Bachmann-Preis: Bamberger Autor Martin Beyer spaltet die Jury

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Umstritten in Klagenfurt: der Bamberger Autor Martin Beyer Foto: dpa
Umstritten in Klagenfurt: der Bamberger Autor Martin Beyer  Foto: dpa

Für seinen Text "Und ich war da" muss der in Bamberg lebende Autor zum Teil heftige Kritik einstecken. In seinem Text erzählt Beyer von der Hinrichtung der Geschwister Scholl.

Wie lässt sich heute - 74 Jahre nach seinem Ende - literarisch, historisch und moralisch angemessen über den Zweiten Weltkrieg und die im Namen des Nationalsozialismus verübten Verbrechen schreiben? Auf der Suche nach Antworten warfen sich die sieben Juroren des 43. Ingeborg-Bachmann-Preises am Samstag die Argumente um die Köpfe.

Den Anlass dazu hatte der in Bamberg lebende Autor Martin Beyer gestiftet. Als letzter der 14 Teilnehmer las der 42-Jährige einen Auszug aus seinem noch unveröffentlichten Roman "Und ich war da" vor. Eine halbe Stunde lang lieh Beyer dem an Körper und Seele verstümmelten Kriegsheimkehrer August Unterseher seine Stimme.

Das Zentrum von Beyers Text ist der vom NS-Regime verfügten Tod Sophie und Hans Scholls. Bei deren Hinrichtung assistiert Unterseher dem Scharfrichter Johann Reichhart. Wie die Widerstandskämpfer der Weißen Rose ist auch Reichhart eine reale Figur der deutschen Zeitgeschichte. Während Unterseher dem Scharfrichter zur Hand geht, versetzen ihn blitzartig in sein Bewusstsein schießende Erinnerungen zurück in den Krieg und seine Jugend.

Der Leser begegnet in Unterseher einem naiven Helden. Er ermisst nicht, wen er in Hans und Sophie Scholl hinrichtet. Eine literarische Auseinandersetzung mit der Weißen Rosen, ihren Idealen und menschlichen Tragödien verweigert Beyers Text konsequenterweise.

Vehemente Ablehnung

Beyers Erzählperspektive und ihre Folgen spaltete die Klagenfurter Jury in zwei - allerdings unterschiedlich große - Lager. Fünf Juroren standen Beyers Text in Abstufungen kritisch gegenüber, zwei waren ihm gewogen.

Vor allen Dingen der Juryvorsitzende Hubert Winkels arbeitete sich schonungslos an Beyers Wettbewerbsbeitrag ab. Er unterstellte dem Bamberger Autor, die Mitglieder der Weißen Rose um des bloßen Schauwerts willen instrumentalisiert zu haben. "Und ich war da" ist ein Text, der in den Augen Winkels so nicht hätte geschrieben werden dürfen. Fürsprecher fand Beyer im Literaturkritiker Michael Wiederstein und Nora Gomringer. Die Direktorin des Bamberger Künstlerhauses Villa Concordia würdigte Beyers Text für seine Inszenierung individueller Schuld im stahlharten Gehäuse eines totalitären Systems.

Erinnerungen an "Stella"

Auf einen gemeinsamen Nenner kamen Befürworter und Kritiker nicht.

Die Verquickung von moralischen und formalen Argumenten rief Erinnerungen wach an "Stella", den Anfang des Jahres erschienenen Erfolgsroman von Takis Würger. Beinahe einhellig hatte die Literaturkritik "Stella" getadelt als eine literarisch unzulängliche und unsensible Beschäftigung mit dem Dritten Reich. Ob Beyers "Und ich war da" ähnliche Debatten provoziert oder die Lektüre des vollständigen Romans die in Klagenfurt erhobenen Vorwürfe widerlegt, entscheidet sich Ende August. Dann erscheint "Und ich war da" im Ullstein-Verlag.

Beyer selbst verließ Klagenfurt mit "der Zuversicht und Gewissheit, trotzdem für das einstehen zu können, was erzählt wurde und im Roman erzählt wird".