«Wiener Eiskaffee steht für gemütliche Kaffeehausromantik, Iced Coffee für Social-Media-Ästhetik, Beschleunigung, Leistungsorientiertheit», sagt Thomas Stiegler, Autor des Buchs «Kaffee - 35 Kulturgeschichten für Genießer».
«Sahne und Vanilleeis werden zunehmend mit Überfluss und Vergangenheit assoziiert», meint der Österreicher. «Als süßes luxuriöses Sommergetränk symbolisierte der klassische Eiskaffee einst im deutschen Sprachraum den Wohlstand in den Nachkriegsjahrzehnten.» Vorbei die Zeit.
Wandel im Kaffeekonsum durch Gen Z und Millennials
Seit den 2010er Jahren setze sich unter dem Einfluss globaler Trends der Iced Coffee als puristischeres Getränk durch - meist ohne Milch oder Zucker, oft mit pflanzlichen Milchalternativen oder Zutaten wie Tonic Water, Zitrusnoten oder floralen Sirups. «Iced Coffee steht für Energie und Ästhetik und richtet sich vor allem an ein junges, gesundheitsbewusstes und medienaffines Publikum.»
Stiegler (51) erklärt: «Der Wandel im Kaffeekonsum ist stark von der Generation Z und den Millennials geprägt, die Kaffee primär nicht mehr als traditionelles Getränk sehen, sondern als Lebensgefühl. Erfrischung statt Gemütlichkeit, Stil statt Sättigung.» Mit der sogenannten Gen Z und den Millennials sind die Menschen zwischen etwa 16 und Anfang vierzig gemeint.
Plattformen wie Instagram oder Tiktok machen kalten Kaffee zum viralen Star; Influencer inszenieren Getränke gern als Lifestyle. Viele Trends kommen aus den USA, Australien und Südkorea.
So habe sich der Kaffeekonsum enorm verändert, sagt Kaffee-Experte Stiegler. «Auf der einen Seite steht eine eher funktionale Nutzung. Coffee to go, Cold Brew in Dosen, koffeinhaltige Limonaden. Besonders in urbanen Zentren wird Kaffee zu einem Mittel der Selbstoptimierung: schnell, effizient, überall verfügbar.» Parallel gebe es eine kleinere Gegenbewegung, die auf nachhaltige Herkunft, handwerkliche Qualität und Genuss Wert lege.
Kalter Kaffee als Energydrink
In den USA berichten Marktforscher schon länger, dass gerade junge Erwachsene gern kalten Kaffee trinken. Sie setzen sich dadurch von älteren Generationen ab. Kalte Kaffeegetränke lassen sich gut anpassen: mit Sirup, Toppings, die etwa bei amerikanischen Kaffeehausketten im Überangebot sind. Die Zusätze versüßen den eigentlich bitteren Kaffeegeschmack.
Dass ein Frappuccino bei Starbucks schnell mal Dutzende Gramm Zucker enthält, ist vielen gar nicht bewusst - oder einfach latte. Kaltgetränke-Fans und Gelegenheitskaffeetrinkern ist es egal, dass ein Kaffeegetränk womöglich nur sehr wenig echten Kaffee enthält. Sie wollen im heißen Alltag vor allem eine Erfrischung - und sehen kalten Kaffee als Energydrink.
In diese Richtung geht auch das Trendgetränk Matcha Latte: Matcha ist zu Pulver vermahlener Grüntee. Mit aufgeschäumter Milch (oder Milchersatz) hat sich der grüne belebende Drink zur populären Alternative zum Latte macchiato entwickelt - warm, aber auch kalt. Shirin David sang gleich am Anfang ihres Sommerhits «Bauch Beine Po»: «Iced Matcha Latte, zu spät beim Pilates; Küsschen links, Küsschen rechts, ich trag' heute was Scharfes.»