Das neue Videospiel "Grand Theft Auto V" ist mehr als nur ein Spiel. Es ist ein brillant überzeichnetes Sittengemälde in bester Hollywood-Manier. Und es bricht bereits fünf Tage nach der Veröffentlichung Rekorde.
"Komm schon Mann, beeil dich! Verdammt! Ich wusste, dass du die Nummer versaust", brüllt Michael über den dröhnenden Motor hinweg. Mit quietschenden Reifen rasen die Juwelendiebe los, preschen rücksichtslos über rote Ampeln, drängen Autos von den nächtlichen Straßen. Sirenen heulen. Michael lenkt den grauen Lieferwagen in eine Seitenstraße und löscht die Scheinwerfer. Doch zu spät. Die Polizei ist schon da. Augenblicke später fallen Schüsse. Mündungsfeuer zucken, spiegeln sich im nassen Asphalt. Kein Ausweg. Panik. "Lasst die Waffen fallen!" Game Over.
Was im ersten Moment wie eine sauber choreographierte Hollywood-Actionszene anmutet, beschreibt lediglich eine von über 500 Missionen und Aufgaben aus "Grand Theft Auto V" (kurz: GTA5), dem neuen Spiel für Playstation 3 und Xbox 360. Schon lange vor der Veröffentlichung am 17.
September schürte Entwickler Rockstar Games einen schier unfassbaren Hype. Woche für Woche überschlugen sich Ankündigungen und Superlative.
Lebendige Spielewelt
Mit der fiktiven Stadt "Los Santos" bietet GTA5 den Konsolenspielern eine lebendige, völlig offene Welt, über 200 Quadratkilometer groß, teilweise 1:1 dem realen Los Angeles nachempfunden. Drei spielbare Charaktere und über 400 Straßen-, Luft- und Wasserfahrzeuge stehen zur Verfügung, vom Bugatti bis zum Zeppelin. Insgesamt 15 integrierte Radiosender untermalen mit 250 lizensierten Musiktiteln den Konkurrenzkampf mit kleinen Straßengangstern und mächtigen Kartellbossen.
Wie schon in den früheren Teilen der Serie orientiert sich die Geschichte an großartigen Filmklassikern. Anspielungen auf Scarface (Brian De Palma, 1983), Heat (Michael Mann, 1995) oder moderne "Heist-Filme" wie Ocean's Eleven (Steven Soderbergh, 2001) drängen sich dem Spieler geradezu auf. Dazu gesellen sich Themen wie Gangkriminalität, Prostitution, Drogen- und Waffenhandel.
Die Produktionskosten sind mit 250 Millionen Dollar so hoch wie nie. Rund 1000 Mitarbeiter feilten fünf Jahre lang an dem Spiel, das als letzter großer Höhepunkt der aktuellen Konsolengeneration gehandelt wird. Und die Arbeit hat sich schon jetzt gelohnt. Seinen Vorgänger hat das Spiel längst übertroffen.
Im Jahr 2009 hatte "Grand Theft Auto IV" in der ersten Woche 500 Millionen Dollar eingespielt. Die jüngste Folge der Ego-Shooter-Reihe "Call of Duty", einer der populärsten Titel für Xbox und Co., spielte 500 Millionen Dollar am ersten Tag ein. Doch GTA5 bricht alle Rekorde. Allein am ersten Verkaufstag erzielte der Titel 800 Millionen Dollar Umsatz. Nur zum Vergleich: "Avatar" (James Cameron, 2009), der bisher erfolgreichste Hollywood-Film, spielte rund eine Milliarde Dollar ein - allerdings in 17 Tagen.
Sittengemälde par excellence
Rockstar bleibt sich auch mit der fünften Ausgabe des modernen Gangsterepos treu. Bitterböse, zynisch und augenzwinkernd lenken die Entwickler den Blick geschickt auf gesellschaftliche Missstände. Egal ob gewissenlose Politiker, machthungrige Medienmogule oder nymphomanische Teeniestars - im Spiel bekommen alle ihr Fett weg. Ein Sittengemälde par excellence, das vor Witz und Ironie nur so sprüht.
Schade jedoch, dass sich neben all den intelligenten Seitenhieben das Schema nicht geändert hat. Letztlich geht es nur ums Geld. Der einzige Weg zu Ruhm und dem dicken Bankkonto ist Gewalt. Töten wird zur reinen Fingerübung. So bleibt GTA5 vor allem eines: ein Spiel für Erwachsene.