Wenn Kinder zu Mördern werden: Ab wann sind sie strafmündig? Brutale Fälle aus Deutschland

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Fall Luise: Wenn Kinder zu Mördern werden
Was passiert mit einem Kind, das eine schwere Straftat begangen hat? Die deutsche Justiz kann je nach Altersspanne unterschiedlich handeln.
Fall Luise: Wenn Kinder zu Mördern werden
Arcaion/Pixabay.com; Britta Pedersen/dpa; Collage: inFranken.de

Die zwölfjährige Luise wurde getötet, hinter der Tat sollen zwei Mädchen stecken, die ebenfalls noch Kinder sind. Die deutsche Justiz stuft anhand des Alters von Verdächtigen ab, wer welche Strafe erhält. Zwar sind solche Fälle selten, doch die Umstände immer grausam.

Wie konnte es nur dazu kommen? Die Frage stellt sich nach der schrecklichen Tat aus Freudenberg unwillkürlich. Die zwölfjährige Luise wurde dort brutal umgebracht. Die Anschuldigungen klingen unfassbar: Denn zwei weitere junge Mädchen sollen die Schülerin getötet haben. Dabei sind die Verdächtigen selbst gerade einmal zwölf und 13 Jahre alt. Wie kann es sein, dass Kinder zu so etwas Schrecklichem fähig sind? Ein Blick in die Kriminalitätsstatistik zeigt, wie häufig solche Fälle tatsächlich vorkommen. Und es stellt sich die Frage, welche Strafe die deutsche Justiz für so junge Täter vorsieht.

Luises Heimatstadt in Nordrhein-Westfalen steht unter Schock: Die Zwölfjährige galt zunächst als vermisst und wurde von der Polizei gesucht. Am Sonntag (12. März 2023) machten die Beamten dann die erschütternde Entdeckung: Eine Kinderleiche wurde in einem Waldstück nahe Freudenberg gefunden, wenig später wurde sie als Luise identifiziert. Mit zahlreichen Messerstichen wurde das Mädchen getötet, wie die anschließende Obduktion ergab. Unsere Kollegen aus Rheinland-Pfalz haben bereits ausführlich über die Hintergründe des Falls berichtet.

Fall Luise erschüttert Deutschland: Die Täterinnen sollen selbst noch Kinder sein

Zu Beginn der Woche wurden dann zwei Mädchen vernommen. Zunächst war noch von routinemäßigen Befragungen die Rede, da die beiden im gleichen Alter wie Luise sind und sich kannten. Doch dann der Schock: Die Mädchen gaben laut Polizei zu, Luise erstochen zu haben. Ihre Identität werde laut Staatsanwaltschaft streng geschützt und sie befinden sich mittlerweile in der Obhut des Jugendamtes - weil sie selbst noch Kinder sind.

Das Alter der Mädchen spielt eine große Rolle bei der Frage, wie nun weiter mit ihnen umgegangen wird:

  • Da sie beide noch unter 14 Jahre alt sind, gelten sie laut deutschem Recht als strafunmündig. Das bedeutet aber nicht, dass Kinder, die Straftaten begehen, danach auf freiem Fuß bleiben. Den Eltern kann beispielsweise das Sorgerecht entzogen und die Minderjährigen bei einer Pflegefamilie, in einem Heim oder einer Psychiatrie untergebracht werden.
  • Wer 14 Jahre und älter ist, befindet sich in einer rechtlichen Grauzone und gilt als bedingt strafmündig. Auch hier setzen Gerichte auf erzieherische Maßnahmen und entscheiden je nach Einzelfall.
  • Obwohl man ab 18 Jahren als voll strafmündig eingestuft wird, können Gerichte weiterhin das Jugendstrafrecht anwenden. Auch hier wägt die Justiz individuell am Einzelfall ab, ob eher eine Verfehlung anstelle einer schweren Straftat vorliegt und wie reif der Täter oder die Täterin für sein bzw. ihr Alter ist.
  • Erst ab 21 Jahren setzt dann das Erwachsenenstrafrecht ein.

In der Polizeilichen Kriminalstatistik wird aufgelistet, welche Verbrechen von Minderjährigen begangen werden. Nicht ersichtlich ist allerdings, ob die Opfer ebenfalls Kinder waren. Demnach gab es 2019 und 2020 jeweils elf Fälle, in denen Kinder des Mordes oder Totschlags verdächtigt wurden. 2021 waren es bereits 19 Fälle, darunter vier Mädchen als Verdächtige. Laut Polizei nehme die Gewaltkriminalität unter Minderjährigen insgesamt aber ab. Die Zahlen schwanken von Jahr zu Jahr stark, in den vergangenen 20 Jahren lagen sie jährlich zwischen vier und 21 Tatverdächtigen. Zur Einordnung: Laut Statistischem Bundesamt lebten in diesem Jahr rund 8,5 Millionen Kinder unter 14 Jahren in Deutschland.

