Wahlkampf-Äußerungen befeuern Zweifel an der Verlässlichkeit der USA als Nato-Partner, falls Donald Trump erneut Präsident wird. Was bedeutet das für die nukleare Abschreckung Europas?
Die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Katarina Barley, hat wegen der Präsidentschaftskandidatur von Donald Trump Zweifel an der Verlässlichkeit des US-Atomwaffen-Schutzschirms für Europa. «Angesichts der jüngsten Äußerungen von Donald Trump ist darauf kein Verlass mehr», sagte sie dem «Tagesspiegel».
Zur Frage, ob die EU eigene Atombomben brauche, antwortete Barley vor diesem Hintergrund: «Auf dem Weg zu einer europäischen Armee kann also auch das ein Thema werden.» Die Sozialdemokratin sagte zugleich, es liege weiter im Interesse der Amerikaner, die nukleare Abschreckung für Europa maßgeblich bereitzustellen.
Der ehemalige US-Präsident Trump hatte am Wochenende bei einem Wahlkampfauftritt gesagt, dass er Nato-Partner, die nicht genug in Verteidigung investierten, im Ernstfall nicht vor Russland beschützen würde. Er würde Russland «sogar dazu ermutigen, zu tun, was auch immer zur Hölle sie wollen». Diese Infragestellung der Nato-Beistandspflicht hatte eine Welle der Empörung von Washington über Brüssel bis nach Berlin ausgelöst. Trump will im November erneut für das Amt des US-Präsidenten kandidieren.
Macron hat Europäern Gespräche angeboten
Nach dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union ist Frankreich das einzige EU-Land mit Atomwaffen. Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und der Perspektive einer möglichen zweiten Amtszeit Trumps war schon mehrfach die Frage aufgeworfen worden, ob die nukleare Abschreckung in Europa neu organisiert werden muss.
Bundesfinanzminister Christian Lindner spricht sich für mehr Kooperation mit Frankreich und Großbritannien aus. «Der französische Präsident Emmanuel Macron hat verschiedentlich Kooperationsangebote vorgetragen», schrieb der FDP-Vorsitzende in einem Gastbeitrag für die «Frankfurter Allgemeine Zeitung». «Die jüngsten Äußerungen von Donald Trump sollten wir als Aufforderung verstehen, dieses Element europäischer Sicherheit unter dem Dach der Nato weiterzudenken.» Jüngst hatte der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, über den Aufbau eines «europäischen Atomschutzschirms» gesprochen.
Macron hat Deutschland und anderen EU-Partnern bereits mehrfach Gespräche über eine europäische atomare Abschreckung angeboten. Konkret folgte daraus jedoch bislang nichts.
Tusk offen für Gesprächsangebot Macrons
Jetzt könnte aber Bewegung in die Sache kommen. Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk bezeichnete die Drohung Trumps am Montagabend bei seinem Antrittsbesuch in Berlin als «kalte Dusche» für all jene, «die diese immer realer werdende Bedrohung für Europa weiterhin unterschätzen». Der russische Präsident Wladimir Putin versuche den Westen unter Druck zu setzen, indem er immer wieder mit der Möglichkeit des Einsatzes von Atomwaffen drohe.