Abstimmung mit der AfD: Merz konnte "nicht nur Genugtuung empfinden"
Merz selbst wirkt nach der Abstimmung am 29. Januar sichtlich angefasst. Nur kurz spricht er mit dem ZDF-Kamerateam, bevor er den Bundestag verlässt. Der unverhohlene Jubel der AfD scheint ihm ebenso zuzusetzen wie die heftige Kritik aus den Reihen der anderen Parteien: "Wenn so ein Antrag, der in der Sache richtig ist, die Zustimmung von denen bekommt, mit denen wir nicht zusammenarbeiten, und wenn ich dann gleichzeitig die Reaktionen dort gesehen habe, die noch schlimmer ausgefallen sind, als ich sie befürchtet hatte - dann kann man da nicht nur Genugtuung empfinden", sagt er. "Das ist eine schwierige Situation für uns alle gewesen."
Nicht nur im Bundestag selbst, auch auf den Straßen regt sich lautstarker Widerstand. Als Tausende vor der CDU-Zentrale in Berlin demonstrieren, muss unter anderem Merz' Pressesprecher Hero Warrings die Flucht ergreifen. "Das soll abschrecken, aber das funktioniert nicht. Das bringt uns jetzt eher noch enger zusammen", sagt er gegenüber dem ZDF, während er seine Sachen packt. "Es soll heute ein bisschen voller werden und deswegen sollen wir das Haus verlassen, damit die Polizei ihre Arbeit machen kann", erklärt er am Telefon. Draußen skandiert die Menge: "CDU, shame on you."
Vom ursprünglichen Plan wieder abzurücken, sei keine Option, stellt Warrings klar. Man müsse den nun beschrittenen Weg weitergehen, "um am Ende dann bei der Bundestagswahl erfolgreich zu sein". Auch Merz betont, dass der Antrag wohlüberlegt gewesen sei: Man habe sich "sehr intensiv beraten" und "sehr wohl abgewogen, ob wir das machen sollen oder nicht. Aber mir war wichtig zu sagen: Wo steht die Union eigentlich?"
Carsten Linnemann hielt den Gesetzesentwurf für "harmlos"
Merz öffentlich zu widersprechen, ist zu diesem Zeitpunkt innerhalb der CDU und CSU kaum möglich, glaubt auch Veit Medick, Ressortleiter Politik beim "stern": Merz sei mit seiner Idee durchmarschiert, "die dann öffentlich natürlich niemand infrage stellen konnte, ohne den eigenen Kanzlerkandidaten infrage zu stellen".
Umso größer die Wirkung, als sich ausgerechnet die Altkanzlerin öffentlich gegen Merz stellt. Robin Alexander nennt Angela Merkels Äußerungen "einen kalten Griff ans Herz", CDU-Mann Philipp Amthor versucht es diplomatisch: "Ich finde es in der Sache natürlich besser, wenn man von Angela Merkel zustimmende Worte erhält statt Kritik." Er habe sich gewünscht, "inhaltliche Unterschiedliche in der Öffentlichkeit zu vermeiden", sagt der künftige Staatssekretär im Digitalministerium und erinnert sich, selbst "abgewogen" zu haben, "ob und wie ich mich dazu äußere. Ich fand es aber richtig, den Kurs zu verteidigen, denn er war in der Sache richtig."
Auch Carsten Linnemann bringt im Laufe der ZDF-Dreharbeiten seinen Unmut zum Ausdruck. Dieser richtet sich allerdings nicht gegen Angela Merkel, sondern den baldigen Koalitionspartner. "Das, was im Gesetzesentwurf stand, ich sag's jetzt mal in Anführungsstrichen, war harmlos. Meines Erachtens hätte die SPD da mitstimmen müssen." Man habe unterschätzt, wie sehr "die Mobilisierung der Linken" zugenommen habe, räumt Linnemann ein. Die entscheidende Frage im Rückblick: "Hätte man die komplette Sitzungswoche verhindern können im Bundestag?"
Ein Zurück gibt es nun ohnehin nicht mehr. Friedrich Merz wird schon bald der neue Bundeskanzler sein - ungeachtet des historischen Dammbruchs im Parlament. Oder, um es in Carsten Linnemanns Worten zu sagen: "Es ist jetzt verschüttete Milch."
"Inside CDU" ist in einer gekürzten Fassung am Dienstag, 6. Mai, 20.15 Uhr, im ZDF zu sehen und vorab als Fünfteiler in der ZDF-Mediathek.