114 Wirtshäuser weniger in Bad Kissingen

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Nach langem Leerstand wird der Stern in Nüdlingen als Museumsgaststätte und Asylheim genutzt. Fotos: Benedikt Borst
Nach langem Leerstand wird der Stern in Nüdlingen als Museumsgaststätte und Asylheim genutzt. Fotos: Benedikt Borst
Willie und Carola Schneider wollen das Landgasthaus zum Hirschen in Ebenhausen verkaufen.
Willie und Carola Schneider wollen das Landgasthaus zum Hirschen in Ebenhausen verkaufen.
 

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Gastronomie im Landkreis gewandelt. Viele traditionelle Dorfgasthäuser sind verschwunden. Wir stellen in einer Serie Wo und Warum vor.

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Willie und Carola Schneider sind mit dem Landgasthaus zum Hirschen in Ebenhausen eine feste Größe. Die Wirtschaft gibt es seit mehr als 50 Jahren, das Paar hat sein gesamtes Berufsleben das Gasthaus mit Fremdenzimmern und Kegelbahn geführt. Jetzt, im Alter von 60 und 61 Jahren, wollen sie aufhören. "Wir haben keinen Nachfolger. Wir wollen nicht bis 70 Jahre arbeiten, sondern den Ruhestand genießen", sagt er. Weder Kinder noch Enkel übernehmen das Traditionslokal.

Zuletzt haben die Schneiders den Betrieb etwas eingeschränkt. Kegelgäste bleiben aus, Stammtische und Pendler sind im Laufe der Jahre rarer geworden. Da fiel die Entscheidung nicht schwer: Verkaufen. Allerdings ist es schwierig, einen Käufer zu finden. Schon seit zwei Jahren sind sie vergeblich auf der Suche. "Gastronomie will heute kaum noch jemand machen", sagt Willie


Sterben begann in den 1980ern
Der Landgasthaus zum Hirschen ist im Landkreis kein Einzelfall. Der Gasthof Goldener Stern in Winkels wird wohl Ende des Jahres schließen. "Im ländlichen Bereich ist ein Gaststättensterben zu beobachten", sagt Michael Schwägerl, Geschäftsführer des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) in Unterfranken. "Die klassische Gaststätte auf dem Land, die wird weniger."

Mindestens 114 Wirtshäuser haben im Landkreis in den letzten Jahren und Jahrzehnten entweder komplett geschlossen oder sie haben nur noch sehr unregelmäßig geöffnet.

Laut Dehoga hat sich in Bayern seit den 1980er Jahren die Zahl von Schankwirtschaften nahezu halbiert. Heute gebe es in 40 Prozent aller Kommunen keine Schankwirtschaften und in 13 Prozent gar keine Gastronomie mehr. Gründe für das Wirtshaussterben gibt es einige: Betriebe schließen, wenn es keinen Nachfolger gibt oder sie Pleite gehen. Gesetzliche Bestimmungen und bürokratische Hürden setzen kleinen Gastronomen zu. "Sie werden jetzt wieder von der Allergen-Kennzeichnung und vom gesetzlichen Mindestlohn hart getroffen", sagt Schwägerl. Außerdem habe sich die Gesellschaft und das Freizeitverhalten der Menschen verändert.


Eine Pizzeria ist geblieben
Im Landkreis gibt es kaum eine Kommune, in der nicht ein Gasthof Krone, Stern oder zum Hirschen leer steht. Für Euerdorf beispielsweise sieht Bürgermeisterin Patricia Schießer (CSU) großen Bedarf. "Wir haben fast nichts mehr. Wir haben nur noch die Pizzeria direkt am Marktplatz", sagt sie.

In Burkardroth haben über Jahrzehnte hinweg 19 Gaststätten ihren Betrieb eingestellt, berichtet Heimatforscher Alfred Saam. Dennoch gibt es heute noch - abgesehen von Oehrberg - in jedem Ortsteil mindestens eine Gaststätte und zusätzlich oft ein Vereinsheim. Bürgermeister Waldemar Bug (ÖDP): "Ein Problem ist, dass viele erst abends öffnen. Aber wir sind froh, dass sie überhaupt aufmachen."

Vereinsheime sind laut Dehoga für Wirte eine ernste Konkurrenz. Der Gemeinderat Fuchsstadt steht ihnen kritisch gegenüber und schützt sein vier Wirte. "Wir haben zwei Gaststätten, die im Vollerwerb davon leben müssen. Wir haben eine Parallelbewirtschaftung im Vereinsheim nicht zugelassen", sagt Bürgermeister Peter Hart (CSU/UWG).

Ist das Wirtshaussterben ein unabänderliches Schicksal? In einigen Kommunen wie in Fuchsstadt, Aura und Rannungen gelingt es, die Gastronomie zu halten. Anderswo werden Leerstände beseitigt: Etwa im Stern in Nüdlingen, im Bratwurstglöckle und der Post in Bad Kissingen und im Laudensack in Bad Bocklet.

"Wenn jemand das Lokal weiterführt, wäre es für die Bevölkerung gut", meint Carola Schneider. Bis zum Verkauf öffnet das Ehepaar wie gewohnt. Wie der Hirschen in Ebenhausen danach genutzt wird, spielt für sie allerdings keine übergeordnete Rolle. Sie betonen aber, dass Gerüchte, es würden Büroräume entstehen, nicht stimmen. Ein Interessent habe sich erkundigt, was grundsätzlich machbar sei.


Leere Gasthäuser im Landkreis Bad Kissingen
Serie Das klassische Wirtshaus war ein Mittelpunkt des Gemeindelebens: Frühschoppen, Stammtische, Kegelgruppen. Seit den 1980er Jahren werden es weniger Betriebe, bayernweit gibt es in 13 Prozent aller Kommunen keine mehr. Im Kreis gibt es kaum Kommunen ohne leere Lokale. Die Saale-Zeitung beleuchtet in einer Serie das Phänomen Wirtshaussterben.

Recherche Die Saale-Zeitung hat bei Gemeinden, Wirten und Heimatforschern recherchiert. Ziel war es, landkreisweit möglichst viele leerstehende Wirtshäuser zu erfassen. Sie wurden vor Jahren, teilweise Jahrzehnten, geschlossen oder werden nur noch sporadisch genutzt. Die vollständige Liste finden Sie hier.