Am 21. Juni 1985, einem Freitag, proklamierte der damalige griechische Staatspräsident Christos Sartzetakis die Metropole Athen als erste «Kulturstadt Europas». Bis zur letzten Stunde war noch gehämmert und geschraubt worden, wie die Nachrichtenagentur dpa damals berichtete. Am Abend feierte sich Athen ausgelassen an den rund 2.500 Jahre alten Bauten auf der Akropolis.
Die Idee, jedes Jahr eine Stadt zu zelebrieren, war im Juni 1983 bei einem Gipfel beschlossen worden. Demnach sollte fortan jedes Jahr eine andere Metropole «Kulturelle Hauptstadt» der Europäischen Gemeinschaft, wie man die EU damals noch nannte, werden.
Athen begann 1985 mit einem überschaubaren Sommer-Festival. Heute ist das Ganze meist mit einer Städtebauoffensive und einer Menge Events verbunden. Es ist eine Chance für bislang eher verkannte Städte und Regionen, europaweit oder gar global im Fokus zu stehen.
Kunst und Kultur und Katalysator für urbanen Wandel
Nach Athen kamen Florenz (1986), Amsterdam (1987), West-Berlin (1988) und Paris (1989) an die Reihe. Die ersten Jahre seien «stark von hochkulturellen Veranstaltungen geprägt» gewesen, sagt Mittag, der einst das Buch «Die Idee der Kulturhauptstadt Europas» herausgab.
In den 90er Jahren habe sich das Konzept grundlegend verändert. «Industrie- und Hafenstädte wie Glasgow (1990) oder Antwerpen (1993) nutzten den Titel nicht mehr nur für prestigeträchtige Kunstinstallationen, sondern auch als Katalysator für urbanen Wandel», erklärt Professor Mittag.
Der Titel wurde jetzt zur Revitalisierung von Stadtvierteln genutzt, zur Förderung des Tourismus und auch zur Stärkung der lokalen Identität. «Die Kulturhauptstadt wird zum strategischen Instrument der Stadtentwicklung», so Mittag, «mit teils spektakulären Events wie 2010, als unter der Federführung Essens das gesamte Ruhrgebiet als lebendige Kulturmetropole bespielt wurde.»
Heute müsse, sagt der Kulturhauptstadtexperte Mittag, immer wieder «die Balance zwischen kultureller und europäischer Innovation, zwischen infrastruktureller und wirtschaftlicher Nachhaltigkeit sowie zwischen touristischer Attraktion und der Einbeziehung der lokalen Bevölkerung» neu austariert werden.
Die Verfahren zur Findung der Kulturhauptstädte sind aufwendig
Übrigens wäre Europa nicht Europa, wenn es nicht im Laufe der Zeit mit dem Prädikat kompliziert geworden wäre. So gab es im Jahr 2000 einmalig sogar mal neun Hauptstädte, seitdem tragen meist zwei Städte pro Jahr den Titel.
Seit 2020 können sich außerdem alle paar Jahre Städte aus EU-Beitrittskandidaten oder EFTA/EWR-Staaten um den Titel bewerben. So gibt es immer mal wieder drei Kulturhauptstädte Europas. 2024 waren es Bad Ischl (Österreich), Tartu (Estland) und Bodø (Norwegen). 2028 sollen es Bourges (Frankreich), Budweis (Tschechien) und Skopje (Nordmazedonien) sein.