Zeit verschaffen, um neue Strukturen für Jugendhilfe aufzubauen", sagt Hofmann.

Während 2011 insgesamt 3782 unbegleitete Flüchtlinge deutschlandweit angekommen sind, erwarten die Behörden dieses Jahr allein in Bayern schon 3500 Jugendliche. Im Landkreis Bad Kissingen bleibt es dieses Jahr bei den zehn Afrikanern am Volkersberg. Für nächstes Jahr rechnet Bold mit 24 weiteren. "Dabei handelt es sich nur um Prognosen", sagt Bold. Es könnten ebenso gut auch mehr sein. Der Landkreis müsse jetzt die Voraussetzungen schaffen, damit die jungen Menschen gut integriert werden. "Ein Großteil wird länger bleiben", schätzt der Landrat.

Schule, Lehre, Praktika

Es gelte jetzt den jungen Männern dabei zu helfen, sich einzugewöhnen und die Erlebnisse der Flucht zu verdauen, sagt Jugendamtsleiter Goll. "Sie haben viel durchgemacht." Sie brauchen Tagesabläufe und sollen lernen, sich eigenverantwortlich zu versorgen, mit allem was dazu gehört: selbstständig einkaufen, kochen und putzen. So werden sie auf ein Leben in Deutschland ohne Hilfe vorbereitet. "Sie müssen in unser Bildungssystem eingeführt werden", sagt Goll. Schon jetzt erhalten sie am Volkersberg Deutschunterricht. Später kümmert sich das Jugendamt um Schul- oder Ausbildungsplätze sowie um Praktika.

Ein Pressegespräch mit den zehn jungen Männern ist derzeit zu deren Schutz nicht gestattet. Zunächst müsse das Jugendamt die Vormundschaft klären. Außerdem brauchen die Jugendlichen Zeit, um sich einzugewöhnen. Mehr zu den Hintergründen der Flüchtlinge lesen Sie hier.