Beim 1. FC Nürnberg scheinen sich die Verantwortlichen bereits eindringlich mit der nächsten Saison zu beschäftigen. Am Dienstag, den 23. Mai 2023 verkündete man offiziell den Abschied von Eigengewächs und Publikumsliebling Erik Shuranov. Der 23-jährige Stürmer, der in seinen ersten Profispielen sein Potenzial aufblitzen ließ, zuletzt aber bei mehreren Trainern aufgrund seiner Traingsleistungen in Ungnade gefallen war, wechselt zu Maccabi Haifa nach Israel. Für Shuranov, dessen Familie jüdische Wurzeln hat, erhält der Club etwa eine Million Euro Ablöse - dringend benötigtes Geld am Valznerweiher, hat man doch die Lizenz für den Ligabetrieb erneut nur unter Auflagen erhalten.

Am selben Tag wurde außerdem ein Wechselgerücht öffentlich: Ivan Marquez (28), seines Zeichens Innenverteidiger beim niederländischen Erstligisten NEC Nijmegen steht kurz vor einem Wechsel an die Noris. Der Abschied des spanischen Wandervogels, der unter anderem schon bei Atletico Madrid unter Vertrag stand, ist in Nijmegen bereits beschlossene Sache, dank eines auslaufenden Arbeitspapiers wäre Marquez ablösefrei. Beim Club, wo zuletzt Linksverteidiger Jannes Horn aus Verletzungsnot ins Abwehrzentrum verschoben wurde, wäre damit eine wichtige Baustelle zumindest vorläufig geschlossen. Doch die Kaderplanung wirkt verfrüht, denn noch ist nicht sicher, in welcher Liga der 1. FC Nürnberg in der nächsten Saison überhaupt spielen wird. 

Relegation oder Klassenerhalt: So kann sich der FCN noch retten

Am vergangenen Spieltag patzte Verfolger Bielefeld und kam im Lokalduell gegen Paderborn nicht über ein 2:2 hinaus. Der Club konnte den Matchball jedoch nicht nutzen. Vor fast 40.000 Fans im heimischen Max-Morlock-Stadion genügte die abermals schwache Offensivleistung gegen tief stehende Rostocker nicht, die Partie endete torlos. Die "Kogge" machte damit den Klassenerhalt perfekt, der FCN und seine Fans dagegen müssen weiter zittern.

Nun muss man wiederum selbst am Sonntag, dem 28. Mai um 15.30 Uhr in Paderborn ran. Zeitgleich gastiert Arminia Bielefeld in Magdeburg und die Eintracht Braunschweig, die aktuell mit der besten Ausgangslage auf Platz 14 rangiert, ist in Rostock zu Gast. Für alle drei Teams geht es darum, nach 90 Minuten nicht auf dem Relegationsplatz 16 zu stehen. Die Szenarien dafür sind zwar zumeist simpel, jedoch gibt es zahlreiche verschiedene Möglichkeiten, wie die Saison enden könnte.  

Der 1. FC Nürnberg rettet sich direkt, wenn

  • man selbst gegen Paderborn gewinnt.
  • man selbst unentschieden spielt und Bielefeld nicht gewinnt.
  • man selbst unentschieden spielt, Bielefeld gewinnt und Braunschweig verliert.
  • man selbst verliert und Bielefeld nicht gewinnt.

Der 1. FC Nürnberg muss in die Relegation, wenn

  • man selbst verliert, Bielefeld gewinnt und Braunschweig punktet oder mit bis zu zwei Gegentoren weniger als der Club verliert. 
  • man selbst unentschieden spielt, Bielefeld gewinnt und Braunschweig punktet. 

An sich ist die Situation also klar: Mit einem Auswärtssieg spart sich der Club eventuelle Rechenspielchen. Dass diese Aufgabe leichter klingt, als sie ist, zeigen die Ergebnisse der Mannschaft von Dieter Hecking allerdings deutlich. Gerade einmal neun Siege holte man in den bisher 33 Ligaspielen, unter Robert Klauß, Markus Weinzierl und eben Hecking jeweils exakt drei. Diese Serie müsste gebrochen werden, wenn man ganz aus eigener Kraft den direkten Klassenerhalt schaffen will.

