In ihrem Stück "Mitwisser" taucht Enis Maci hinab in die Abgründe einer verrohten und teilnahmslosen Gesellschaft. Das Bamberger E.T.A.-Hoffmann-Theater macht daraus einen unterhaltsamen Schocker.
Enis Maci schert sich nicht um die Täter. Deren Psychologie ist ihr kaum einen Gedanken wert. Als wäre den Selbstauskünften der Täter und ihren Versuchen, die Taten nachträglich zu rationalisieren, ohnehin nicht zu trauen.
Lieber knöpft sich Maci die Anstifter vor, die Sensationslüsternen, die Gaffer und alle, die vor sich abzeichnendem Unheil die Augen verschließen, die Ohren mit Wachs versiegeln: "Es trifft die eiserne Faust des Gesetzes die Mitwisser am schwächsten. Mit einer Milde, die längst nicht mehr an Gnade grenzt."
Entmenschlichte Marionetten
In einem Wort: Es geht Enis Maci in ihrem Stück um die titelgebenden "Mitwisser". Am Dienstagabend brachten die Hamburger Regisseurin Elsa-Sophie Jach und Dramaturg Remsi Al Khalisi "Mitwisser" auf die Studiobühne des Bamberger E.T.A.-Hoffmann-Theaters.
Iris Hochberger, Stefan Herrmann, Marcel Zuschlag, Carlotta Freyer und Denis Grafe kommentieren als Mitwisser das Geschehen, treiben es voran und verknüpfen kraft ihrer Existenz die einzelnen Episoden. Darin gleichen sie dem Chor aus den griechischen Tragödien. Gleichsam entmenschlicht bewegen sich die Mitwisser wie Marionetten an einer unsichtbaren Schnur. Auf die Bamberger Bühne kommen sie aus der Kanalisation gekrochen. In diesem Bild fand Regisseurin Elsa-Sophie Jach ein schlagendes Symbol für das untergründig Präsente der Mitwisserschaft.
Am Beispiel dreier realer Verbrechen kartografiert Enis Macis in "Mitwisser" eine emotional verrohte und fortgesetzt verrohende Welt.
In einer seelenlosen Retortenstadt im US-Bundesstaat Florida tötet ein 17-Jähriger mit einer Spitzhacke seine Eltern. Denis Grafe spielt den jugendlichen Elternmörder auf der Bamberger Bühne mit einer zwischen Unschuld und Kaltblütigkeit bedrohlich flackernden Brutalität. Von der Bluttat, und vielleicht noch mehr, vom Ausblick auf mediale Prominenz euphorisiert, lädt er am selben Abend zum Feiern an. Die ermordeten Eltern liegen noch in der Wohnung, als die Jugendlichen dort tanzen, Drogen einwerfen und sich nach allen Regeln der Kunst hedonistisch verausgaben.
In Rückblenden erinnern sich die Partygäste, wie sie den Abend erlebten. Die Zeichen weigerten sie sich gegen jeden gesunden Menschenverstand zu erkennen, selbst vom Mordgeständnis ihres Freundes wollten sie sich nicht die Laune verderben lassen.