Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband forderte einen umsichtigen Umgang mit Sprache und betonte, dass Sprache die Haltung präge. "Insofern wundert es mich schon sehr, dass ein Ministerpräsident, nachdem er eineinhalb Jahre keine Regierungserklärung abgegeben hat, jetzt ein Verbot der gendersensiblen Sprache an den Schulen und in den Behörden ins Zentrum stellt", sagte Präsidentin Simone Fleischmann. Ein Verbot habe noch nie etwas gebracht.
Genderverbot an Bayerns Schulen - Kritik an Söder-Vorstoß
Söder hatte am Dienstag in seiner ersten Regierungserklärung der neuen Wahlperiode zur Überraschung vieler erklärt, in Bayern solle das Gendern in Schulen und in der Verwaltung verboten werden. Der Freistaat würde damit den gleichen Weg gehen wie einige andere Bundesländer. So werden etwa an Schulen in Sachsen und Sachsen-Anhalt Sonderzeichen für eine geschlechtsneutrale Sprache abgelehnt.
Der bpv setze sich dafür ein, dass in bayerischen Schulen sorgfältig mit der deutschen Sprache umgegangen werde, so Schwägerl. "Das bedeutet, dass man offen für neue Formen ist, die zum Beispiel Frauen und Männer gleich behandeln, aber diese nicht vorschnell einführt, bevor sich die Sprechergemeinschaft dahinterstellt und ein klares Regelwerk entstanden ist." Wegen der wachsenden Zahl an Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund sei für den Spracherwerb eine klare Orientierung notwendig. "Wer noch mit den drei grammatischen Geschlechtern und den richtigen Artikeln der deutschen Sprache kämpft, braucht keine zusätzlichen Schwierigkeiten."
Es sollte selbstverständlich sein, Schülerinnen und Schüler sprachsensibel und gleichberechtigt zu unterrichten, sagte Babl. Ein einfaches Beispiel hierfür sei die Berücksichtigung unterschiedlicher Berufsbezeichnungen wie Feuerwehrmann und Feuerwehrfrau. "Bei der Überwindung tradierter Rollenbilder setzen wir uns jedoch in erster Linie für eine Erweiterung der Entwicklungschancen und beruflichen Perspektiven aller Kinder und Jugendlichen ein."
Bayern sei immer gut damit gefahren, so Schwägerl und Babl weiter, den Regeln des Rats für deutsche Rechtschreibung zu folgen. Noch zu Beginn des Schuljahres sei in einer ministeriellen Bekanntmachung festgehalten worden, dass die amtlichen Rechtschreibregeln in der jeweils gültigen Fassung die verbindliche Grundlage des Unterrichts an allen Schulen seien. Zugleich gelte aber auch, dass sich Sprache immer wieder ändere. Daher sei es wichtig, "dass wir diese Veränderungen verstehen und kritisch betrachten. Gerade an den weiterführenden Schulen muss auch - alters- und adressatengerecht - über die Entwicklung der Sprache gesprochen werden."
"Was Deutsch ist, wird vom Rat für deutsche Rechtschreibung definiert", betonte auch Martin Löwe, Landesvorsitzender des Elternverbands. Dieser habe unlängst klargestellt, dass die Aufnahme von Asterisk (Gender-Stern), Unterstrich (Gender-Gap), Doppelpunkt oder anderen verkürzten Formen zur Kennzeichnung mehrgeschlechtlicher Bezeichnungen im Wortinnern in das Amtliche Regelwerk nicht beabsichtigt sei. "Ministerpräsident Söder verrät uns nicht, welche Sanktionen von ihm bei Zuwiderhandlung intendiert sind. Ein Verbot ohne Sanktionen hat allenfalls symbolischen Charakter."
Rückendeckung erhielt Söder von seinem Parteifreund, Landtagsfraktionschef Klaus Holetschek: Es sei gerade in diesen Zeiten wichtig, "auch mal eine klare Kante zu zeigen und die Lebensrealität der Menschen auch abzubilden".
