In ihrem Roman "Munin oder Chaos im Kopf" erzählt die 77-jährige Schriftstellerin über eine verstörte Gesellschaft.
Die bleierne Ahnung kommenden Unheils lag über der Lesung von Monika Maron. Unter dem Dach des Bamberger Literaturfestivals las die 77-Jährige am Samstagabend im Bamberger Bistumshaus St. Otto aus "Munin oder Chaos im Kopf".
In ihrem 2018 erschienenen Roman entfaltet Maron das Stimmungsbild einer gereizten, sich unterschwellig bedroht fühlenden Gesellschaft. Die Bewohner einer kleinen Straße werfen Haltung und bürgerliche Umgangsformen von sich, als eine geistig offensichtlich beeinträchtigte Nachbarin auf ihrem Balkon von morgens bis abends lauthals singt, und das auch noch schief und bar jedes Talentes. Erzählt wird die Geschichte einer sozialen Eskalation aus der Perspektive der Journalistin Mina Wolf. Im Sommer des lauten und schiefen Gesangs brütet sie über einer Auftragsarbeit, die den 30-jährigen Krieg zum Thema hat.
Dessen Schrecknisse dienen der sich von ihren Menschen immer stärker zurückziehenden Mina Wolf zunehmend als Referenzfolie für die Ereignisse in der Nachbarschaft.
Aggressive Hilflosigkeit
Das Figurenpersonal in Marons Roman fühlt sie irritiert und in ihrer Existenz bedroht. Von was konkret, belässt Maron in "Munin" im Ungefähren.
Es bedurfte am Samstagabend der ausdauernden Nachfragen von Thomas Kraft, um in diesem Punkt für Klarheit zu sorgen. Zwar holte sich der Moderator bei der missgelaunt antwortenden Maron ein ums andere Mal eine blutige Nase. Den Kern dessen, was die Figuren in "Munin" verstört und ängstigt, legte er dennoch frei: die Migration und mit ihr importierter religiöser Fanatismus, Klimawandel und die Bevölkerungsexplosion auf dem afrikanischen Kontinent.
Marons Figuren sind vergiftet von der Ahnung, dass sich die Verhältnisse und mit diesen auch ihre eigenen Leben unwiederbringlich ändern werden. Diese Ahnung steht in Opposition zu ihrer Weigerung, sich dies auch einzugestehen. Deshalb die Gereiztheit der Personen, deshalb die in Aggression umschlagende Hilflosigkeit.
In Schwung gebracht werden Mina Wolfs Betrachtungen zur menschlichen Natur von einer Krähe namens Munin. In der germanischen Mythologie heißt Munin einer von zwei Raben des Kriegsgotts Odin.