Asyl-Koordinator steht täglich vor neuen Herausforderungen

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Stefan Seufert ist einfach nur einen Raum weiter gezogen, von Zimmer 337 aus koordiniert er alle Asylangelegenheiten. Foto: Ralf Ruppert
Stefan Seufert ist einfach nur einen Raum weiter gezogen, von Zimmer 337 aus koordiniert er alle Asylangelegenheiten. Foto: Ralf Ruppert
Im Gespräch: Stefan Seufert bei der Besichtigung der Not-Unterkunft in Winkels durch Kreisräte. Foto: Benedikt Borst
Im Gespräch: Stefan Seufert bei der Besichtigung der Not-Unterkunft in Winkels durch Kreisräte. Foto: Benedikt Borst
 

Seit einem Jahr koordiniert Stefan Seufert die Unterbringung von Flüchtlingen. Wir haben mit ihm über die Organisation von Unterkünften, die Erfahrungen mit Asylbewerber und die Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen gesprochen.

1213 Flüchtlinge sind aktuell im Landkreis Bad Kissingen untergebracht, darunter 62 unbegleitete minderjährige. Was die Bundesregierung jetzt im Kanzleramt macht, hat Landrat Thomas Bold (CSU) bereits vor einem Jahr umgesetzt: Eine zentrale Stelle im Landratsamt, die alle Fragen rund um Asylangelegenheiten koordiniert. Zuständig ist dafür Stefan Seufert.

Herr Seufert, Sie sind jetzt seit gut einem Jahr Koordinator für
Asylangelegenheiten im Kreis. Kehrt langsam Routine ein oder ist es noch jeden Tag etwas Neues?
Stefan Seufert: Also bisher passiert jeden Tag etwas Neues und man muss viel improvisieren und kurzfristig entscheiden. Routine kehrt da noch keine ein.

Was ist im Moment die größte Herausforderung?
Das ist einmal die Menge der Menschen, die zu uns kommen. Daneben gibt es drei Bereiche, die unsere Aufmerksamkeit verlangen: Zum einen machen wir vor dem Anmieten jeder neuen Unterkunft eine Informationsveranstaltung auf Gemeindeebene, weil wir merken, dass es einen großen Informationsbedarf gibt. Da sind viele Befürchtungen und Ängste der unmittelbaren Nachbarschaft vorhanden. Das zweite ist, dass dann, wenn die Flüchtlinge mehrere Monate auf engstem Raum zusammen leben, auch Probleme auftreten. Die müssen wir versuchen, in den Griff zu bekommen. Und das Dritte ist der Bereich der Ehrenamtlichen, die oft eine sehr starke Bindung zu den Flüchtlingen haben, was im Prinzip gut ist, aber bei Verlegungen oder Abschiebungen Emotionen hervorrufen kann, die bearbeitet werden müssen.

Welche Weichenstellungen gibt es für die Zukunft?
Mir ist sehr wichtig, dass wir uns auch langfristig um Integration und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben kümmern. Das wichtigste ist dabei Bildung, vor allem das Erlernen der deutschen Sprache. Entweder bereitet man sich vor oder man wird überrollt. Deshalb verteilen wir auch die Belastung im gesamten Landkreis, damit es nirgends zu einer Überforderung kommt. Wir haben unter anderem bereits mehr als 170 Kinder in unseren Schulen, da leisten die Lehrer einen wichtigen Beitrag.

Aktuell muss man sich noch mit Not-Unterkünften behelfen, wieso sind die Menschen so lange dort?
Wir haben in der Erstaufnahme-Einrichtung Schweinfurt rund tausend Personen pro Tag, die verteilt werden müssen, und die Verteilung dieser vielen Menschen funktioniert nur verzögert. Deshalb kommt es vor, dass die Not-Unterkünfte länger belegt werden müssen als geplant.

Wie lange ist ungefähr die aktuelle Verweildauerg?
Wir rechnen mit sechs Wochen in den Not-Unterkünften. Die Flüchtlinge werden gescreent, es muss eine Röntgenaufnahme stattfinden, es müssen Blut-Untersuchungen stattfinden, es muss eine Vorstellung beim Amtsarzt geben. Das dauert, und solange müssen die Menschen in der Not-Aufnahme bleiben.

Wie wird es mit Not-Unterkünften weitergehen?
Wir haben in Bad Kissingen eine Not-Unterkunft, bei der wir rechnen, dass es länger als drei Monate dauern wird, das haben wir auch bei der Bürgerversammlung gesagt. Am Anfang war die Rede davon, dass die Landkreise im Zuge des so genannten Winter-Notfall-Plans sechs Wochen vorhalten sollten, aber diese Zahl wird sicherlich überschritten werden.

Und wird es weitere geben?
Es besteht die Möglichkeit, dass weitere Not-Unterkünfte beziehungsweise Außenstellen der Erstaufnahme-Einrichtung Schweinfurt möglich werden. Bei der Auswahl bleibt nicht viel übrig, weil ein Krankenhaus vor Ort sein muss, in dem die Röntgenaufnahmen stattfinden können.

Können Sie bis auf Weiteres auf Zelte verzichten?
Im Moment ja, wir haben im Landkreis noch Leerstände, die uns angeboten werden und als Not-Unterkünfte belegt werden könnten. Wir sind auch dankbar, dass wir in Bad Kissingen noch keine Turnhallen belegen mussten, weil dort zum einen die Belegung noch schwieriger ist und weil sonst an den Schulen viele Sportstunden ausgefallen wären.

