Kniebundhosen und Gamaschen, dazu Hut und Steinschlossgewehr: Die Mitglieder des Historischen Westernclubs wirken wie aus der Zeit gefallen – und das wollen sie auch. Ihr Vorsitzender erklärt, was ihn an seiner Freizeitbeschäftigung fasziniert und warum sie manchmal ziemlich unbequem sein kann.
Die Montur eines Freiheitskämpfers aus Revolutionstagen, die Uniform eines Bürgerkriegssoldaten aus den Südstaaten oder das originalgetreue Outfit eines Cowboys aus dem Mittleren Westen: Wenn Peter Hoja seinen Kleiderschrank öffnet, hat er einige stoffgewordene Abschnitte US-amerikanischer Geschichte vor Augen – und die Qual der Wahl. Der 59-jährige Lichtenfelser ist der Vorsitzende des Historischen Westernclubs seiner Heimatstadt und ein sogenannter Hobbyist. "Wir beschäftigen uns mit der Kleidung und der Ausrüstung aus bestimmten Zeitabschnitten der USA", erklärt er die Freizeitbeschäftigung von sich und seinen Vereinskollegen.
Dabei achten sie bis ins Detail auf die Authentizität: Ein Soldat aus der amerikanischen Revolutionszeit könne beispielsweise kein Gewehr mit Perkussionszündung bei sich tragen. Vielmehr müsse er ein Steinschlossgewehr mit sich führen, erklärt der Vereinsvorsitzende und fügt hinzu: "Die Hemden werden oben zugeknöpft und eine Weste darüber getragen. Auch die Kniebundhosen müssen dazu passen." Die Ausrüstung darf dann schon mal mehrere hundert Euro kosten, zumal wenn sie vom Schneider kommt.
Gelebte Geschichte
Für Hoja und seine Vereinskollegen ist ihr Hobby keinesfalls ein Karnevalsvergnügen. Vielmehr sehen sie es als gelebte Geschichte an und vergleichen ihr Hobby mit experimenteller Archäologie. So stellen sie ihr geschichtliches Wissen auch auf die praktische Probe. Etwa wenn sie mit ihren historischen Lederschuhen durch den Wald von Lichtenfels nach Schwabthal marschieren oder in einem Camp aus Leinenzelten am Lagerfeuer sitzen und dort kochen. Das geschieht auch gerne mal gemeinsam mit anderen Vereinen. Dabei gilt: Elektrischer Strom ist tabu – alles soll so sein wie früher. Hier und da machen die Hobbyisten aber auch Ausnahmen: "Gelegentlich klingelt dann mal ein Handy im Zelt oder es zündet sich jemand seine Filterzigarette mit dem Feuerzeug an. Das wird zwar nicht allzu gern gesehen, ist aber nicht so tragisch", berichtet Hoja.
Die Ausstattung in den Zelten ist indes unterschiedlich. So gebe es Hobbyisten, die es auch hier mit den historischen Vorgaben sehr ernst nehmen. Andere wiederum liegen auf einer bequemen Luftmatratze im modernen Schlafsack. "Man muss schließlich am Montag wieder auf die Arbeit", sagt Hoja und schmunzelt.
Das betont er auch deshalb, weil die Wochenenden in den Camps manchmal ohnehin schon anstrengend sein können – beispielsweise wenn es durchgehend regnet und das Wasser irgendwann durch den Leinenstoff der Zelte tropft. Oder etwa bei knapp 40 Grad im Sommer: "Dann ist der Spaß mit der Wollkleidung schnell dahin und du sehnst dich nach einer kurzen Hose", sagt der Vereinsvorsitzende und lacht. "Die Nostalgie wird manchmal etwas kleiner, wenn du's selbst erlebst."
Peter Hoja war seit seiner Jugend mit Teilen der nordamerikanischen Kultur vertraut. "In der Gaststätte meiner Eltern gab es damals den Country- und Westernclub ,El Paso'", berichtet er von seinen ersten Berührungspunkten. Nach einer Hochzeitsreise in den Mittleren Westen der Vereinigten Staaten inklusive des Besuchs einiger Heimatkundemuseen im Jahr 1984 habe ihn dann endgültig das Amerikafieber gepackt.
