Angestellte dürfen streiken, Beamte nicht - das haben deutsche Gerichte immer wieder festgestellt. Vier Lehrerinnen und Lehrer aus Deutschland wollen das nicht auf sich sitzen lassen.
Das Streikverbot für verbeamtete Lehrer in Deutschland ist nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) rechtmäßig. Die Bundesrepublik habe damit das Recht auf Vereinigungsfreiheit nicht verletzt, teilten die Richter in Straßburg mit.
Ein allgemeines Streikverbot für alle Beamten werfe zwar menschenrechtliche Fragen auf, allerdings gebe es trotzdem noch genügend Möglichkeiten für Beamte und Gewerkschaften, wirksam für ihre beruflichen Interessen einzutreten. Die verhängten Bußgelder lägen daher im Ermessensspielraum des Staates.
Geklagt hatten drei Lehrerinnen und ein Lehrer aus Deutschland. Sie streikten 2009 und 2010 für bessere Arbeitsbedingungen. Doch da sie verbeamtet waren, hätten sie ihre Arbeit nicht niederlegen dürfen. Deswegen wurden gegen sie Disziplinarmaßnahmen verhängt.
«Geben und Nehmen»
Dem Statistischen Bundesamt zufolge waren Mitte 2022 rund 665.000 Beamtinnen und Beamte an deutschen Schulen beschäftigt. Anders als Angestellte dürfen sie nicht streiken, denn das Beamtentum in Deutschland basiert auf dem Prinzip «Geben und Nehmen». Beamte haben eine Verpflichtung zur Treue gegenüber dem Staat, um sicherzustellen, dass der Staat handlungsfähig bleibt, selbst in Krisenzeiten. Als Gegenleistung hat der Staat eine Verpflichtung der «Fürsorge» gegenüber den Beamten. Beamte haben eine lebenslange Anstellung und müssen angemessen bezahlt werden. Gewerkschaften argumentieren dagegen, dass es ein Menschenrecht auf Kollektivverhandlungen zur fairen Aushandlung der Arbeitsbedingungen gibt.
Bevor der Fall in Straßburg landete, hatte er schon deutsche Gerichte bis hin zum Bundesverfassungsgericht beschäftigt. Dies bestätigte 2018 das Streikverbot für Beamte. Das Beamtenverhältnis fuße auf einem wechselseitigen System von Rechten und Pflichten, und das lasse ein «Rosinenpicken» nicht zu, hieß es damals.
Dem folgte der EGMR nun größtenteils. Deutsche Beamte könnten Gewerkschaften gründen und ihnen beitreten und die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes hätten ein gesetzliches Mitwirkungsrecht bei der Ausarbeitung von Dienstvorschriften. Daher könnten sich verbeamtete Lehrer trotz Streikverbots an der Festlegung der Arbeitsbedingungen beteiligen. Außerdem seien die gegen die Kläger verhängten Disziplinarmaßnahmen nicht schwerwiegend gewesen und hätten ein konkretes Ziel verfolgt: Das Recht auf Bildung zu gewährleisten.
Zudem müssten Lehrer sich ja auch nicht verbeamten lassen, sondern könnten in einem Angestelltenverhältnis arbeiten, in dem sie streiken dürften, so die Richter. Das Bundesinnenministerium begrüßte das Urteil.