Kann Selenskyj einen Eklat dieses Mal verhindern?
Ein wesentlicher Unterschied zu Februar: Diesmal wird Selenskyj nicht nur mit seiner ukrainischen Delegation in Washington anreisen. Er bringt Verstärkung aus Europa mit. Allein ihre Anwesenheit dürfte die Dynamik des Treffens mit Trump verändern und ein möglicherweise aufgeheiztes Gesprächsklima etwas abkühlen.
Der Verlauf hängt aber weiterhin auch vom Auftreten Selenskyjs ab - und davon, ob er zu Zugeständnissen bereit ist. Spätestens der Alaska-Gipfel ließ erkennen, dass der US-Präsident in Putin, den Chef einer Atommacht, einen Ebenbürtigen sieht. Dem Ukrainer hingegen fällt die Position des Bittstellers zu, der auf Rückendeckung der Amerikaner angewiesen ist.
Trump dürfte begrenzte Geduld haben mit einem ukrainischen Gesprächspartner, der wie Moskau auf Maximalforderungen beharrt und Russland mit westlicher Hilfe besiegen will. Selenskyj steht damit ein schwieriger Spagat bevor: Er muss für die Interessen der Ukraine einstehen und Trump gleichzeitig das Gefühl geben, dass dessen Vermittlungsbemühungen ernst genommen werden. Verzichtet Selenskyj öffentlich auf Gebiete, riskiert er im Land nach dem langen verlustreichen Krieg seinen Posten.
Welche Sicherheitsgarantien könnten der Ukraine gegeben werden?
Sicherheitsgarantien für die Ukraine - das ist eine der zentralen Forderungen Kiews und der Europäer für eine Nachkriegsordnung. Bisher ist nicht klar, wie sie aussehen sollen. Aber auch Trump und sogar Putin sprachen von solchen Garantien für die Ukraine.
Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni brachte eine Variante einer kollektiven Sicherheitsklausel für die Ukraine nach dem Vorbild von Artikel 5 Nato-Vertrag ins Spiel - ohne dass aber die Ukraine Mitglied der Nato wird. Eine andere Möglichkeit wären bilaterale Sicherheitszusagen einzelner Staaten.
Russland ist nach Angaben des US-Sondergesandten Steve Witkoff einverstanden damit, dass die USA und europäische Verbündete der Ukraine Nato-ähnliche Sicherheitsgarantien geben. Für Putin sei ein Nato-Beitritt der Ukraine nicht diskutierbar. «Wir konnten das sozusagen umgehen und eine Vereinbarung erzielen, dass die Vereinigten Staaten einen Schutz ähnlich dem in Artikel 5 bieten könnten.» Die Russen hätten erstmals so einem Szenario zugestimmt.
Artikel 5 des Nato-Vertrags regelt, dass die Bündnispartner im Fall eines Angriffs auf die Unterstützung der Alliierten zählen können und ein Angriff auf ein Mitglied als ein Angriff auf alle gewertet wird. Das nun diskutierte Szenario sähe allerdings nicht die Nato im Verteidigungsfall in der Pflicht - stattdessen würden die Vereinigten Staaten und europäische Länder für die Sicherheit der Ukraine sorgen, sagte Witkoff.
Wichtig ist den Europäern, dass bei den Sicherheitsgarantien die USA mit dabei sind. Nicht ausreichen würden ihnen einseitige Sicherheitszusagen Russlands für die Ukraine. Aus Sicht des Westens hat Russland jedes Vertrauen verspielt.
Wie wichtig ist das Thema Waffenruhe?
Die verschiedenen Parteien benutzen wahlweise die Begriffe Waffenruhe und Waffenstillstand, je nach eigenem Sprachgebrauch und Sprachgefühl. Nach Aussagen von US-Außenminister Marco Rubio bleibt ein Waffenstillstand weiter im Gespräch, doch übergeordnetes Ziel sei ein «umfassendes Friedensabkommen». «Ich denke, das ist der beste Weg, um den Krieg zu beenden.» Ob es auf dem Weg dahin einen Waffenstillstand geben müsse, stellte Rubio infrage. Kiew besteht bisher auf einer Waffenruhe als Vorbedingung für Friedensgespräche.
Warum pochen Selenskyj und die Europäer auf einen Dreier-Gipfel?
Selenskyj besteht seit langem darauf, sich persönlich - und im Beisein von Trump - mit Putin zu treffen, um über einen Frieden zu sprechen. Der Kremlchef sagt zwar immer wieder, dass er dazu bereit sei. Allerdings müssten dafür im Vorfeld aus seiner Sicht die Grundzüge einer Konfliktlösung - etwa die des Gebietsverzichts - stehen. Putin lässt aber kein Interesse an einem Treffen erkennen, zweifelt immer wieder Selenskyjs Befugnisse an, weil das Land im Krieg keine Wahlen abhält. Selenskyjs reguläre Amtszeit lief zwar im vorigen Jahr aus, seine Machtbefugnisse verlängerten sich aber durch das Kriegsrecht.
Für Deutschland und die Europäer war von Anfang an wichtig, dass bei Friedensverhandlungen keine Entscheidungen über die Köpfe der Ukrainer hinweg getroffen werden dürfen.
Triumphiert Putin?
Und ob. Trump hat ihm in den USA, das viele Russen als Hauptverursacher des Konflikts sehen, den roten Teppich ausgerollt und ihm applaudiert - und Putin nach langer Isolation im Westen auf die Weltbühne zurückgeholt. Als größter Erfolg für den Kreml gilt aber das Zugeständnis Trumps, nun zuerst über einen Frieden zu reden - und so dann den Waffenstillstand zu erreichen. Damit gewinnt Putin Zeit auf dem Schlachtfeld. Entsprechend nahmen die Kampfhandlungen in der Ostukraine nach dem Alaska-Gipfel wieder Fahrt auf.
Moskau strebt also ein Friedensabkommen an - mit Beseitigung der «Grundursachen» des Konflikts, wie der Kreml sie sieht. So fordert Russland etwa einen Verzicht der Ukraine auf einen Nato-Beitritt und die Wahrung der Rechte der russischsprachigen Bevölkerung sowie ein Ende des Verbots der russisch-orthodoxen Kirche.
Die angestrebten Inhalte einer möglichen Friedensvereinbarung aus russischer Sicht sind seit langem bekannt. Demnach soll sich die Ukraine etwa aus den bisher nicht vollständig von Moskau kontrollierten Gebieten Donezk und Luhansk zurückziehen - im Tausch für ein Ende der Kampfhandlungen. Anerkennen soll die Ukraine auch die schon 2014 von Moskau annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim als russisch.