Waffenruhe im Gaza-Krieg in Kraft getreten

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Nahostkonflikt - Deir al-Balah
Im Gaza-Krieg sollen nun die Waffen schweigen.
Nahostkonflikt - Deir al-Balah
Abdel Kareem Hana/AP/dpa

US-Präsident Trump forderte schon vor Tagen, dass Israel die Kampfhandlungen im Gazastreifen einstellt, damit die Geiseln freikommen können. Nun schweigen die Waffen. Doch vieles ist weiter unklar.

Im Gazastreifen ist im Rahmen des von US-Präsident Donald Trump vermittelten Friedensplans eine Waffenruhe in Kraft getreten. Wie ein israelischer Militärsprecher mitteilte, schweigen die Waffen seit 12 Uhr mittags am Freitag (11.00 Uhr MESZ). Die israelischen Truppen hätten sich zu den vereinbarten Demarkationslinien zurückgezogen. Die für die Region zuständige Kommandozentrale des US-Militärs (Centcom) bestätigte den israelischen Rückzug, wie der US-Sondergesandte Steve Witkoff mitteilte. Beim Nachrichtensender Al Jazeera waren Aufnahmen Tausender Menschen zu sehen, die größtenteils zu Fuß in Richtung der Stadt Gaza zogen.

Mit Beginn der Feuerpause beginnt eine vereinbarte 72 Stunden lange Frist, während der alle Geiseln, die bei dem Massaker am 7. Oktober 2023 von terroristischen Gruppen aus Israel in den Gazastreifen entführt wurden, freikommen sollen. Dort befinden sich nach israelischen Angaben noch 47 Geiseln, von denen 20 noch am Leben sein sollen. Zudem befindet sich auch die Leiche eines Soldaten, die während des letzten großen Gaza-Kriegs 2014 entführt wurde, noch in der Hand von Islamisten im Gazastreifen.

Im Gegenzug lässt Israel laut Vereinbarung mehr als 2.000 Palästinenser frei - unter ihnen 250 zu lebenslanger Haft verurteilte Gefangene. Nicht darunter ist nach israelischen Angaben Fatah-Aktivist Marwan Barghuti, der als aussichtsreichster Kandidat für eine Nachfolge von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas gilt. Er wird für den Mord an fünf Menschen bei Anschlägen verantwortlich gemacht und zu mehrfach lebenslanger Haft verurteilt.

US-Präsident Trump plant nach eigenen Angaben, am Sonntag in Richtung Nahost aufzubrechen. Der Republikaner könnte dann bei einer offiziellen Unterzeichnung des Abkommens und bei der Freilassung der Geiseln vor Ort sein. Er sei eingeladen worden, vor dem israelischen Parlament, der Knesset, eine Rede zu halten, hieß es aus Israel.

Um eine Entwaffnung der Hamas wird es erst später gehen

Nach dem Austausch von Geiseln gegen Häftlinge sollen in einer zweiten Verhandlungsphase Bedingungen geschaffen werden, die einen Frieden langfristig sichern. 

Ein vollständiger Rückzug der israelischen Soldaten aus dem Gazastreifen, den die Hamas fordert, ist laut Trumps Plan erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgesehen, wenn eine internationale Stabilisierungstruppe (ISF) für Sicherheit vor Ort sorgt. Auch um eine Entwaffnung der Terrororganisation Hamas wird es erst zu einem späteren Zeitpunkt gehen. Doch wann Soldaten der Türkei, Katars, Ägyptens und anderer Staaten vor Ort sein werden und wie ein Sicherheitsvakuum vermieden wird, ist weiterhin unklar. Auch einen Zeitplan zum Aufbau einer neuen Verwaltung im Gazastreifen gibt es bisher nicht. 

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu betonte am Nachmittag vor Journalisten, die Entwaffnung der Hamas und eine Demilitarisierung des Gazastreifens werde in jedem Fall geschehen - auf die einfache oder die harte Tour, wie er sich ausdrückte.

Merz schließt militärische Beteiligung an Friedenssicherung aus

Deutschland wird sich nach den Worten von Bundeskanzler Friedrich Merz nicht militärisch an einer internationalen Stabilisierungsmission beteiligen. Die Bundesrepublik wolle aber helfen, «den rechtlichen Rahmen für eine solche Präsenz zu schaffen, etwa durch eine Resolution des Sicherheitsrates», so der CDU-Politiker laut einer Erklärung. Unter anderem werde man sofortige humanitäre Hilfe in Höhe von 29 Millionen Euro zur Verfügung stellen. 

Die Türkei bekräftigte unterdessen die Bereitschaft zu einer militärischen Beteiligung bei der Friedenssicherung. «Unsere türkischen Streitkräfte, die Erfahrung in der Stiftung und Wahrung von Frieden haben, sind bereit, jede ihnen übertragene Aufgabe zu übernehmen», teilte das türkische Verteidigungsministerium laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu mit. 

Die Türkei war an den indirekten Verhandlungen zwischen Israel und der palästinensischen Terrororganisation Hamas in Ägypten beteiligt. Ankara unterhält gute Beziehungen zur Hamas, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte sie mehrmals als Befreiungsorganisation bezeichnet.

Katars Ministerpräsident Mohammed bin Abdulrahman Al Thani schrieb auf X, sein Land werde keine Mühen scheuen, den diplomatischen, humanitären und historischen Pflichten gegenüber den Palästinensern und der Region nachzukommen. Der Erfolg dieser ersten Phase sei eine gemeinsame Verantwortung.

170.000 Tonnen Hilfsgüter in der Region

Die Vereinten Nationen forderten die Öffnung sämtlicher Grenzübergänge in den Gazastreifen, wie Sprecher mehrerer humanitärer UN-Organisationen in Genf sagten. Darunter sind die Weltgesundheitsorganisation (WHO), das UN-Kinderhilfswerk Unicef und das von Israel abgelehnte UN-Hilfswerk für Palästinenser (UNRWA). 

Die Vereinten Nationen haben nach eigenen Angaben 170.000 Tonnen Hilfsgüter in der Region, die innerhalb kürzester Zeit in den Gazastreifen gebracht werden können. Darunter sind neben Lebensmittel auch Medikamente und Material zur Reparatur von Infrastruktur.

Wie die Arbeit der UN-Organisationen aussehen wird und wer was in den Gazastreifen liefern kann, war zunächst noch unklar. Israel kontrolliert die Zugänge und muss grünes Licht geben und die Sicherheit von Konvois garantieren. Ob und wie UNRWA für die humanitären Aufgaben genutzt wird, ist auch noch unklar.

Israel hat die Zusammenarbeit in UNRWA Anfang des Jahres beendet. Das Land wirft der Organisation Nähe zur Hamas vor. Ohne das Netzwerk von 12.000 Mitarbeitern im Gazastreifen, die trotz des israelischen Boykotts dort weiter gearbeitet hätten, gehe es aber nicht, sagte eine Sprecherin des Hilfswerks zu Reportern in Genf: «UNRWA ist weiterhin die größte humanitäre Hilfsorganisation im Gazastreifen.»

Auslöser des Gaza-Kriegs war der Überfall der Hamas und anderer islamistischer Terrorgruppen auf Israel am 7. Oktober 2023. Rund 1.200 Menschen wurden dabei getötet und mehr als 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Israel reagierte mit einer umfassenden militärischen Offensive und teilweisen Blockade des Gazastreifens. Seitdem wurden laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 67.000 Palästinenser getötet.