Die Gasspeicher in Deutschland sind schon jetzt zu über 96 Prozent gefüllt und das weit vor dem Zieldatum. Trotzdem kann keine Entwarnung gegeben werden. Von welchen Faktoren hängt es nun ab, ob wir einen Gasmangel im Winter vermeiden können, oder nicht?
Deutschland bereitet sich auf einen harten Winter vor. Nachdem Russland kein Gas mehr durch Nord Stream 1 liefert, könnte es knapp werden. Der Bund ruft daher zum Sparen auf und versucht aus anderen Ländern Erdgas zu beschaffen. Außerdem wurde ein Ziel gesetzt: Bis zum 1. November 2022 sollen die Gasspeicher einen Füllstand von 95 Prozent erreichen. Dieses Ziel ist nun schon deutlich übertroffen worden.
Am Montag (17. Oktober 2022) lag der Füllstand bei 96,03 Prozent, wie aus den Daten von Europas Gasinfrastruktur-Betreiber (GIE) hervorgeht. Statt aus Russland kaufen Regierung und Gasunternehmen jetzt aus anderen Ländern Erdgas, zum Beispiel Norwegen und Frankreich. Kann somit Entwarnung für den Winter gegeben werden? Leider nein.
Gasspeicher mehr als 96 Prozent gefüllt - trotzdem keine Entwarnung für den Winter
Der Wert der GIE gibt nur den Durchschnitt aller Anlagen an. Die Verordnung des Bundes sieht aber vor, dass jeder Gasspeicher die 95-Prozent-Marke erreicht. Derzeit ist vor allem im größten Speicher in Rehden, Niedersachsen, viel Luft nach oben. Stand Montag ist der Speicher dort zu 85,69 Prozent gefüllt, wie die Bundesnetzagentur mitteilte.
Die Bedingungen zum Einspeichern sind jetzt noch günstig. Zum einen durch das milde Herbstwetter, zum anderen durch die Einsparungen der Privathaushalte und Unternehmen. Nach jetzigem Stand ist es dennoch eher wahrscheinlich, dass das Gas im Winter knapp wird. Bei vollen Speichern reichen die Vorräte nur etwa zwei bis zweieinhalb Monate. Im Fall einer Gasnotlage müsste die Bundesnetzagentur einschreiten und die Verteilung des übrigen Vorrats übernehmen. Wie der Notfallplan genau aussieht, lest ihr hier.
Aber wenn selbst mit vollen Speichern ein Gasmangel droht, wie lässt er sich dann überhaupt verhindern? Laut Experten hängt das vor allem von zwei Faktoren ab: Wetter und Einsparungen. Klaus Müller, Chef der Bundesnetzagentur, klagte Anfang Oktober, der Gasverbrauch sei zu stark gestiegen. Trotz der hohen Preise lag der Verbrauch zum Monatswechsel fast zehn Prozent über dem durchschnittlichen Verbrauch der vergangenen drei Jahre. Zahlen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zeigen aber, dass die Bürger*innen sehr wohl sparen - wenn es wärmer ist. Vor dem Kälteeinbruch Ende September lag der Verbrauch rund 30 Prozent unter dem des Vorjahres.
20 Prozent Gas einsparen: Wie realistisch ist das?
Nach Einschätzung der Bundesnetzagentur müssten sowohl private Haushalte als auch Unternehmen über den Winter mindestens 20 Prozent weniger Gas verbrauchen. Auch andere Experten sind der Meinung, dass so eine Gasnotlage vermieden werden kann. Privathaushalte und kleinere Gewerbe machen rund 40 Prozent des Verbrauchs in Deutschland aus, 60 Prozent entfallen auf größere Unternehmen und Industriekunden. Doch egal ob Haushalte oder Industrie, die meisten verbrauchen den Großteil an Gas in der Heizperiode zwischen Oktober und April.
Sprich: Wir brauchen einen milden Winter, damit Menschen und Unternehmen mehr Gas sparen und sich somit eine Notlage verhindern lässt. Steht uns aber ein kalter Winter bevor, hätte das schwere Folgen. Vier führende Wirtschaftsforschungsinstitute haben gemeinsam mögliche Szenarien der Energiekrise erarbeitet. Dabei kamen sie zu dem Schluss, dass eine Rationierung der Gasvorräte die tiefste und längste Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg zur Folge haben könnte. Die Ökonomen sehen nur einen Ausweg: "Die Modellsimulationen zur Gasverfügbarkeit zeigen, dass eine Reduktion des Gasverbrauchs um 20 Prozent bei gleichzeitiger Erhöhung der Importe (inklusive der geplanten LNG-Terminals) eine Gasmangellage bei jeder Wetterlage verhindern kann."