«Der Zeitpunkt der Entscheidung setzt Bundesverkehrsminister Schnieder in jedem Fall unter zusätzlichen Druck, schnell einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin zu präsentieren», sagt Dirk Flege, Geschäftsführer des Interessenverbands Allianz pro Schiene. «In der öffentlichen Debatte sollte es jetzt nicht darum gehen, einen potenziellen Namen nach dem anderen zu nennen und zu verbrennen.»
Peter Westenberger vom Verband der privaten Güterbahnen sieht vor allem in der geplanten, gleichzeitigen Vorstellung von Bahn-Strategie und Personal ein Risiko. «Man kann kaum erwarten, dass, egal was vorgestellt wird, alle Hurra schreien. Es wird Diskussionen darüber geben und da wird, wenn es auch eine Vorstellung des neuen Personals gibt, dieses mit reingezogen werden», sagte Westenberger in Berlin. Er hofft auf eine Person mit Expertise sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr.
Schnieder verteidigte die Entscheidung zu Lutz gegen Kritik, er habe noch keinen Nachfolger präsentieren können. «Man kann einen solchen Prozess der Personalsuche nicht unter der Decke halten. Und ich finde es unfair gegenüber noch im Amt befindlichen handelnden Personen, wenn sie so etwas aus der Presse, aus den Medien erfahren.» Deshalb habe er das direkte Gespräch gesucht.
Einer der schwierigsten Jobs
Bahnchef: Das ist einer der schwierigsten Jobs, die derzeit zu vergeben sind. Er oder sie steht im Fokus von Politik und Öffentlichkeit, sollte die Branche und das System Eisenbahn kennen und Führungserfahrung in einem großen Konzern haben.
Schnieder sagte, der Bahnchef oder die Bahnchefin sei eine der herausforderndsten Aufgaben der deutschen Wirtschaft, was auch mit der besonderen Struktur zusammenhänge. Auf die Frage, welche Rolle das Gehalt spiele, sagte er, das, was anderswo in Dax-Konzernen gezahlt werde, werde bei der Bahn nicht gezahlt. «Aber ich habe nicht den Eindruck, dass man als Vorstandsvorsitzender bei der Deutschen Bahn verarmt.»
Ein höheres Gehalt für das Führungspersonal der Bahn lehnt auch Claus Weselsky, Ex-Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer, strikt ab. «Ich würde es für einen Treppenwitz der Geschichte halten, wenn wir jetzt über das Gehalt des neuen Vorstandsvorsitzenden diskutieren. Mir ist das, was Herr Dr. Lutz verdient hat, schon viel zu viel», sagte Weselsky in Berlin vor Journalisten.
«Wir haben hier ein ständig ansteigendes Gehalt von Führungskräften, das nicht gerechtfertigt ist bei zunehmender Erfolglosigkeit.» Weselsky sprach sich zudem dafür aus, den Konzernvorstand deutlich zu verkleinern. Derzeit besteht er aus sieben Personen, wobei Personalvorstand Martin Seiler kommissarisch auch den Bereich Finanzen verantwortet.
Lutz-Nachfolger wird es nicht leicht haben
Wer auch immer Lutz Nachfolge antritt, er oder sie wird es schwer haben. Die Bahn steckt in der tiefsten Krise ihres Bestehens. Die Pünktlichkeit im Fernverkehr ist so schlecht wie noch nie seit der Bahnreform. Die Infrastruktur gilt als marode und völlig überlastet. Den Konzern belasten zudem seit Jahren Verluste und ein milliardenschwerer Schuldenberg - auch wenn dieser durch den Verkauf der Logistiktochter DB Schenker etwas verkleinert werden konnte.
Mit neuem Personal sei daher nicht alles erledigt, machte Schnieder deutlich. Damit sei der Schalter nicht umgelegt. Der Minister wies auf den Koalitionsvertrag und strukturelle Reformen bei der Bahn hin. Bis Ende des Jahres solle ein Großteil dessen, was man sich vorgenommen habe, zumindest in der Umsetzung sein. Die Bahn sei ein sehr komplexes Unternehmen. Davon können Fahrgäste derzeit ein Liedchen singen.