Erdogan stellt Strafantrag gegen Böhmermann wegen Beleidigung

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Der Satiriker und Moderator Jan Böhmermann wird am 13.01.2016 in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) mit dem Deutschen Fernsehpreis in der Kategorie "Beste Unterhaltung Late Night" («Neo Magazin Royale», ZDF) ausgezeichnet. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa
Der Satiriker und Moderator Jan Böhmermann wird am 13.01.2016 in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) mit dem Deutschen Fernsehpreis in der Kategorie "Beste Unterhaltung Late Night" («Neo Magazin Royale», ZDF) ausgezeichnet. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Jan Böhmermann hat mit einem Schmähgedicht diplomatische Verwerfungen ausgelöst. Erdogan selbst hat Strafantrag gestellt. Was droht Böhmermann jetzt?

Es genügt dieser Tage, den Namen Böhmermann kommentarlos in die Runde zu schleudern, um eine aufgeregte Debatte in Gang zu setzen. Eitler Krawallmacher, berechnender Provokateur oder genialer Satiriker, der uns den Spiegel vorhält?

Fest steht: Jan Böhmermann, Moderator der ZDF-Sendung "Neo Magazin Royale", hat es mit relativ geringem Aufwand vermocht, schlagartig weit über Deutschland hinaus bekannt zu werden. Ein in Form und Inhalt überschaubares Schmähgedicht über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan genügte.


Staatsanwaltschaft: Erdogan stellt Strafantrag wegen Beleidigung

Zumal Böhmermann sein selbst gesetztes Ziel, den autoritären türkischen Staatschef zu provozieren, zweifellos erreicht hat. Droht ihm nun tatsächlich ein Prozess? Fakt ist: Die Bundesregierung prüft eine Note der Türkei, in der eine Strafverfolgung des Satirikers in Deutschland gefordert wird. Wie die Staatsanwaltschaft Mainz am Montagabend mitteilte, hat der türkische Staatspräsident höchstpersönlich Strafantrag gegen Böhmermann wegen Beleidigung gestellt. Gleichzeitig haben mehrere Privatpersonen Anzeige gegen den 35-Jährigen erstattet.

Schon stellen deutsche Zeitungen die Frage, ob Böhmermann jetzt in den "Knast" müsse. Doch wahrscheinlich ist das nicht. Schließlich hat er sein "nicht erlaubtes Schmähgedicht" unübersehbar in einem satirischen Umfeld - sprich in seiner Show - präsentiert.

Falls es tatsächlich zu einem Prozess kommt, dürfte es vor Gericht einen Unterschied machen, ob da jemand eine Person des öffentlichen Lebens ansatzlos beleidigt oder ob dies in einem satirischen Kontext geschieht. Schließlich hatte Böhmermann lange und ein wenig umständlich erläutert, was ein Schmähgedicht ist und warum es verboten ist, bevor er schließlich zum Vortrag desselben schritt. Mit professionellem Instinkt für Themen hatte am Sonntagabend auch ARD-Moderatorin Anne Will den Namen Böhmermann in ihre Runde geworfen. Dort geriet der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen ins Schwärmen: Böhmermann sei ein "Stück satirischer Genialität" gelungen.


ZDF: Böhmermann-Sendung geht weiter wie bisher

Zwar sei das Gedicht geschmacklos, aber es habe eine Botschaft gehabt, weil es dazu gezwungen habe, "jetzt über Grenzen der Satire" zu reden. Noch besser lief es am Montag für Böhmermann. Zunächst garantierte ihm das ZDF, dass er sein Magazin wie bisher weiterführen dürfe. Jener Sender also, der das böse Gedicht recht schnell aus der Mediathek im Internet gelöscht hatte.

Im Laufe des Tages kam auch von unerwarteter Seite aufmunternde Unterstützung: Ausgerechnet der griechische Ex-Finanzminister Gianis Varoufakis twitterte die Zeilen "Hände weg von Böhmermann". Die beiden Herren haben nicht zum ersten Mal miteinander zu tun. Der Satiriker hatte im März 2015 behauptet, er persönlich habe ein Video gefälscht, in dem der Grieche Deutschland symbolisch den Mittelfinger zeigt. Zuvor hatte Günther Jauch Varoufakis mit dieser Sequenz in seiner Talkshow konfrontiert. Für diese Aktion erhielt Böhmermann sogar den Grimme-Preis. Bei der Preisübergabe in der vergangenen Woche fehlte er. Auf Facebook ließ er anklingen, dass ihn die Wucht der Reaktion auf sein Schmähgedicht doch etwas geschockt hat: "Ich fühle mich erschüttert in allem, an das ich je geglaubt habe."

Verbürgt ist, dass sich der Kabarettist Dieter Hallervorden von Böhmermann inspirieren ließ. Der 80-Jährige dichtete nicht, aber er sang für die Freiheit von Satire - und gegen Erdogan. Doch er hatte auch einen Wunsch an den Präsidenten: "Erdogan, zeig mich an", flehte er und "Erdogan, Erdogan, mach meinen Song bekannt." Treuer Blick. Aber dieser Mann hat es faustdick hinter den Ohren: Schließlich gelang es Böhmermann, den türkischen Präsidenten aus der Reserve zu locken. Von Simon Kaminski



Kommentar von Christoph Hägele: Die Regierung sollte sich heraushalten

Seine Unterstützer kann sich Jan Böhmermann nicht mehr aussuchen. "Ich sing einfach, was du bist. Ein Terrorist, der auf freien Geist scheißt", textet jetzt Dieter Hallervorden. Die tumben Verse an die Adresse des türkischen Präsidenten Erdogan markieren den Tiefpunkt einer Debatte, in der sich weltanschauliche, ästhetische und politische Argumente heillos verknäult haben.

Die Bundesregierung sollte deshalb allen Beteiligten einen Gefallen tun und die Angelegenheit schleunigst dem Staatsanwalt überantworten. Sie würde damit kein Urteil über Böhmermann und sein Gedicht sprechen, sondern Erdogan lediglich die Möglichkeit einräumen, sein Recht zu suchen. Kein Mensch muss sich öffentlich beleidigen lassen. Das gilt selbst für autoritäre und machtbesoffene Staatspräsidenten.

Seinem Gedicht hatte Böhmermann die kokette Warnung vorangestellt, das Folgende sei rechtlich verboten. Ob er es sich damit zu einfach gemacht hat, ist eine rechtliche Frage. Böhmermann benötigt keine Regierung, die sich je nach Opportunität mal mehr, mal weniger für ihn verbürgt. Er muss sich auf Gesetze verlassen können und Gerichte, die sie auslegen. In Deutschland bestimmt nicht die Politik, was Satire ist und was nicht. Auch das unterscheidet uns vom Staatsverständnis Erdogans.