NEPS, das größte Bildungsforschungsprojekt Deutschlands, wird an der Bamberger Uni koordiniert. Ziel ist es, mehr über Bildungsverläufe zu erfahren. 60.000 Teilnehmer vom Baby bis zum Rentner sind dabei und werden gefilmt und befragt.
Wenn man einem Baby Bilder zeigt und Töne vorspielt, wie lange sieht es hin, wann verliert es seine Aufmerksamkeit? Warum hängt in Deutschland der Lernerfolg so eng mit der sozialen Herkunft zusammen? Haben Menschen mittleren Alters noch Lust auf Weiterbildung? Auf Fragen wie diese will das Nationale Bildungspanel Antworten finden. Die Studie, kurz Neps (National Educational Panel Study), ist das größte Bildungsforschungsprojekt Deutschlands und wird an der Bamberger Uni koordiniert.
Das Panel wurde unter dem Titel "Bildungsverläufe in Deutschland" vom Bundes-Bildungsministerium ins Leben gerufen, um mehr über den Bildungserwerb und seine Folgen für individuelle Lebensverläufe zu erfahren, um zentrale Bildungsprozesse und -verläufe über die gesamte Lebensspanne zu beschreiben und zu analysieren. Seit dem Start vor fünf Jahren hat der Bund 85 Millionen Euro in die Studie investiert, die 16 Bundesländer und die Uni Bamberg unterstützen sie ebenfalls.
Ab Januar ein Leibniz-Institut Bald könnte das Projekt auf eigenen Beinen stehen: Wie NEPS-Projektleiter Hans-Günther Roßbach und Geschäftsführerin Jutta von Maurice sagten, soll das Panel ab Januar 2014 in ein selbstständiges Leibniz-Institut überführt werden. Es wäre dann neben dem Germanischen Nationalmuseum Nürnberg die zweite Leibniz-Einrichtung in Franken. Den Anstoß dazu gab im Juli 2011 der bayerische Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch, als er um Aufnahme des NEPS in die Leibniz-Gemeinschaft bat. Die Institution ist nach dem Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz benannt und fördert von Berlin aus mit einem Etat von 1,5 Milliarden Euro die Arbeit von derzeit 86 deutschen Forschungseinrichtungen.
Nach verschiedenen Schritten hat die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz im April 2012 beschlossen, das Aufnahmeverfahren zu eröffnen. In diesem Verfahren war zentral eine Evaluation durch den Wissenschaftsrat, die im Dezember 2012 mit einem hochkarätig besetzten, internationalen Gutachterstab in Bamberg stattgefunden hat. Der Wissenschaftsrat hat laut Roßbach und von Maurice im April 2013 "ein sehr positives Urteil über die bisherige Arbeit des NEPS abgegeben und die außeruniversitäre Institutionalisierung ausdrücklich unterstützt". In der Folge hat die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz im Juni 2013 beschlossen, das NEPS mit Wirkung zum 1. Januar 2014 in die gemeinsame Förderung der Leibniz-Gemeinschaft aufzunehmen. Die endgültige Entscheidung wird im November getroffen, "aber die Institutionalisierung ist so gut wie sicher", sagen Roßbach und von Maurice.
200 Wissenschaftler in Deutschland, 80 in Bamberg Angesiedelt ist das Projekt am Institut für bildungswissenschaftliche Längsschnittforschung Bamberg, das von Roßbach geleitet wird. Für die laut Roßbach und von Maurice "einmalige Längsschnittstudie und Langzeituntersuchung" kooperieren 200 Wissenschaftler aus ganz Deutschland, Forschungsinstitute und -Gruppen unter anderem aus Psychologie, Soziologie und Pädagogik. Mittelpunkt des nationalen Netzwerks ist Bamberg, wo allein 80 Forscher an der Studie arbeiten. Sie versuchen unter dem Titel "Bildungsverläufe in Deutschland" viele Fragen zu klären: Wovon hängt es ab, welchen Bildungsweg ein Mensch zurücklegt? Welche Rolle spielen dabei die Eltern, Freunde, der Kindergarten, die Schule oder Hochschule, der Ausbildungsbetrieb?