Artikel vom 05.12.2023: Söder überrascht mit Gender-Verbot
Söder mit Regierungserklärung: Wo drückt der Schuh in Bayern? Und wie soll die Zukunft des Freistaats aussehen? Mit diesen Fragen beschäftigt sich Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Dienstag (5. Dezember 2023) in seiner ersten Regierungserklärung vor dem neugewählten bayerischen Landtag. Dabei fielen auch harte Worte - vor allem in Richtung Berlin.
Die Politik der Bundesregierung schadet nach Ansicht von Ministerpräsident Markus Söder der Wirtschaft im Freistaat. "Wäre Bayern allein, würde ich mir keine Sorgen um die Wirtschaft machen. Aber wir sind in Deutschland und leiden unter den schlechten Standortbedingungen unserer Nation", sagte der CSU-Politiker am Dienstag in seiner ersten Regierungserklärung der neuen Wahlperiode im Landtag. Die Probleme seien hausgemacht und von der Ampel verursacht. "Während andere Länder trotz Krise ein starkes Wirtschaftswachstum haben, fällt Deutschland deutlich zurück. Wir brauchen eine andere Wirtschaftspolitik."
Bayern ohne Deutschland besser dran? Söder wirft Berliner Ampel desaströse Politik vor
Der Glaube, nur mit Staatsverschuldung die Wirtschaft zu stärken, sei ein Trugschluss, sagte Söder. Deutschland sei kein "Land des Staatsdirigismus oder Staatskapitalismus, sondern des innovativen Mittelstandes". Es brauche weniger übersubventionierte Einzelprojekte wie Chipfabriken, sondern eher eine Förderung in der Breite: niedrigere Steuern, niedrigere Energiepreise, weniger Bürokratie und einen vernünftigen Sozialstaat. "Das funktioniert." Die Ampel-Regierung im Bund gehe genau in die andere Richtung und sorge für höhere Steuern, höhere Energiepreise und ein ausuferndes Bürgergeld. "So erlahmt die ganze Wirtschaft, vom Konzern bis zum kleinen Mittelständler", sagte Söder. "Staatssubventionen und Staatsgläubigkeit allein helfen nicht. Diese neue Form von grünem Sozialismus lehnen wir ab."
Für Bayern selbst sieht Söder die Zukunft als Hightech-Standort. Ein Testzentrum für Raketenantriebe, eine Teststrecke für eine Magnetschwebebahn in Nürnberg und eine Universität allein zum Thema Künstliche Intelligenz: Der Ministerpräsident will in der neuen Wahlperiode deutliche Schwerpunkte auf Zukunftsforschung und -technologien setzen. "Wir sind das Silicon Valley Europas und wollen Bayern zum führenden Hightech-Standort des europäischen Kontinents weiterentwickeln", sagte Söder bei seiner Regierungserklärung. Deshalb werde die Staatsregierung die Hightech Agenda wie angekündigt weiterführen und "noch toppen". Der Freistaat stehe nicht im Wettbewerb mit anderen Bundesländern, sondern "mit unseren Freunden aus den USA und Partnern aus Asien".
Um der Hightech-Agenda zusätzlichen Schub zu verleihen, kündigte Söder ab 2024 einen neuen Zukunftspreis an - den "Hightech Oscar" für die schlauesten Köpfe und Start-ups in Bayern. "Wir werden zudem Deutschlands erste KI-Uni in Bayern errichten, und zwar in Nürnberg", kündigte Söder an. "Wir machen die TU Nürnberg zu Deutschlands erster rein auf KI spezialisierten Universität: die Franconian University of Artificial Intelligence."
Bayern soll Europas "Silicon Valley" werden - große Pläne für Nürnberg
Das Deutsche Raumfahrtkontrollzentrum in Oberpfaffenhofen will Söder nach eigenen Worten zum "Houston Deutschlands" entwickeln - Houston ist der Sitz des US-Raumfahrtkontrollzentrums. Es sei "sehr wahrscheinlich", das europäische Mondkontrollzentrum in Oberpfaffenhofen anzusiedeln. Diese Idee hatte Söder bereits in der Vergangenheit bereits geäußert. Zudem strebe man in Bayern nun auch ein Testzentrum für zukunftsweisende Raketenantriebe an. "Möge die Macht mit uns sein."
