Eine der ersten Anwendungen der MOF sei die Aufnahme von Ethylen gewesen, das freigesetzt werde, wenn Frücht reifen, sagte Constanze Neumann vom Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim an der Ruhr. Das Gas rege andere Früchte dazu an, dass sie auch reifen. «Und im Fruchttransport ist es natürlich etwas ungut, wenn die Früchte zu schnell reifen.»
Schutz vor Gas und Wasser aus Wüstenluft
Eine weitere Anwendung sei die Speicherung giftiger Gase in speziellen Flaschen, so Neumann. Gingen die Flaschen kaputt, ströme das Gas nicht auf einmal raus, sondern nur sehr langsam. «Das ist ein riesiger Sicherheitsgewinn für die Leute, die im Umkreis arbeiten.»
Im kleinen Maßstab sei vieles machbar. «Wir müssen jetzt schauen, dass wir das mit immer mehr verschiedenen MOF, die verschiedene Fähigkeiten haben, auch umsetzen», so Neumann. Viele MOF machten momentan sozusagen den Schritt in die Anwendung. Wichtig sei, dass die Materialien für die Anwendung simpler, billiger und länger haltbar werden.
Vor einigen Jahren hatte eine Gruppe um Yaghi – heute an der University of California in Berkeley tätig – in der Wüste von Arizona ein MOF getestet, in dessen Poren sich Wasser aus der Luft niederschlägt. Das geschieht nachts, wenn Luft selbst in sehr trockenen Wüsten eine hohe Luftfeuchtigkeit erreichen kann. Mit dem Prinzip ließen sich eines Tages ganze Dörfer mit Wasser versorgen, zitierte 2019 das Magazin «Science» Yaghi.
Weiter Weg für Kind palästinensischer Flüchtlinge
Für Yaghi war der Weg zum Nobelpreisträger alles andere als vorgezeichnet: Als Kind palästinensischer Flüchtlinge wuchs er seiner Universität zufolge mit vielen Geschwistern in Amman ohne Elektrizität oder fließendes Wasser auf. Mit zehn Jahren stieß er demnach in der Schulbibliothek auf ein Buch, in dem er molekularen Strukturen begegnete - und sei fasziniert gewesen. Als er 15 war, schickte ihn sein Vater zum Studieren in die USA.
«Meine Eltern konnten kaum lesen oder schreiben», erzählte ein überwältigter Yaghi nach der Bekanntgabe seiner Auszeichnung dem Nobelkomitee. «Es war also ein ziemlicher Weg. Wissenschaft ermöglicht es einem, solche Wege zu gehen. Sie ist die größte ausgleichende Kraft der Welt.»
«Mein Beitrag dazu war eher der eines Künstlers oder Architekten»
Der gebürtige Brite Robson, 88 Jahre alt, hat an der Uni Melbourne geforscht. In den 70er Jahren baute er für seine Studierenden Atommodelle aus hölzernen Kugeln und legte dabei gedanklich einen zentralen Grundstein für MOF. «Mein Beitrag war eher der eines Künstlers oder Architekten», sagte Robson einmal in einem Interview.
Viele Kollegen erkannten zunächst keinen großen Wert in Robsons Forschung – dann kam der heute 74 Jahre alte Kitagawa ins Spiel, der dem Nobelkomitee zufolge das Lebensmotto hat, «das Nützliche im Unnützen zu sehen». Kitagawa, der an der Uni in seiner Geburtsstadt Kyoto tätig ist, und Yaghi setzten Robsons Visionen konkret um.
Hochdotierter Preis
Die renommierteste Auszeichnung für Chemiker ist in diesem Jahr mit insgesamt elf Millionen Kronen (rund einer Million Euro) dotiert. Die Auszeichnung geht zu gleichen Teilen an die Forscher.
Am Donnerstag und Freitag folgen die Bekanntgaben der diesjährigen Nobelpreisträger für Literatur und für Frieden. Die Reihe endet am kommenden Montag mit dem von der schwedischen Reichsbank gestifteten sogenannten Wirtschafts-Nobelpreis. Die feierliche Überreichung der Auszeichnungen findet traditionsgemäß am 10. Dezember statt, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel.