Richter: Bundesregierung kann Programm beenden
Die Richter betonen in ihrem Beschluss, dass die Bundesregierung frei darüber entscheiden kann, ob sie das Aufnahmeverfahren für afghanische Staatsangehörige beenden will - oder unter welchen Voraussetzungen eine Fortsetzung denkbar ist. Auch könne sie von neuen Aufnahmezusagen absehen. Im vorliegenden Fall könnten sich die Betroffenen jedoch auf die bereits gemachten Zusagen berufen.
Bei der Frau und ihrer Familie seien Aufnahmezusagen bestandskräftig geworden, so die zuständige 8. Kammer. Zudem erfüllten die Betroffenen die Voraussetzungen für ein Visum: Es seien keine Sicherheitsbedenken ersichtlich, und die Identität der Menschen sei geklärt. Der Familie droht nach eigenen Angaben die Abschiebung aus Pakistan nach Afghanistan, wo ihr Leben unter der Herrschaft der radikalislamischen Taliban gefährdet sei. Dies wurde aus Sicht des Gerichts glaubhaft dargestellt.
Verschiedene Programme nach Machtübernahme
Nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021 wurden verschiedene Aufnahmeverfahren für Menschen aus Afghanistan eingerichtet. Ursprünglich hatte die Ampel-Koalition geplant, ihre Ausreise nach Deutschland noch während der laufenden Legislaturperiode zu organisieren.
Daraus wurde dann auch deshalb nichts, weil es nach dem Ausscheiden der FDP aus der Koalition vorgezogene Neuwahlen gab. Der vorerst letzte von der Bundesregierung organisierte Charterflug für Menschen aus dem Bundesaufnahmeprogramm landete am 16. April in Leipzig.
Die neue Bundesregierung von Union und SPD stoppte die Programme dann Anfang Mai. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes vom 20. Juni warten rund 2.400 Menschen in Pakistan darauf, dass sie ein Visum bekommen.
Gericht macht keine Aussagen zu Charterflügen
Betroffen davon sind nach den Angaben etwa Menschen, die sich für Gleichberechtigung und Demokratie eingesetzt haben. Auch Richter, Journalistinnen oder Künstler zählten zu den Betroffenen.
Eine Aussage dazu, ob die Bundesregierung weitere Charterflüge nach Deutschland für die Betroffenen organisieren muss, hat das Gericht nicht getroffen. Womöglich müsste die Reise nach Deutschland also von den Afghaninnen und Afghanen mit Aufnahmezusage selbst organisiert und finanziert werden. Das könnte schwierig werden, da viele von ihnen durch die lange Wartezeit in Pakistan keine finanziellen Ressourcen mehr haben.
Organisation will Fortsetzung erzwingen
Mit zahlreichen Klagen will die Organisation «Kabul Luftbrücke» die Fortsetzung des Aufnahmeprogramms für besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen erzwingen. Die Betroffenen hätten ihre Heimat verlassen im Vertrauen auf deutsche Versprechen, erklärte Sprecherin Eva Beyer im Juni, als die ersten 26 Verfahren in Berlin eingereicht wurden.
Der aktuelle Gerichtsbeschluss sei nicht nur eine Einzelfallentscheidung, hieß es von der Organisation. Die Richter stellten grundsätzlich klar: «Die Bundesregierung ist rechtlich verpflichtet, die Zusagen umzusetzen, und zwar schnell. Ansonsten drohen Schäden, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können.»
Dem Gericht liegen nach eigenen Angaben schätzungsweise etwa 40 Fälle als Eilanträge und Klagen zu der Thematik vor. Diese seien aber unterschiedlich gelagert, erklärte die Gerichtssprecherin. Über die Verfahren müssten jeweils unterschiedliche Kammern entscheiden. Es sei unklar, wann dies geschehe. Offen ist auch, ob die anderen Richterinnen und Richter die gleiche Auffassung vertreten wie aktuell die 8. Kammer.
Grüne und Linke sehen keinen Spielraum
Clara Bünger, Innenpolitikerin der Linksfraktion im Bundestag, sagt, der Beschluss des Gerichts fordere eine umgehende Ausstellung der Visa. «Ich erwarte daher von der Regierung alle notwendigen Schritte einzuleiten, um die Ausreisen zu ermöglichen.»
Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Marcel Emmerich, sagt, Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) «setzen auf Rechtsbruch statt Rechtsstaat». Die Ausreisen nach Deutschland müssten sofort wieder aufgenommen werden.