Drei Stunden Spielzeit
Obwohl Kritiker und Leser dem Roman gleichermaßen gewogen waren, gingen Broll-Pape und Dramaturg Al Kalisi mit dessen Bühnenadaption ins künstlerische Risiko. Allein das über 1300 Seiten und sechs Generationen aufgefächerte Personentableau setzte Fragezeichen hinter das Vorhaben. Die Bamberger griffen zurück auf jene Bearbeitung, die sich schon bei der Uraufführung am Hamburger Thalia-Theater bewährt hatte. Das tat die Fassung auch in Bamberg - und erwies sich bei einer keineswegs aus dem Rahmen fallenden Spielzeit von drei Stunden als dennoch zu lang.
Denn auserzählt waren die Leitmotive bereits nach etwa zwei Stunden Spielzeit. Die Macht des Staates über die Menschen, und die der Männer über die Frauen aber wurden in immer neuen Anläufen aufs Neue veranschaulicht. Der daraus resultierende Erkenntnisgewinn rechtfertigte diese
Bemühungen freilich nicht.
Gegen Broll-Pape und Al Khalisi verwenden lässt sich dieser erzählerische Überschuss nicht: Bei Uraufführungen haben die Autoren selbst das letzte Wort. Den Schauspielern immerhin boten die Variationen des bereits Gezeigten Gelegenheit, bei Aufmärschen, Militärübungen und Feiern ihr Können tanzend, singend - vor allem aber an den Verhältnissen leidend - in Gänze zu entfalten.
Insbesondere Ewa Rataj, Marlene-Sophie Haagen, Marie-Paulina Schendel und Stefan Herrmann dürfte dies zupass gekommen sein. Die Neuzugänge packten die Chance beim Schopfe und bereicherten mit ihrem facettenreichen Spiel umgehend das Ensemble.
Kittys Lebenshunger
Umso greller stach ins Auge, wenn die Regie dem Ausdrucksvermögen der Schauspieler einmal nicht vertraute. Dann wurde behauptet, nicht gespielt.
So durfte Stasia aus Trauer über die Hinrichtung ihrer Freundin Sopio (Anna Döing) ihre Blumen erst dann zertrampeln, nachdem dies dem Publikum angekündigt worden ist. Die famose Katharina Brenner vollzog das Gesagte anschließend gestisch nur noch nach.
Bewahrt haben sich Broll-Pape und Al Khalisi ihren künstlerisch produktiven Umgang mit Musik. Kaum einmal untermalten die eingespielten und von den Schauspielern auch live gesungenen Lieder lediglich die Szenen. Oft eröffneten sie der Handlung stattdessen weitere Hallräume.
So verknüpfte Nina Simones "Aint got no" den ungestillten Lebenshunger Kittys (Ewa Rataj) mit dem Emanzipationskampf aller sich unfrei Fühlenden. Einen bezaubernden Moment lang war es völlig egal, wo und wann "Das achte Leben (Für Brilka)" überhaupt spielte.