Eine neue Perspektive
Unter anderem die Beschäftigung mit der Geschichte der Ureinwohner des Landes habe ihm hierbei einen völlig neuen Blickwinkel eröffnet: "Als Kind hast du dich gefreut, wenn die Kavallerie die Indianer vom Pferd geschossen hat. Wenn du später von den Massakern an den Ureinwohnern hörst und liest, ändert sich natürlich dein Standpunkt", berichtet der Lichtenfelser.
Als ihm die Geschichtsbücher nicht mehr reichten, wollte er das Geschehene hautnah erleben. Die Chance dazu bot sich ab dem Jahr 2002: Von da an suchte der neuentstandene Historische Westernclub Lichtenfels nach neuen Mitgliedern, um Schlachtszenen aus dem Amerikanischen Bürgerkrieg nachzustellen. Seitdem Peter Hoja den Vereinsvorsitz inne hat, haben sich die Schwerpunkte jedoch verlagert: Weg vom klassischen Reenactment – also dem Nachstellen konkreter historischer Begebenheiten – und auch hin zu anderen Zeitabschnitten. Mittlerweile liegt der Fokus auf der Amerikanischen Revolutionszeit, also den 1760er und 1770er Jahren.
Gleich geblieben ist aber der Reiz, den das Hobby auf die Beteiligten ausübt. Der besteht für Hoja aus dem Interesse an Geschichte, aber auch dem Spaßfaktor und der Gemeinschaft. "Das gehört alles zusammen. Abends sitzen wir dann auch auf Vereinstreffen im Saloon, trinken unser Bier und kommen ins Gespräch mit den anderen", sagt er und lächelt.
Die Teilnehmer an solchen Veranstaltungen haben ihren persönlichen Schwerpunkt oft auf verschiedenen Zeitabschnitten der US-Geschichte gelegt. Alle eint jedoch die Absicht, aus ihrem Alltag auszubrechen.
Klare Distanzierung
Dass ihr Hobby eventuell auch das falsche Publikum anziehen könnte, wissen Peter Hoja und seine Vereinsmitglieder. So distanzieren sie sich ganz klar von Waffenfanatikern, Uniformfetischisten und Rassisten. Die Gefahr für USA-Hobbyisten als Rassist denunziert zu werden, rührt daher, dass der Amerikanische Bürgerkrieg mitunter die Sklaverei zum Konfliktpunkt hatte und man in den Südstaaten an dieser festhalten wollte. Ein Südstaatensoldat sei aber nicht automatisch ein Befürworter der Versklavung oder ein Rassist gewesen, betont Hoja. Zum Thema Waffen weist er darauf hin, dass in den allermeisten Fällen Attrappen verwendet würden. "Sie spielen bei den Treffen auch eine total untergeordnete Rolle."
Hinsichtlich der Frage, was er als Deutscher mit dem amerikanischen Erbe zu tun habe, verweist er auf die Auswanderungsgeschichte des 19. Jahrhunderts. Weil viele Deutsche damals vor Hunger oder Verfolgung in die neue Welt flohen, sei die US-Geschichte auch ein Stück weit deutsche Geschichte, erklärt Peter Hoja.
Seinen bürgerlichen Namen hört er in der Szene indes selten – alle rufen ihn "Texas-Pete". Wieso das? Während einer Zwischenlandung in Houston entdeckte er einst ein Schild. Auf dem stand der Name, der später als Inspiration diente. Dass der Bundesstaat Texas erst Jahre nach den vereinsrelevanten Geschehnissen entstand, nimmt er mit Gelassenheit: "Der Name hat sich eben so ergeben. Das Schild hängt in meinem Büro."
Kontakt
peter-hoja@web.de
Vereinstreffen
Sobald es das Infektionsgeschehen zulässt, treffen sich die Mitglieder jeden ersten Mittwoch im Monat um 20 Uhr in der Lichtenfelser Gaststätte "Dümpfelschöpfer" zum Stammtisch. Interessenten sind stets willkommen.