Der Krimi "Tatort: Erika Mustermann" mit den Berliner Ermittlern Susanne Bonard (Corinna Harfouch) und Robert Karow (Mark Waschke) entdeckt einen tollen deutschen Schauplatz: die Bundesdruckerei, das Fort Knox unseres Landes. Doch was hat unser "Haus des Geldes" mit südamerikanischen Fahrradkurieren zu tun?
Noch nie spielte ein deutscher Krimi in der Bundesdruckerei - und das hat seinen Grund. Die wohl sicherste Druckerei Deutschlands, die seit 2009 wieder zu 100 Prozent der Bundesrepublik Deutschland gehört, fertigt nicht nur unser Geld, sondern auch hochoffizielle Ausweispapiere wie Personalausweise, Reisepässe oder Führerscheine. Klar dürfte sein: Hier kann man nicht einfach rein- und rausspazieren. Oder doch? Mit dieser Frage spielt der Krimi "Tatort: Erika Mustermann" mit den Ermittlern Susanne Bonard (Corinna Harfouch) und Robert Karow (Mark Waschke).
Ein Fahrradkurier wurde tödlich überfahren. Der Mann fuhr häufig zur in Berlin-Kreuzberg gelegenen Bundesdruckerei. Die Kuriertasche des Toten fehlt am Unfallort. Wie man sich denken kann, transportieren Fahrradkuriere wie das Mordopfer keine neu gedruckten Geldscheine. Die werden schwer bewacht ausgeliefert. Was also war interessant an der Fracht des toten Kuriers?
Bonard und Karow ermitteln in zwei Richtungen. Zum einen nehmen sie Kontakt zur Bundesdruckerei auf und lernen das Unternehmen von innen kennen. Doch auch die Fahrradkuriere "Cheetahs", wo sich viele Südamerikaner und Niedriglohn-Rider aus anderen Ländern abstrampeln, werden von den Kommissaren durchleuchtet. Ein verbindendes Element könnte eine Security-Mitarbeiterin der Bundesdruckerei, Annika Haupt (Annett Sawallisch), sein. Sie kannte den Toten und auch dessen Mitbewohner, Luis (Henry Morales) und Gabriel (Alberto Wolf). Trotzdem tappen die Ermittler lange Zeit im Dunkeln mit der Frage: Um welche "Werte" geht es in diesem merkwürdigen Mordfall überhaupt?
Eine "ausgedachte" Bundesdruckerei
Die beste Idee am Drehbuch von Dagmar Gabler ("Tatort: Der Fall Reinhardt"), die zuletzt den Münchener Fall "Tatort: Charlie" erdachte, ist der Handlungsort. Er ist ähnlich mysteriös wie das berühmte Fort Knox in Kentucky, wo schwer bewacht die Goldreserven der USA lagern. Wie man sich denken kann, durfte der RBB seinen "Tatort" nicht in den Räumlichkeiten der Bundesdruckerei drehen, sondern musste dessen "Innenleben" nachbauen. Tatsächlich konnte das Filmteam vor der Druckerei Bilder schießen, mehr ging nicht. Produzent Martin Lehwald erzählt über den Produktionsprozess seines Films, der nach Gesprächen und Vorgaben durch die Bundesdruckerei beginnen konnte: "Unser Szenenbild-Department konnte sich sehr gezielt an die große Aufgabe heranmachen, die Innenräume der Bundesdruckerei fiktional nachzuempfinden, die möglichst realistisch aussehen sollten, denn natürlich durften wir keine aktuellen Sicherheitstechniken sehen oder verwenden."
Leider verliert sich die erste Magie des Plots im Laufe der 90 Minuten immer mehr zwischen einer gewissen Konstruiertheit, aber auch Erwartbarkeit der Erzählstränge, sodass der Spannungspegel des Krimis unter der Regie von Torsten C. Fischer überschaubar bleibt. Und das, ob wohl oder gerade weil hier ziemlich viele Ideen, die normalerweise für mehrere Krimis reichen würden, wild zusammengemixt werden. Eines jener Elemente ist die Figur des in Diensten der Polizei arbeitenden Computer-Genies Carsten Goth (Ben Hartmann), der für Bonard und Karow komplexe Technik- und Datenrätsel lösen muss.
Corinna Harfouchs Abschied naht
Nicht nur, dass in der Figur (O-Ton Karow: "Das weiß nur Gott") sämtliche Computer-Nerd Klischees zusammenkommen, der Super-Nerd muss auch noch Sprüche wie "Darauf verwette ich meinen Datensatz" raushauen. Mal sehen, ob man Gott/Goth in einer der nächsten Berliner Folgen wiedersieht.
Nach mittlerweile vier Fällen, die Robert Karow nach dem Filmtod seiner von Meret Becker gespielten Langzeitpartnerin an der Seite von Corinna Harfouch spielte, muss man ein durchwachsenes Fazit ziehen. Die Drehbücher für die beiden Berliner "Tatort"-Kommissare von unbestrittener schauspielerischer Klasse waren zuletzt schwächer als in den letzten starken Jahren mit Meret Becker: Der dystopische Deep State-Zweiteiler "Nichts als die Wahrheit" war eine unglaubwürdige Räuberpistole, die sensible Erzählung "Am Tag der wandernden Seelen" über die Vietnam-Community Berlins stark, der atemlose Politthriller "Vier Leben" spannend, aber überfrachtet. Und "Erika Mustermann"? Zündet trotz guter Grundideen irgendwie nicht so richtig.