In Bamberg lässt Heger die Fäden zusammenlaufen. Denn Gustav und seine Kameraden bindet ein Schwur: Rache zu nehmen an dem Hauptmann, diesem elenden Dreckskerl. Hin- und hergeworfen sind Gustav und seine Kameraden zwischen dem alles verzehrenden Wunsch nach Rache und dem Vertrauen in die Gewaltenteilung eines demokratischen Staates: "Es geht auch um die Frage, ob man Hass mit Hass begegnen soll", sagt Heger.
Der 48-Jährige hat in Bamberg studiert, die Stadt wieder verlassen - und schnell gespürt, was er verloren hat. Heger wollte zurück, so schnell wie möglich. "Ich habe mich überall in Bamberg beworben, wo es nur ging." Der Bamberger Tourismus & Kongress Service (TKS) sagte Ja, 14 Jahre später ist Heger zum Tourismusdirektor aufgestiegen.
Bamberger Kolorit
Wahrscheinlich konnte ein Bamberg-Enthusiast - Heger ist es im Privaten nicht minder als im Beruflichen - wie er gar nicht anders, als sein Debüt in der Domstadt anzusiedeln. Es steckt viel Bamberger Kolorit in seinem Buch: Straßennamen, Institutionen wie St. Getreu, das Bier, die Kultur der Wirtshäuser.
Trotzdem hat Heger keine literarisierte Tourismusbroschüre geschrieben. "Es ist doch eine neue Zeit jetzt" ist ein historischer Roman aus eigenem Recht. Der Autor und der Tourismusdirektor treffen sich allenfalls dort, wo es im Roman heißt: "Kommen die Leute jetzt schon zur Sommerfrische nach Bamberg? Mitten im April?" Wer will, kann diesen Satz als lässigen Kommentar zur immerwährenden Diskussion über Fluch und Segen des städtischen Tourismus lesen.
Das Große im Kleinen
Die literarische Standortentscheidung zugunsten Bambergs motivierten historisch gute Gründe: nicht nur, dass die Regierung Hoffmann dorthin floh; in Bamberg wurde vor 100 Jahren auch die Bamberger Verfassung verabschiedet.
Wie seine Helden mit der Zeitgeschichte synchronisiert Heger die Bamberger Weltprovinz mit München und den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs. Diese Verknüpfungsarbeit kommt zwar nicht ganz an jene Kunstfertigkeit heran, mit der Volker Kutscher seine "Gereon Rath"-Romane schreibt. Aber auch Heger hat das Talent, das Große im Kleinen zu spiegeln, Zeitgeschichte mit den Lebenswegen seiner Figuren zu verweben.
Zwei Jahre lang hat Heger Wörter an Wörter und Sätze und Sätze gereiht. Abends nach der Arbeit,
wenn die Kinder im Bett lagen. Ihnen hat Heger seinen Roman gewidmet: "Gehört zu den Aufrechten/habt ein Herz/ seid dankbar/ lebt!"
Weder die Unversöhnlichkeit in den Debattenforen der sozialen Medien noch die parlamentarische Existenz einer rechtspopulistischen Partei rechtfertigen hyperventilierende Parallelen mit der Weimarer Republik. Das weiß auch Heger. Das Deutschland von heute ist nicht Weimar. Wer nach den Maßstäben von Hegers Widmung lebt, der hilft, dass es auch so bleibt.
Buch Michael Heger: "1919. Es ist doch eine neue Zeit jetzt". Gmeiner Verlag, 470 Seiten, 15 Euro