Söder will aber auch auf der Erde neue Verkehrsprojekte prüfen. "Ähnlich wie Berlin wollen wir eine Magnetschwebebahn untersuchen. Sie ist günstiger als eine U-Bahn, geräuschlos und klimaneutral", sagte Söder. "Dazu haben wir eine mögliche Teststrecke in Nürnberg zwischen Universität, Messe und Klinikum ins Auge gefasst." Zu konkreten Zeitplänen äußerte sich Söder jeweils zunächst nicht.
Gesellschaftspolitisch will Söder aber an Altbewährtem festhalten. An Bayerns Schulen und in Behörden soll zukünftig das Gendern verboten werden. "Für Bayern kann ich sagen: mit uns wird es kein verpflichtendes Gendern geben. Im Gegenteil: wir werden das Gendern in Schule und Verwaltung sogar untersagen", so der Söder. Er warf der Ampelregierung im Bund zugleich vor, mit Vorhaben wie der Cannabis-Legalisierung, dem Gendern und dem Selbstbestimmungsrecht zu überziehen. "Haben wir keine anderen Probleme in Deutschland?", fragte er.
Söder fordert Verbot von Gender-Sprache - andere machen es bereits vor
Tatsächlich sind Binnen-I, Unterstrich, Gendersternchen und Co. ein bundesweit immer wieder kontrovers diskutiertes Thema - in einigen Bundesländern gelten bereits wie von Söder in Bayern angepeilte Verbote oder es gibt Bestrebungen danach. So werden beispielsweise an Schulen in Sachsen und Sachsen-Anhalt Sonderzeichen für eine geschlechtsneutrale Sprache abgelehnt. In Sachsen werden Paarformen wie Schülerinnen und Schüler und geschlechtsneutrale Formen wie Lehrkräfte oder Jugendliche empfohlen. Genderformen werden etwa in Aufsätzen als Fehler markiert. Sachsen-Anhalts Bildungsministerium untersagt an seinen Schulen zwar die Nutzung sogenannter Gender-Sternchen und ähnlicher Konstruktionen, lässt den Lehrkräften bei der Bewertung von Schülertexten aber Spielraum.
In Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg gibt es keine Gender-Verbote. Das Bildungsministerium in Düsseldorf verweist aber auf die Vorgaben aus dem Landesgleichstellungsgesetz, wonach grundsätzlich eine geschlechtergerechte Sprache zu verwenden ist. So soll geschlechtsneutral oder in Paarformen, also weiblich und männlich, formuliert werden. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hält nichts vom Gendern im Klassenzimmer, auch wenn die dortigen Beurteilungs- und Korrekturrichtlinien für Abschlussprüfungen laut Kultusministerium keine Aussagen zum Thema enthalten.
Der Deutsche Lehrerverband lehnt das Gendern durch Lehrerinnen und Lehrer unterdessen ab. Lehrkräfte sollten sich im Unterricht "an das amtliche Regelwerk halten und nicht vorgesehene Schreibungen unterlassen", sagte der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, im April der Deutschen Presse-Agentur. Bei Schülern sollten sie allerdings "tolerant und zurückhaltend" sein, wenn diese in Aufsätzen und Klausuren "nichtamtliche Genderschreibweisen" verwendeten.
Auch außenpolitisch will Markus Söder stärker mitmischen. In der kommenden Woche will er nach Israel reisen. "Um ein klares Bekenntnis für Israel und jüdisches Leben zu setzen, wird meine erste Reise als Ministerpräsident schon nächste Woche nach Israel erfolgen", sagte der CSU-Chef. Weitere Details nannte er zunächst nicht. Vor seinem Amtsantritt als Ministerpräsident 2018 hatte Söder bereits mehrfach Israel besucht.
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