Warum musste Luise sterben? Staatsanwaltschaft bleibt bei Motiv schwammig

Die Frage nach dem Motiv in Freudenberg bleibt aber: Mario Mannweiler, leitender Oberstaatsanwalt in Koblenz, sagt dazu: "Was für Kinder möglicherweise ein Motiv ist für eine Tat, würde sich einem Erwachsenen möglicherweise nicht erschließen." Angesichts der vielen Stichverletzungen bei dem Opfer liege jedenfalls die Vermutung nahe, "dass irgendwelche Emotionen eine Rolle gespielt haben", wird der Jurist bei der Deutschen Presse-Agentur zitiert. Man spricht in solchen Fällen auch von einem "Overkill", da dem Opfer mehr Schaden zugefügt wurde, als eigentlich nötig wäre, um zum Tod zu führen.

Wenn Kinder andere Kinder töten: Dieses grausame Szenario hat bereits mehrmals deutschlandweit und international erschüttert. Erst Anfang Februar 2023 wurde ein 14-Jähriger im niedersächsischen Wunstorf umgebracht, ein gleichaltriger Teenager gilt als tatverdächtig. Er soll den anderen Jungen mit einem stumpfen Gegenstand getötet haben. Bundesweites Aufsehen löste auch der Fall Anastasia aus Salzgitter aus: Die 15-jährige Schülerin wurde im Sommer 2022 von einem 13- und einem 14-Jährigen erstickt.

Kinder als Mörder: Diese Fälle ereigneten sich in Deutschland

Der 13-jährige Sinan wurde 2021 in Sinsheim von einem ein Jahr älteren Jungen in einem Waldstück erstochen; ein 14-jähriger Teenager erschlug im Herbst 2020 seine gleichaltrige Freundin in einer Duisburger Bauruine; im Januar 2018 verletzte ein 15-Jähriger seinen 14-jährigen Mitschüler in Lünen mit einem Messerstich in den Hals tödlich. Die Leiche der 14-jährigen Josefine wurde 2021 neben einer Garage in Aschersleben gefunden, im Laufe der Ermittlungen gerieten ihr ebenfalls minderjähriger Ex und einer seiner Freunde in Verdacht, sie getötet zu haben. Im Jahr 2016 brachte ein 13-Jähriger einen Gleichaltrigen im sächsischen Bad Schmiedeberg um, indem er ihm heftig gegen den Kopf schlug. Und das sind noch längst nicht alle Fälle aus Deutschland.

Kleinkinder und Teenager erlitten Schreckliches

Mehrere ähnliche und tragische Fälle, in denen Minderjährige zu Mördern wurden, stammen aus den USA und England: 2009 lockte die damals 15-jährige Alyssa Bustamante eine Freundin ihrer kleinen Schwester von ihrem Zuhause weg, um sie dann zu erstechen. Das Grab für die neunjährige Elizabeth Olten hatte sie bereits zuvor ausgehoben. Ebenfalls in eine tödliche Falle gelockt wurde die 16-jährige Skylar Neese: Ausgerechnet ihre beiden besten Freundinnen Shelia Eddy und Rachel Shoaf hatten sich im Juli 2012 nachts mit ihr verabredet, um mit ihr zu einem abgelegenen Ort zu fahren und sie dort zu erstechen. Zusätzlich perfide an dem Fall ist, dass sich die beiden Mörderinnen während der anschließenden Suche nach Skylar als trauernde Freundinnen ausgaben und regelmäßig die Eltern des Opfers besuchten.

Ein besonders grausamer Fall ist der Mord an Derrick Joseph Robie: Der Vierjährige wurde 1993 vom damals 13-jährigen Eric Smith gefoltert und anschließend ermordet. Im selben Jahr wurde der erst zweijährige James Bulger im englischen Bootle von Robert Thompson und Jon Venables aus einem Einkaufszentrum entführt, das er mit seiner Mutter besucht hatte. Die zehnjährigen Jungen missbrauchten das Kind und folterten es zu Tode. Die Leiche legten sie anschließend auf Bahngleise, wo James von einem Zug überrollt wurde. Bereits 2001 wurden die Täter wieder aus dem Gefängnis entlassen und erhielten neue Identitäten. Während Thompson seitdem polizeilich unauffällig blieb, wurde Venables mehrmals wegen des Besitzes von Kinderpornografie verurteilt.

Ein erschütternder Fall aus Franken: Jugendliche stiftete Freund zur Ermordung der eigenen Eltern an - Nun wollen sie das Urteil anfechten

th/dpa