3500 Aussteller, 70 Nationen, 210.000 Besucher. Mit der 28. Auflage der Cebit will sich die IT-Messe neu erfinden: Sie konzentriert sich ganz aufs Fachpublikum. Fränkische Firmen profitieren von der Neuorientierung.
Beim Sprechen zeigt Henry Langer Zähne. Wild fliegen die Hände durch die Luft, die Worte sprudeln. "Wir sind ja nicht umsonst am Stand mit Bayerns Innovationen!" Der selbst ernannte "Potenzialentdecker" vertritt mit Leib und Seele "Perbility", eines von rund 50 Unternehmen aus Franken und das einzige aus Bamberg, das in Hannover mit den "Big Playern" der IT-Branche eine Woche lang um die Gunst zukünftiger Kunden buhlt.
Opulent ist sein Stand nicht, das gibt er zu. Ein Notebook, ein Artwork mit Firmenlogo, ein Bildschirm - und natürlich Sigrid Bader. Die adrett gekleidete Brünette weiß alles über "CHECK-IN", die webbasierte Softwarelösung für mittelständische Unternehmen, die Perbility in Hannover verkaufen möchte. Mit Engelsgeduld erklärt sie das Konzept des Bewerbungstools, das Firmen die Nachwuchssuche und Bewerberauswahl von Grund auf erleichtern soll. Fachbegriffe spart sie aus.
Alles ist "einfach, simpel, easy zu bedienen".
"Wir haben kürzlich die Mitarbeitergrenze von 30 geknackt. Die Firma wächst", sagt Langer und seine Mundwinkel zucken. Das Unternehmen habe eine Lücke im System erkannt und als Geschäftsidee genutzt.
Wenig Entertainment "Die Messe hilft uns enorm, den Kundenstamm zu erweitern", sagt er. Auf die Atmosphäre angesprochen, verfinstert sich seine Miene jedoch. "Es ist mein erstes Mal auf der Cebit. Irgendwie hatte ich mir das unterhaltsamer vorgestellt." Es fehle an Prunk, Unterhaltung und Ausstellern, die mit Show und Raffinesse die Zuschauer locken. "Der Entertainment-Faktor bleibt auf der Strecke."
Früher war einfach mehr Lametta. "Das hat man die Woche über öfter gehört", sagt auch Thomas Reimers am Stand drei Reihen weiter.
Er zupft sich das bunte T-Shirt zurecht und grinst durch den dichten Bart in die Menge. "Mir gefällt das. Weniger Ablenkung, mehr Business", sagt der bebrillte Mittzwanziger. Am Stand von Protonet, einem Start-up aus Hamburg, läuft alles wie einstudiert. Die orangefarbene Box in Sichthöhe blinkt. Drum herum wuseln junge Leute, die Worte wie "cool", "fresh" und "secure" durch den Messelärm brüllen.
"Echt ein geiles Terver. Ach, Teil, geiler Server, das mein ich! Ich krieg keinen geraden Satz mehr raus", sagt Reimers und stöhnt. Die zurückliegenden Messetage sitzen ihm in den Knochen. "Wie sicher und günstig unser Server ist, wie toll er eine Cloud simulieren kann - und, dass die Kunden mit unserer Lösung keine Angst davor haben müssen, dass die NSA sie ausspioniert.
Darüber habe ich bestimmt schon Dutzende Stunden gesprochen." Die Trends der Messe sind derweil an ihm vorbeigegangen.
"Welche Neuheiten? Die Großen sind doch ohnehin nicht vertreten, die präsentieren auf ihren eigenen Events." Alles werde halt ein wenig schlanker und schicker. Dünnere Notebooks, leistungsstärkere Tablet-PCs, Smartphones mit immer besseren Kameras. "Das Zeug verkauft sich doch von selbst, auch ohne fettes Messeprogramm", vermutet Reimers. "Ist vielleicht trist, aber auch zweckmäßig."
Nippes aus Nippon Von der Tristesse in den Business-Hallen merkt man im sogenannten Reseller-Bereich hingegen nichts. Die bunte, glitzernde, schrille Technikwelt. Hier gibt es sie noch. Quietschbunte Kopfhörer und Handyhüllen aus Holz reihen sich an selbstständig agierende Roboter und Spielkonsolen-Nachbauten.
Auf dem Basar aus Fernost weiß man zu verkaufen. Meist junge, attraktive Mädchen klimpern mit den Augen und kichern, während potenzielle Einkäufer im Plastiksumpf schnell den Überblick verlieren.
Ausnahmen gibt es aber. BenQ etwa stellt mit einem neuen, interaktiven Beamer-Konstrukt einen echten Klassiker in Frage: die Tafel. Geht es nach dem High-Tech-Produzenten, braucht es in der Schule der Zukunft weder Kreide noch Schwamm. "Mit diesem Stift kann ich alles steuern", erklärt Kathrin Thiel. Schwungvoll führt sie das Hilfsmittel aus Kunststoff über die leuchtende Oberfläche der digitalen Tafel. Eine Linie, zwei Linien, ein wenig Grün. "Eine Palme. Die lässt sich zum Demonstrieren einfach zeichnen", sagt sie und lächelt. Es dürften Palme Nr. 713 in dieser Woche sein.
Auch Litauen sticht mit einer Erfindung aus der Vielzahl an Neuheiten heraus.
Der "deeper Fishfinder" sieht harmlos aus, der kleine schwarze Ball hat es jedoch in sich. In stehenden Gewässern versenkt, scannt er nicht nur Tiefe und Bodenbeschaffenheit. Er zeigt dem Nutzer direkt auf Smartphone oder Tablet, wo die dicksten Fische schwimmen. Ein Gadget, das auch den Angelsport im Karpfenland Franken revolutionieren könnte.
Die Cebit 2015 wird vom 16. bis 20. März veranstaltet.