Zwischen 2009 und 2012 wurden 60.000 Teilnehmer aus ganz Deutschland ausgewählt und seitdem mehrmals und in verschiedenen Etappen befragt. Sie sind in sechs Gruppen unterteilt: Kleinkinder, Kindergartenkinder, Fünft- sowie Neuntklässler, Studienanfänger und Erwachsene. Die ältesten Teilnehmer sind 64, die jüngsten sechs Monate.
3500 Filme von Babys Sie kann man natürlich nicht im klassischen Sinn befragen, stattdessen werden sie gefilmt. Fast 3500 Videoaufnahmen à 45 Minuten haben die Wissenschaftler gedreht, um herauszufinden: Wie reagieren die Kleinen auf Bilder und Töne, während sie auf dem Schoß ihrer Mutter sitzen? Dasselbe Spiel mit 14 Monaten, dann werden die Kinder mit zwei Jahren, im Kindergarten und mehrmals in der Grund- und weiterführenden Schule getestet.
"Bildungsprozesse verstehbar machen" "Wir begleiten jedes Individuum mindestens zehn Jahre und in zwei Bildungsübergängen", sagen Roßbach und von Maurice. " So entsteht anstatt der querschnittlich betrachteten Momentaufnahmen eine Art zusammenhängender Film aus Befragungsdaten und Testergebnisen, der Bildungsprozesse in bisher ungekannter Art verstehbar macht." Durch die Kontinuität könne man erfahren, was, wie viel und wann jemand dazulernt, wie sich Kompetenzen entfalten und welchen Einfluss das Umfeld hat. Bei kleinen Kindern, Heranwachsenden und Jugendlichen werden deshalb immer auch die Eltern, Erzieher, Lehrer, Kindergarten- und Schulleiter befragt. Alles streng anonymisiert übrigens: "Der Datenschutz ist extrem wichtig."
Erkenntnis: Frauen bilden sich später weiter Über 150 Erhebungen in den verschiedenen Gruppen haben die NEPS-Mitarbeiter seit 2009 durchgeführt. "Bis alle Daten im Kasten sind, vergeht viel Zeit", sagt Roßbach. Aber einige Ergebnisse können die Forscher bereits vorweisen. Durch die Befragungen der Erwachsenen haben sie zum Beispiel herausgefunden, dass Männer früh in der Karriere Zeit in Weiterbildung investieren. Frauen sind hier etwas später dran; dafür steigt ihr Investment aber in den Vierzigern und Fünfzigern nochmals an . "Es ist wichtig, das zu wissen", sagt von Maurice. "So sehen die Arbeitgeber, dass es sich lohnt, ältere Mitarbeiter zu halten und zu fördern, denn diese sind durchaus gewillt und in der Lage, am Ball zu bleiben."
Es gilt noch vieles zu erforschen Ähnliche Erkenntnisse erhoffen sich die NEPS-Verantwortlichen auch bei anderen Fragen. Stimmt es, dass Jugendliche nicht sinnerfassend lesen können oder ist das ein Vorurteil? Wenn es stimmt, machen sie trotzdem ihren Weg? Werden Kinder mit Migrationshintergrund gefördert? Welche Rolle spielt die Sprache für die Entwicklung der Jugendlichen? "Ganz viel wissen wir einfach noch nicht", sagt von Maurice. Und Roßbach ergänzt: "Wir wollen wissen, was es einem Jugendlichen bringt, sich in Bildung hineinzuknien." Deshalb sei das Bildungspanel kein Schul- oder Unipanel. "Wir wollen alle Lern- und Bildungserfahrungen erfassen."
Daten Von 2009 bis 2012 wurden fürs Nationale Bildungspanel NEPS befragt:
3000 Kindergartenkinder
6000 Schüler der Klassenstufe 5
und
16.500 Schüler der Klassenstufe 9
18.000 Studienanfänger
11.500 Erwachsene zwischen 23 und 64 Jahren.