Politikwissenschaftler: Das könnte die CSU sich von der CDU abgucken

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Bei dieser Landtagswahl wird die CSU den Umfragen zufolge so schlecht abschneiden wie lange nicht - und es werden womöglich Abgeordnete aus sieben Parteien im Maximilianeum in München sitzen. Foto: Sven Hoppe, dpa
Bei dieser Landtagswahl wird die CSU den Umfragen zufolge so schlecht abschneiden wie lange nicht - und es werden womöglich Abgeordnete aus sieben Parteien im Maximilianeum in München sitzen. Foto: Sven Hoppe, dpa

Am Sonntag ist Landtagswahl in Bayern: Welche politischen Veränderungen stehen Bayern bevor? Der Politikprofessor Hans-Joachim Lauth schätzt die neuesten Entwicklungen ein und bewertet sie.

Die Landtagswahl am 14. Oktober könnte die Mehrheitsverhältnisse im Maximilianeum in München gründlich verändern. Selbst ein Sieben-Parteien-Parlament scheint möglich. Der Würzburger Politikwissenschaftler Professor Hans-Joachim Lauth erklärt, was das über Politik und Wähler aussagt und wohin sich die politische Landschaft in Bayern entwickelt. Die Landtagswahlen werden wohl für einige Veränderungen sorgen: Die absolute Mehrheit wird die CSU nicht verteidigen können. Erstmals könnte Die Linke einziehen, am Ende könnten sogar sieben Parteien im Landtag sitzen. Sind das Zeichen für eine lebendige Demokratie oder für Instabilität? Hans-Joachim Lauth: Ich erwarte keine instabilen Verhältnisse. Die CSU wird die treibende Kraft in Bayern bleiben, auch wenn sie sich mindestens einen Koalitionspartner suchen muss. In allen anderen Bundesländern sind Koalitionen gang und gäbe, der Normalfall kehrt in die bayerische Politik ein. Interessanterweise hat sich die Größe der beiden Lager - rechts und links - seit Jahrzehnten kaum verändert. Die Lager haben sich aber aufgesplittet. CSU, Freie Wähler und AfD kämen zusammen auf etwa 56 Prozent, das ist das Ergebnis der CSU bei der Landtagswahl von 1970. SPD, Grüne und Linke würden auf rund 33 Prozent kommen, das Ergebnis der Bayern-SPD von damals. Ein Austausch zwischen den beiden Milieus hat im Wesentlichen kaum stattgefunden. Der wichtigste Unterschied ist, dass die Grünen die SPD als führende liberale Großstadtpartei ablösen. Im rechten Lager ist der Unterschied zwischen Freien Wählern und CSU sicherlich deutlich geringer als zwischen CSU und AfD. Denn auch die CSU ist Richtung Mitte gerückt. Schon in den vergangenen Jahren war die SPD in Bayern nicht sonderlich stark. Jetzt scheint ihre Lage besonders dramatisch zu sein. Warum kann die Bayern-SPD nicht vom Tief der CSU profitieren? Die SPD-Wähler wandern zu den Grünen. Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind wichtige Themen, das hat auch der heiße Sommer dieses Jahr gezeigt. Die SPD war in Bayern mehr Großstadtpartei als Arbeiterpartei, diese Rolle übernehmen nun die Grünen. Beim Thema Wohnungsbau zeigt sich das Dilemma der Partei. Obwohl die SPD in vielen Großstädten wie München, Nürnberg oder Würzburg bereits den Oberbürgermeister stellte, gibt es heute dort immer weniger bezahlbaren Wohnraum. Die SPD kritisiert zum Teil ihre eigenen Versäumnisse. Den Grünen wird unterdessen ihr bislang bestes Ergebnis bei einer bayerischen Landtagswahl prognostiziert. Selbst bisherige CSU-Wähler fühlen sich von den Grünen angezogen. Wie kann das sein? Erstens stehen die Grünen auch für eine ökologische Landwirtschaft. Das spricht neben den Verbrauchern auch Kleinbauern an, die sich gegen die industrielle Landwirtschaft wehren können. Zweitens profilieren sie sich als Großstadtpartei. Als dritten Punkt dürfen die religiösen Verbindungen der Grünen nicht unterschätzt werden. Gerade im Streit zwischen CSU und den Kirchen, was Flüchtlinge und das Aufhängen von Kreuzen angeht, stellten sich die Grünen hinter die Kirchen. Markus Söder schoss erst scharf gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung, zuletzt gab er sich versöhnlicher. Sind Politiker verunsicherter als die Wähler? Es gibt sicherlich Verunsicherung auf beiden Seiten. Doch vor allem die CSU macht einen sehr nervösen Eindruck. Die markigen Aussagen in der Flüchtlingsthematik in den letzten Wochen haben nichts gebracht. Der ausgleichende Kurs ist sicherlich erfolgversprechender, das Hin und Her verdeutlicht allerdings die Verunsicherung der CSU. Eine neue Studie hat herausgefunden, dass sich die Mehrheit der CDU-Anhänger inzwischen links der Mitte einstuft - genauso wie der Rest der bürgerlichen Parteien. Rechts der Mitte positionieren sich die Wähler der CSU und AfD. Die CDU schafft es, viele Strömungen in sich zu vereinen, weshalb auch die SPD so schwach ist. Die CSU sollte dies berücksichtigen und entscheiden, in welche Richtung sie gehen will.

Welchen Einfluss hätte ein schlechtes CSU-Ergebnis für die Regierungsarbeit in Berlin? Die CSU würde dadurch an Gewicht in Berlin verlieren. Dies hätte aber auch einen positiven Effekt. Die endlosen Streitigkeiten nähmen dadurch ab. Besonders würde Ruhe einkehren, wenn nach einem desaströsen Wahlausgang auch Seehofer seinen Platz räumen würde. Er ist vielen Politikern in Berlin inzwischen ein Dorn im Auge.

Politik lebt vom Engagement der Bürger. Engagement in Parteien scheint vielen aber nicht besonders attraktiv. Wie können Parteien ihre Attraktivität steigern? Es herrscht keine allübergreifende Politikverdrossenheit, sondern eine Politikerverdrossenheit. Doch das gesellschaftliche Engagement der Bürgerinnen und Bürger bleibt bestehen. Besonders als viele schutzsuchende Menschen zu uns kamen, war das Engagement groß. In Zeiten steigender Individualisierung binden sich viele Menschen jedoch eher ungern langfristig. Die Parteien leiden darunter, was die Demokratie auf lange Sicht in Bedrängnis bringt. Ähnlich wie Lehrer verzeichnen Politiker einen enormen Autoritätsverlust. Sie müssen versuchen, Sympathie und Vertrauen zurückzugewinnen und auch durch mehr Transparenz aufzeigen, was die Politiker bereits leisten. Direkter Kontakt mit Bürgern bleibt wichtig - allein durch Skype-Konferenzen oder Netzkommunikation gewinnt man kein Vertrauen zurück. Demokratie lebt auch vom Wechsel. So ist es nicht verwunderlich, dass auch neue Gesichter gewünscht werden.