Fraktionen stimmen nicht bedingungslos
Nach Darstellung des deutschen SPD-Politikers René Repasi machte von der Leyen vor dem Votum Zugeständnisse an die Fraktionen und sicherte unter anderem zu, dass auch im nächsten langfristigen EU-Haushalt Geld für den sogenannten Europäischen Sozialfonds (ESF) eingeplant wird. Der ESF ist ein Instrument zur Beschäftigungsförderung und soll unter anderem Ausbildung und Qualifizierung unterstützen.
Geschlossen gegen den Antrag stimmten neben der EVP die Grünen. Die deutsche Co-Vorsitzenden Terry Reintke sagte allerdings, die Unterstützung der Kommissionspräsidentin gebe es nicht zum Nulltarif. Die Rückabwicklung des Klimaschutzpakets «Green Deal» durch Bürokratieabbau müsse aufhören. Die Abgeordneten des Bündnisses Sahra Wagenknecht votierten hingegen geschlossen für den Misstrauensantrag.
Belastungsprobe für von der Leyen
Für die deutsche CDU-Politikerin, die der europäischen Parteienfamilie EVP angehört, war der Vorstoß aus dem rechten Lager trotz geringer Erfolgsaussichten eine Belastungsprobe. Grund ist, dass die 66-Jährige mit manchen Initiativen zuletzt auch bei ihr eigentlich wohlgesonnenen Abgeordneten für Unmut sorgte.
So war die Aussprache im Plenum am Montagabend auch von den Sozialdemokraten und Liberalen für Anschuldigungen gegen von der Leyen und das Mitte-Rechts-Bündnis EVP genutzt worden. Sie kritisierten, dass die EVP zuletzt mehrfach in Kauf genommen hatte, dass politische Projekte mit Stimmen aus dem Rechtsaußen-Lager vorangebracht wurden.
Partner-Parteien üben Kritik
Die S&D-Fraktionsvorsitzende Iratxe García fragte an die EVP gerichtet: «Mit wem wollen Sie regieren? Mit wem wollen Sie Europa zerstören oder mit wem kämpfen wir jeden Tag, um es aufzubauen?» Die liberale Fraktionsvorsitzende Valérie Hayer (Renew) sagte: «Heute, Frau Präsidentin, sehen Sie die Sackgasse, in die Sie und Ihre politische Familie geraten sind, weil Sie zugelassen haben, dass die EVP Zweckbündnisse mit der extremen Rechten eingeht.»
Brisant waren die deutlichen Äußerungen, weil die EVP eigentlich eine Art informelle Koalition mit den europäischen Sozialdemokraten und Liberalen hat. Sie ist auf die Stimmen dieser Parteien angewiesen ist, wenn sie politische Projekte ohne Stimmen von Rechtsaußen durchbringen will.
Letzter Misstrauensantrag wurde 2014 gestellt
Misstrauensanträge gegen die Kommission sind äußerst selten. Zuletzt waren Rechtspopulisten 2014 mit einem Misstrauensantrag gegen die damalige EU-Kommission um Jean-Claude Juncker gescheitert. Bei der Abstimmung damals votierten lediglich 101 Abgeordnete für den Vorstoß aus dem EU-kritischen Lager. 461 lehnten ihn ab, 88 enthielten sich.
Hintergrund des Misstrauensantrags waren damals Enthüllungen über Steuervorteile für international tätige Großkonzerne in Luxemburg. Juncker war knapp 19 Jahre lang Regierungschef des Großherzogtums gewesen. Kritiker warfen ihm deswegen «Beihilfe zur Steuerhinterziehung» von Unternehmen vor.
Zum Rücktritt einer EU-Kommission führte lediglich ein drohender erfolgreicher Misstrauensantrag im Jahr 1999. Damals stellte eine von dem Luxemburger Jacques Santer geführte Kommission ihre Posten vorsorglich zur Verfügung, nachdem ein Bericht über Betrug, Missmanagement und Vetternwirtschaft vorgelegt worden war.