Das Land abseits der Schlagzeilen?  Genau. Zum Beispiel dreht sich alles um die Kirchenfeste. Da geht es meistens um Heilige, aber das hat nicht nur einen religiösen Aspekt. Es sind Feste der Gemeinschaft, die das Dorf zusammenhalten. Gemeinschaft und Solidarität sind dort total lebendig. Diese Werte sind in unserer kapitalistischen Gesellschaft ja eher bedroht. In Deutschland kenne wir ja eher die Ich-Kultur, die Selfie-Kultur. 
Kritisieren Sie das?  Ich habe das Gefühl, dass wir uns mit unserem konstanten Dauerkonsum, diesem Geltungskonsum und der Selbstdarstellung am Ende kaputt machen. Malinalco ist der Gegenentwurf. 
  
  
  
  
  
    
    
    Aber die Menschen dort sind arm, oder?  Materiell vielleicht. Aber was ist Armut? Dort herrscht ein spiritueller Reichtum, den ich nirgends sonst kennengelernt habe. Eine Magie, die sich schwer beschreiben lässt. Die Menschen haben eine besondere Fähigkeit, glücklich zu sein. Hier in Deutschland spüre ich eine nagende Unzufriedenheit. 
Was hat es mit dieser Magie auf sich?  In Malinalco hat zum Beispiel ein Schamane neben uns gewohnt. Prähispanische Kulte werden weiterhin praktiziert, und alle glauben an diese Magie. In Liebesdingen geht man zur Heilerin, oder wenn man arbeitslos ist auch. Mich fasziniert dieses Magische. Als Außenstehender kann man das allerdings nur beobachten, man wird nie Teil davon sein. 
Was ist mit dem Land der Drogenkartelle, der Gewalt und der massenhaften Auswanderung in die USA?  Dieses Mexiko möchte ich gerade nicht zeigen. Man kann nicht leugnen, dass im Land viel Gewalt herrscht. Aber das bestimmt das Leben nicht so, wie man es in der deutschen Presse wahrnimmt. 
Teile Ihres Erlöses aus dem Buchverkauf und Vorträgen spenden Sie einer Gemeindestiftung in Malinalco. Was tut diese Organisation?  Die Fundación Comunitaria de Malinalco setzt sich seit Jahren für Bildung und Umweltschutz ein. Seitdem es vor knapp einem Jahr ein Erdbeben in der Region gab, hat sich die Stiftung verstärkt für den Wiederaufbau eingesetzt. Es gibt immer noch Familien, die kein Dach über dem Kopf haben. 
Das Gespräch führte Ulrike Müller.
Biografie Jürgen Neubauer wurde im Jahr 1967 in Bad Brückenau geboren. Nach dem Studium der Anglistik und Germanistik in Marburg und Richmond arbeitete er als Buchhändler in London, war Dozent in Pennsylvania und Sachbuchlektor in Frankfurt. Vor 14 Jahren zog er nach Mexiko, wo er als freiberuflicher Übersetzer arbeitet. Als Autor hat er bisher drei eigene Bücher geschrieben: "Máximo Líder", "Mexiko. Ein Länderporträt" sowie "In Mexiko: Reise in ein magisches Land".
Lesung Am Samstag, 1. September, liest Jürgen Neubauer aus seinem Buch "In Mexiko" in der Galerie Form und Farbe. Los geht es um 19.30 Uhr in der Bahnhofstraße 19 in Bad Brückenau.