Klatsche für Söder und die CDU: Ampel mit Bürgergeld-Entscheidung - Sparabsicht verraten

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Der Schock nach dem Haushalts-Urteil des Bundesverfassungsgerichts sitzt bei der Ampel immer noch tief. Bei FDP und Opposition werden die Stimmen immer lauter, die bei den Sozialausgaben sparen wollen. Doch dagegen regt sich Widerstand.

Wenn der Bundeshaushalt 2024 noch in diesem Jahr verabschiedet werden soll, müssen sich SPD, FDP und Grüne bald auf den weiteren Kurs einigen. Die Verhandlungen finden aktuell vor allem in einer Dreierrunde mit Kanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) statt. Das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts hat Milliardenlücken sowohl in den Etat für 2024 also auch in einen Fonds zur Modernisierung der Wirtschaft und für Klimaschutz gerissen. Umstritten sind mögliche Einsparungen vor allem bei den Sozialausgaben - diese fordert vor allem die FDP.

Die mehr als fünf Millionen Bürgergeld-Empfänger sollen nach den Plänen der Ampel zum 1. Januar 2024 im Schnitt rund 12 Prozent mehr Geld bekommen - Alleinstehende dann 563 Euro. Anders als bei früheren Anpassungen war die monatelang stark erhöhte Inflation aufgrund einer Änderung der Regeln bei der Berechnung für 2024 stärker berücksichtigt worden.

Ampel-Streit um Bürgergeld-Erhöhung - FDP will Rotstift bei Sozialausgaben

Lindner wies darauf hin, dass sich die Inflationsrate wesentlich besser entwickelt als bei der Festlegung des Regelsatzes für 2024 prognostiziert. Die Inflation war im November auf 3,2 Prozent gesunken - die geplante Bürgergeld-Erhöhung ab Januar basiert noch auf einer Inflation von 9,9 Prozent, wie der sozialpolitische FDP-Fraktionssprecher Pascal Kober deutlich gemacht hatte. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai forderte ebenfalls eine Rücknahme der deutlichen Erhöhung des Bürgergeldes. Er sagte der Bild am Sonntag, es sei dringend notwendig, das Bürgergeld neu zu bewerten.

Die SPD will sich gegen Einsparungen im Sozialbereich stemmen. Sozialminister Hubertus Heil hatte Forderungen nach einer Aussetzung der Bürgergeld-Erhöhung bereits zurückgewiesen. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sagte am Samstag auf einem Parteitag der Thüringer Sozialdemokraten in Meiningen: "Die SPD fightet, dass es kein Sparhaushalt wird, dass nicht die Ärmsten die Leidtragenden sind." SPD-Chefin Saskia Esken rechnet damit, dass der Bundeshaushalt für 2024 noch in diesem Jahr abgeschlossen werden kann. Sie sprach sich gegenüber der Düsseldorfer Rheinischen Post am Montag gegen Einsparungen bei Sozialleistungen und Einschnitten beim Klimaschutz aus.

Am Montag schien die Debatte schließlich vom Tisch. Bei der Erhöhung soll es bleiben, hieß es aus Regierungskreisen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) nannte es am Montag in einer Mitteilung "moralisch unverantwortlich und mit der Verfassung nicht vereinbar", den Betroffenen eine Anpassung der Regelsätze zu verwehren. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte: "Ich wüsste nicht, dass es innerhalb der Bundesregierung Pläne gibt, an der gesetzlichen Grundlage etwas zu verändern." Auch Finanzminister Lindner teilt diesen Standpunkt, wie eine Ressortsprecherin bestätigte.

Regierung macht klar: An Erhöhung wird nicht gerüttelt

Heil betonte, mit dem Bürgergeld werde die Existenz von Menschen in Not abgesichert. "Dazu zählen in Deutschland unter anderem Menschen mit chronischen Krankheiten und Behinderungen, Alleinerziehende, Kinder und Jugendliche sowie fleißige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ihren Lohn aufstocken, damit sie über die Runden kommen." Diese Menschen litten besonders stark unter gestiegenen Strom- und Lebensmittelpreisen.  Ein Sprecher Heils führte außerdem aus, auf der Basis geltenden Rechts gebe es keinen Ermessensspielraum über die Fortschreibung der Regelsätze im kommenden Jahr. "Man müsste ein neues Gesetz erlassen." Hierfür gebe es keine Planung. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge sagte am Dienstag im ARD-Morgenmagazin, faktisch gebe es keine Möglichkeit mehr, das Bürgergeld für das kommende Jahr anzufassen.

Der Arbeitsminister zeigte dennoch einen Plan auf, wie beim Bürgergeld gespart werden soll: "Der beste Weg, Kosten beim Bürgergeld zu reduzieren, ist und bleibt es, Menschen in Arbeit zu bringen. Genau diesen Weg gehen wir unter anderem mit dem Jobturbo." Mit schnellerer Vermittlung will Heil vor allem Ukrainerinnen und Ukrainer, aber auch andere Flüchtlinge mit Bleibeperspektive verstärkt in Jobs bringen.