Wie klappt die Zusammenarbeit zum Beispiel mit der Regierung von Unterfranken?
Die Zusammenarbeit mit allen Behörden ist sehr gut, jeder gibt sich viel Mühe, das Problem zu bewältigen, auch bei uns im Haus. Ich bin sehr stolz auf meine Kollegen, wie engagiert und umsichtig hier miteinander umgegangen wird.

Wie geht es bei den Gemeinschaftsunterkünften weiter?
Wir haben im Moment sechs Gemeinschaftsunterkünfte, fünf sind schon bezogen, die sechste ist für Bad Kissingen angekündigt in mehreren Bürger-Informationsveranstaltungen. Wir rechnen damit, dass diese Gemeinschaftsunterkunft in Winkels bis Ende Oktober, Anfang November bezogen wird.

Wie gestaltet sich die Suche nach dezentralen Unterkünften, kommen da noch Vorschläge?
Ja, durch die große mediale Aufmerksamkeit rufen immer noch Bürger an, um leer stehende Häuser und Wohnungen zu melden. Wir achten bei der Auswahl auf eine möglichst gerechte Verteilung in möglichst allen Gemeinden im Landkreis. Die Zusammenarbeit mit den Gemeinden klappt da gut.

Wie ist die Stimmung, wenn Sie Pläne für Unterkünfte vorstellen?
Die Resonanz ist überall sehr, sehr groß, selbst in kleinen Orten mit wenigen hundert Einwohnern sind oft 80 bis 100 Menschen bei der Bürgerversammlung und wollen Details wissen, wie es mit der Unterkunft weitergeht, welche Probleme auftauchen und wie auch ehrenamtlich geholfen werden kann. Diese Informationen sind mir auch sehr wichtig, weil Uninformiertheit oft die Ursache für Feindseligkeiten und Befürchtungen ist.

Es gehen ja Bilder um die Welt von der Hilfsbereitschaft der Deutschen, aber es gibt auch die kritischen Kommentare im Internet. Wie ist es vor Ort?
Also die Stimmung bei den Informationsveranstaltungen ist durchgehend positiv, die Menschen sind auch bereit, ehrenamtlich zu helfen. Es gibt immer wieder kritische Fragen, aber überwiegend erlebe ich eine offene Willkommenskultur. Ich bin den sicherlich weit über 100 ehrenamtlichen Helfern im Landkreis auch sehr dankbar, weil sie eine unverzichtbare Arbeit leisten.
Und welche Rückmeldungen bekommen Sie von den Flüchtlingen?
Auch von den Flüchtlingen bekomme ich sehr positive Rückmeldungen. Sie sind sehr dankbar dafür, dass es Menschen gibt, die ihnen auch in persönlichen Schicksalsfragen sehr behilflich sind. Ich bin auch sehr, sehr dankbar für die funktionierende Flüchtlingsberatung der Caritas. Mittlerweile sind acht Sozialpädagogen hier im Landkreis bei der Flüchtlingsberatung tätig, die eine ganz hervorragende Arbeit machen. Es ist ein gutes Miteinander: Die hauptamtliche Betreuung, die ehrenamtliche Betreuung und auch die Flüchtlingsbetreuung durch die Caritas funktionieren ganz hervorragend. Auch die Zusammenarbeit mit den Wohlfahrtsverbänden, etwa bei der Not-Unterkunft, ist ganz hervorragend.

Ein Sonderfall sind die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, wie ist die Situation hier?
Wir haben aktuell 62 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, wir erwarten eine weitere Zuweisung und suchen deshalb mit Jugendamt und Jugendhilfe-Trägern nach geeigneten Häusern, die dann zu Jugendheimen umfunktioniert werden. Wir haben jetzt unbegleitete Jugendliche in Bad Kissingen und Münnerstadt, weitere sind unter anderem in Bad Brückenau und Hammelburg vorgesehen.

Es wird immer wieder über Flüchtlingszahlen spekuliert, die Schätzungen reichen bis zu 1,5 Millionen heuer, haben Sie Hinweise von Flüchtlingen, dass in Zukunft sogar noch mehr kommen als bisher?
Wir wissen, dass viele auf Familiennachzug hoffen. Oft werden einzelne Familienmitglieder vorgeschickt und der Rest der Familie wartet in der Türkei oder in anderen Ländern. Aber wir haben da keine genauen Zahlen und können auch keine Prognosen abgeben.

Zuletzt zur Bürokratie: Wie lange sind die Verfahren und was könnte man verbessern?
Das ist eine ganz schwierige Frage. Für die Verfahren selbst ist das Bundesamt für Migration zuständig. Jedem Asylbewerber steht ein individuelles Verfahren zu. Was sich im Moment verzögert ist die Antragstellung. Die Flüchtlinge kommen nach Deutschland, werden registriert und werden dann aufs Land verteilt. Die Interviews sind ja sehr aufwändig, jedem Flüchtling steht auch ein Dolmetscher zu, deshalb vergeht da oft viel Zeit bis zur Antragstellung. Es sollen ja jetzt neue Stellen beim Bundesamt geschaffen werden, aber die müssen auch erst eingelernt werden. Bei den aktuellen Flüchtlingszahlen geht das einfach nicht schneller.

Was ließe sich da ändern?
Es ist sicherlich zu begrüßen, dass der Gesetzgeber da über Vereinfachungen bei der Zuwanderung nachdenkt. Aber das ist eine politische Frage.

Und wie sieht es mit Abschiebungen aus?
Die Zahl der Abschiebungen im Landkreis hält sich in Grenzen. Viele Flüchtlinge aus dem West-Balkan reisen auch freiwillig aus, weil die Chance einer Anerkennung sehr gering ist.

Das Gespräch führte Ralf Ruppert