Zahlreiche Bienenvölkern in Deutschland haben den Winter nicht überlebt. Fachleute geben Pestiziden eine Mitschuld. Die EU-Kommission erwägt ein Verbot.
Von Detlef DrewesDie stille Harmonie der gelb-schwarzen Insekten gibt es nur noch in alten Kinderliedern. Tatsächlich kämpfen nicht nur die deutschen, sondern auch die europäischen Bienen ums Überleben. Als im Vormonat der Imkerverband zur Jahrestagung nach
Berlin lud, machten erschreckende Zahlen die Runde: Von den etwa 700.000 Bienenvölkern, die der Verband hierzulande bisher zählte, haben rund 120.000 den Winter nicht überlebt. Auch wenn daran eingeschleppte Parasiten wie die Varroa-Milbe nicht ganz unbeteiligt ist, geben viele Fachleute Pestiziden eine erhebliche Mitschuld.
Der Warnruf ist bei der EU-Kommission angekommen. Deren Sprecher betonte gegenüber dieser Redaktion, für Präsident Jean-Claude Juncker und die Kommission habe das Thema "oberste Priorität". Konkrete Schritte würden vorbereitet: Sollten die Mitgliedstaaten zustimmen, könnten drei Pestizide, die der Gruppe der Neonikotinioden zugerechnet werden, noch 2017 verboten werden.
Konzerne sehen keine Beweise
Von den drei Präparaten Clothiandin und Imidacloprid aus dem Hause Bayer sowie Thiamethixam von Syngenta gehe ein "hohes Risiko" für die Tiere aus, heißt es in einem Arbeitspapier der Brüsseler Behörde. Die Substanzen können seit 2013 ohnehin nicht mehr ohne Auflagen genutzt werden. Sollte der Ständige Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel, in dem die Experten der Kommission und der EU-Länder sitzen, im Mai einem formellen Vorstoß zustimmen, dürfen die Pestizide ab November 2017 nur noch innerhalb geschlossener Gewächshäuser benutzt werden.
Für die beiden Chemie-Konzerne wäre das ein erheblicher Rückschlag. "Wir lehnen den Vorschlag der Europäischen Kommission ab", hieß es vor wenigen Tagen aus der Bayer-Zentrale. Noch läuft eine Klage, die beide Hersteller gegen das bestehende Teilverbot eingereicht haben. Die Häuser berufen sich darauf, dass es keine hinreichenden Beweise gebe, die ein Verbot begründen würden. Auch viele Landwirte hoffen, dass Brüssel sich die Nutzung weiter erlaubt, weil sie die Stoffe als Beizmittel für ihr Saatgut, aber auch als Spritzmittel während der Wachstumsphase von Pflanzen brauchen.
Monatelanger Krach droht
Bei der zuständigen EU-Agentur für Lebensmittelsicherheit (Efsa) in Parma hat man zwar bereits Risiken der drei Präparate für die Honigbienen ausgemacht. Die Kommission betonte in der Erklärung gegenüber dieser Redaktion, sie werde sich bei ihrem Vorschlag auf die Vorergebnisse der Efsa und die Stellungnahmen der Hersteller stützen, wenn sie im Mai möglicherweise für ein Verbot plädiert. Damit droht der Gemeinschaft nach dem Streit um die Zulassung von Genmais wohl ein weiterer monatelanger Krach der Experten. Denn die Efsa kann ihren Schlussbericht bis dahin nicht fertigstellen.
Kritiker verweisen gerne auf Frankreich. Die dortige Regierung hatte 2016 beschlossen, die einschlägigen Substanzen ab 2018 vollständig zu verbieten. In Deutschland wie in der ganzen übrigen EU gilt ein teilweises Anwendungsverbot lediglich für Raps und Getreide.
Kommentar: Kein Summen mehr
Wie gut kann eine wissenschaftliche Empfehlung sein, die auf einer instabilen Datenbasis aufgebaut wurde? Vor diesem Problem werden die Experten der Mitgliedstaaten und der EU-Kommission wieder stehen, wenn sie über das Verbot der Pestizide zum Schutz der Bienen entscheiden müssen.
Es stimmt: Die Fachleute der EU-Agentur haben hinreichende Hinweise dafür gefunden, dass die drei Neonikotinoide die Insekten nicht nur schädigen, sondern je nach Art der Aufnahme auch töten. Angesichts der Bedeutung, die diese Tiere für unsere Nahrungsmittelproduktion haben, wäre Nichtstun fatal. Möglicherweise aber ebenso schicksalhaft wie der Verzicht auf Pestizide, die seit 30 Jahre auf unseren Äckern die Nutzpflanzen vor Schädlingen schützen? Eine sachgerechte Diskussion ist ohne belastbares Datenmaterial nicht machbar. Und das fehlt. Ebenso wie eine Mehrheit im Kreis der Mitgliedstaaten.
Sich allein auf das französische Verbot ab 2018 zu berufen, gibt nicht das vollständige Bild wieder. Eine deutlich größere Zahl von Mitgliedstaaten vor allem im Süden der Gemeinschaft hat angekündigt, die drastischen Pläne aus Brüssel zu stoppen.
Was dann droht, erlebt die Union seit Monaten beim Genmais. Es gibt keine Entscheidung, die Kommission muss sagen, was Sache ist. Eine gute Lösung ist das nicht.