Zuvor ätzten vor allem Unions-Politiker gegen die Erhöhung der Zahlungen. "Die Ampel muss die für Januar vorgesehene Erhöhung um ein Jahr verschieben und noch einmal völlig neu ansetzen", sagte der bayerische Ministerpräsident Söder (CSU) dem Magazin Stern. "Es braucht mehr Motivation, um arbeiten zu gehen. Deshalb werden wir im Bundesrat eine Initiative zur Generalüberholung des Bürgergelds einbringen. Denn die Balance zwischen Fördern und Fordern stimmt nicht", begründete Söder den Vorstoß. "Wer arbeitet, muss erkennbar mehr bekommen als jemand, der nicht arbeitet. Deshalb brauchen wir Änderungen."

Kürzung für Junge und Ukraine-Flüchtlinge - Union mit ganz eigenen Bürgergeld-Ideen

Die CDU will nach Angaben von Generalsekretär Carsten Linnemann im Fall einer Regierungsübernahme arbeitsfähigen, jungen Erwachsenen das
Bürgergeld deutlich kürzen, sofern sie Arbeits- oder Ausbildungsangebote ablehnen. Es könne nicht sein, dass 600.000 junge Menschen zwischen 18 und 24 Jahren weder arbeiten noch in Ausbildung sind, argumentierte Linnemann im Tagesspiegel. "Wer gerade in jungen Jahren arbeiten könnte, es aber bewusst nicht tut und das System ausnutzt, müsste statt mit einer 30-prozentigen Kürzung mit 50 Prozent oder mehr rechnen", sagte er.

Aus der Union kommt noch eine weitere Forderung. Söder will einen Stopp von Bürgergeld-Zahlungen an neu ankommende ukrainische Flüchtlinge. "Es wäre nicht rechtmäßig, etwas rückwirkend zu streichen. Aber für alle neuen Fälle müssen wir umsteuern", sagte der CSU-Politiker. "Und für alle anderen, die neu zu uns kommen, sollte es Sozialleistungen erst nach fünf Jahren statt nach 18 Monaten geben."

Auch der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm, sprach sich dafür aus, die Zahlung von Bürgergeld an neu angekommene Flüchtlinge aus der Ukraine zu beenden. "Dass die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine alle sofort Bürgergeld erhalten, war damals, als es beschlossen wurde, von allen Beteiligten gut gemeint gewesen", sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete der Deutschen Presse-Agentur. Die Entscheidung habe sich aber, was die Bereitschaft zur Aufnahme einer Arbeit anbelangt, als kontraproduktiv erwiesen.

"Keine Soziale Hängematte" - Sozialverbände sehen Sozial-Kürzungen kritisch

Den Ruf nach Einsparungen beim Bürgergeld teilen aber nicht alle Politiker der Union. Der Vorsitzende der CDU-Arbeitnehmervereinigung CDA, Karl-Josef Laumann, wandte sich ebenfalls dagegen, die für Anfang 2024 geplante Erhöhung des Bürgergelds zu streichen. "Beim Bürgergeld war eine Anpassung der Regelsätze dringend notwendig", sagte der nordrhein-westfälische Sozialminister dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Es sei falsch, in der aktuellen Haushaltslage nur die Sozialleistungen zu kritisieren. "Niemand darf denken, die CDU stehe nicht an der Seite der kleinen Leute", warnte Laumann.

CDA-Vize Christian Bäumler betonte ebenfalls: "Die Forderung nach Sozialabbau in Deutschland verunsichert die Menschen und gefährdet den sozialen Frieden. Eine Politik, die die Armen immer ärmer und die Reichen immer reicher macht, ist mit dem christlichen Menschenbild nicht vereinbar", mahnte Bäumler. Er warnte davor, mit "Sozialstaatspolemik die geistigen Grundfesten der Union" zu zerstören.

Scharfe Kritik an den Kürzungs-Ideen übten jedoch vor allem die Sozialverbände. Die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Verena Bentele, warnte vor einer Rücknahme der geplanten Bürgergeld-Erhöhung. "Das Bürgergeld ist keine soziale Hängematte. Genauso wenig, wie die rückwirkende sowie überfällige Erhöhung kein Faulheits-Bonus ist", sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe am Montag. Die Lebensmittelpreise blieben weiterhin hoch, auch wenn die Inflation etwas zurückgehe.

Vdk-Präsidentin Bentele spricht von erstem wichtigen Schritt

Bentele verwies darauf, dass viele Menschen nicht mehr wüssten, wie sie ihre Rechnungen bezahlen und satt werden sollen. "Wer behauptet, dass Empfängerinnen und Empfänger froh über den Empfang von Sozialleistungen sind, ist im falschen Film." Die Anpassung sei ein erster wichtiger Schritt, sagte sie zur geplanten Erhöhung. Auch die Präsidentin des Deutschen Caritas-Verbandes, Maria Welskop-Deffaa, kritisierte Forderungen scharf, im Sozialbereich zu kürzen. "Nach dem Karlsruher Urteil hauptsächlich bei sozialen Ausgaben zu sparen, wäre fatal", sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Eine kürzliche veröffentliche Umfrage hatte ergeben, dass die Mehrheit der Bevölkerung im Bürgergeld einen Anreiz sehe, um nicht zu arbeiten

Auch wenn das neue Gesetz erst ab Januar in Kraft tritt, wird der Zuschlag übrigens schon Ende dieses Jahres ausgezahlt. Diese und viele weitere Änderungen, die Dezember betreffen, findest du in unserem separaten Artikel.

Vorschaubild: © Peter Kneffel/dpa