"Ganz schön heuchlerisch": Söder nach Tafel-Auftritt heftig in der Kritik - Petition gestartet

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Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, verteilt Lebensmittel bei der Münchner Tafel - die Aktion wird in den sozialen Medien heftig kritisiert.
Münchner Tafel
Sven Hoppe/dpa

Markus Söder wollte die Arbeit der Münchner Tafel in Zeiten steigender Lebensmittelpreise unterstützen. In den sozialen Medien erhielt er dafür eine Flut an negativen Kommentaren, sogar eine Petition wurde gestartet. Wieso die PR-Aktion nach hinten losging.

Der Ministerpräsident in einer gepunkteten Schürze, wie er Gurken, Paprika und Brot verteilt: Der PR-Termin von Markus Söder bei der Münchner Tafel sorgt für Unmut. Am Mittwoch (16. November 2022) traf sich der CSU-Chef mit Vertretern der Wohltätigkeitsinitiative und ließ sich dabei auch beim Aushelfen fotografieren.

In Zeiten, in denen viele Menschen nicht wüssten, wie es mit den hohen Energie- und Lebensmittelpreisen weitergehe, leisteten die Tafeln einen unverzichtbaren Beitrag, sagte Söder. "Wir sollten das als Staat besonders unterstützen." Mit Unterstützung meint Söder natürlich nicht nur seinen kurzen Einsatz als ehrenamtlicher Helfer.

Söder im Kreuzfeuer: Spott im Netz nach Auftritt bei der Tafel

Das Kabinett hatte am Dienstag angekündigt, die Förderung der Tafeln im kommenden Jahr mit Mitteln aus dem Härtefallfonds von 600 000 auf eine Million Euro anzuheben. Eine "Rekordsumme", wie Söder in den sozialen Medien mitteilte. Die Münchner Tafel soll zudem 25.000 Euro zusätzlich erhalten, da allein dort 20.000 Bedürftige pro Tag versorgt werden, so der Politiker. Auf Twitter, Facebook und Instagram teilte Söder mehrere Bilder von dem Termin. "Die Tafeln leisten Überragendes!", schrieb er dazu. Die Nutzer*innen waren aber alles andere als begeistert von Söders Einsatz für die Tafeln.

Die sogenannten Tafeln sammeln Lebensmittel, die etwa in Supermärkten nicht rechtzeitig verkauft werden können, ein und geben sie an sozial und wirtschaftlich benachteiligte Menschen weiter. Nach Angaben des Landesverbands engagieren sich dabei in 174 bayerischen Tafeln etwa 7000 ehrenamtliche Helfer. Durch hohe Inflation und Energiekosten steht auch die Initiative besonders unter Druck. Es werden weniger Lebensmittel gespendet, gleichzeitig sind immer mehr Menschen auf die Tafel angewiesen. Die Fördergelder sehen viele nur als Tropfen auf den heißen Stein. "Das ist nur Symbolpolitik!", kritisiert ein Twitter-Nutzer. "Bei circa 500.000 Leistungsempfängern in Bayern sind das zwei Euro für jede(n) - einmalig", macht eine Userin deutlich.

Über alle sozialen Netzwerke hinweg finden sich überwiegend negative Kommentare. Die Nutzer*innen werfen dem Ministerpräsidenten Heuchelei und Doppelmoral vor, den PR-Termin empfinden sie inszeniert und scheinheilig. Der Grund dafür wird mehr als deutlich: Kurz zuvor hat die Union im Bundesrat das Bürgergeld blockiert. Söder selbst hatte öffentlich behauptet, der Hartz-IV-Nachfolger würde die Motivation senken, eine Arbeit anzunehmen. Die Leistungsempfänger würden fast so viel wie die unteren Einkommensgruppen verdienen, das wäre "ungerecht", hieß es aus der Union. Der Monatssatz für das Bürgergeld liegt etwa 50 Euro über dem bisherigen Hartz-IV-Geld.

Petition gestartet: "Herr Söder, schämen Sie sich!"

 "Herr Söder, wollen Sie jetzt mit dieser Tafelaktion wiedergutmachen, was Sie vor wenigen Tagen im Bundesrat kaputt gemacht haben?", fragt eine Frau auf Facebook. "Ganz schön heuchlerisch. Bürgergeld abgelehnt, Mindestlohn abgelehnt, aber nun feiern, wenn private Initiativen Menschen in Not helfen, weil der Staat versagt", kommentiert ein Nutzer auf Twitter. Andere bezeichnen es als Politikversagen und Armutszeugnis für den Sozialstaat, dass die Tafeln überhaupt notwendig sind. "Besonders verwerflich: Sie haben die Bürgergelderhöhung um 50 Euro blockiert, aber ihre Partei hat sich im Landtag vor Kurzem pro Mandatsträger eine Erhöhung um unfassbare 367 Euro pro Monat gegönnt", gibt ein Nutzer zu Bedenken. Das sei allein fast so hoch wie Hartz IV.

Die Diäten im bayerischen Landtag werden laut eigenen Angaben an die "allgemeine Einkommensentwicklung" angepasst. Als Maßstab wird der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst herangezogen. Dazu kommt eine Kostenpauschale, die sich am Verbraucherpreisindex orientiert, also auch an der Inflation. Die Regelsätze für Hartz IV werden dagegen anhand einer Mischung aus beidem angepasst. Statt Bruttolohn wird aber der Nettolohn für die Berechnung genutzt. Ob sich die Berechnungsweise mit dem Bürgergeld ändern wird, ist noch nicht klar. 

Dass Söders Termin bei der Tafel nicht sonderlich gut ankommen wird, wäre angesichts der Bürgergeld-Diskussion jedenfalls absehbar gewesen. Auch das fränkische Satiremagazin "Der Postillion" hat den PR-Auftritt aufgegriffen. "Typ, der gerade verhindert hat, dass Arme 50 Euro mehr bekommen, absolviert PR-Termin bei Münchner Tafel", titelt die Zeitung. In dem Satire-Artikel konnten sie sogar ein echtes Zitat des CSU-Chefs unterbringen.

Eine Frau hat als Reaktion auf die "Almosen-Show" sogar eine Petition an Söder gestartet. "Herr Söder, schämen Sie sich!", schreibt sie darin. Sie selbst sei alleinerziehende Mutter und Hartz-IV-Empfängerin. "Es reicht! Wir wollen keine Almosen von Ihnen für die Tafeln, sondern direkt an betroffene Menschen! Ziehen Sie Ihre Blockade des Bürgergelds zurück! Erhöhen Sie temporär das Hartz IV bis das Bürgergeld kommt und setzen Sie sich für höhere Löhne ein!", fordert sie in der Petition. Ob das Bürgergeld überhaupt durchkommt, entscheidet sich erst in den kommenden Wochen im Vermittlungsausschuss. 

mit/mit dpa