Mit dem Tabellenfünften Paderborn hat man dabei auch noch den vermeintlich stärksten Gegner der drei Konkurrenten erwischt. Bielefeld und Braunschweig dürfen mit Magdeburg und Rostock jeweils gegen Teams aus der unteren Hälfte der Tabelle ran. Allerdings haben alle Gegner die gleiche Ausgangssituation: Für sie selbst geht es um "nichts". Durch den Sieg des HSV und das eigene Unentschieden am letzten Spieltag hat sich auch die letzte kleine Hoffnung auf die mögliche Aufstiegsrelegation für Paderborn erledigt. Magdeburg und Rostock machten an den vergangen beiden Wochenenden jeweils im Duell mit dem Club ihr Saisonziel Klassenerhalt perfekt. Dennoch sollte sich keiner der Relegationskandidaten auf ein leichtes Spiel am letzten Spieltag einstellen - zu viel steht für die Vereine auf dem Spiel. Zumal alle drei jeweils auswärts antreten müssen. 

Braunschweig hat es dabei sogar noch einfacher als der FCN: Solange man selbst wenigstens einen Punkt holt, ist man sicher. Bielefeld dagegen steht besonders unter Zugzwang. Ein eigener Sieg ist Pflicht und selbst dann wäre man nicht aus eigener Kraft gerettet, sondern müsste auf Patzer der Konkurrenz hoffen. Theoretisch ist für die Arminia sogar noch der direkte Abstieg möglich, allerdings müsste Jahn Regensburg dabei gegen den Tabellenzweiten aus Heidenheim gewinnen und nebenbei noch eine Tordifferenz von 15 Treffern egalisieren. Sollte es wirklich dazu kommen, wäre es wohl die unwahrscheinlichste Wendung der Fußballgeschichte. 

Abstieg = Absturz? Die möglichen Konsequenzen für den 1. FC Nürnberg

Für den 1. FC Nürnberg würde ein Abstieg wohl ebenfalls in die Fußballgeschichte eingehen, allerdings auf der negativen Seite. Aufgrund der finanziellen Situation ist fraglich, ob es beim Gang in Liga drei bleiben würde. Ein Ausverkauf wäre wohl definitiv unvermeidbar, die meisten Spieler hätten dazu keinen gültigen Vertrag mehr. Eventuell müsste man beim Club wegen der hohen Schulden sogar in der Regionalliga Bayern ran, wo aktuell die eigene U23 kickt. All diese Gedankenspiele sind aktuell für viele Fans ein drohender Alptraum. Es ist nun an der Mannschaft dafür zu sorgen, dass sie nicht schon bald Wirklichkeit werden könnten.

Die geht allerdings ersatzgeschwächt ins Saisonfinale. Neben dem jüngsten Ausfall Florian Flick (Mittelfußbruch), konnten Kwadwo Duah und James Lawrence (beide Kapselreizung) sowie Taylan Duman, Felix Lohkemper, Jens Castrop und Mats Möller Daehli (alle krankheitsbedingt) in dieser Woche mitunter nur eingeschränkt oder gar nicht trainieren. Am Donnerstagmorgen standen Hecking nur 14 Spieler zur Verfügung. "Dazu noch zwei Spieler von der U23. Das war sehr überschaubar heute", sagte der Coach. Hecking konnte am Donnerstag deshalb noch keine "verbindliche Aussage" treffen, wer beim Auswärtsspiel in Paderborn dabei sein wird. 

"Ich hoffe einfach, dass jetzt über Nacht nicht noch mehr Spieler ausfallen, weil dann wird es langsam eng, was das Personal angeht." Es sei ein Spiegelbild der Saison, sagte Hecking. "So wie es sich jetzt darstellt, werden wir auch am 34. Spieltag eine Aufstellung wählen müssen, die eigentlich so in der Form wahrscheinlich nie angedacht war. Aber dann ist das eben so." Es werde kein großes Jammern von ihm geben, meinte der Trainer. "Wir werden versuchen, mit den Leuten, die dann zur Verfügung stehen, am Sonntag das Ergebnis zu erzielen, was wir brauchen." Im besten Fall ist das ein Sieg.

Unruhe in Paderborn vor Saisonfinale gegen den FCN - SCP-Trainer Kwasniok pausiert

Doch auch Gegner Paderborn hat Probleme - und zwar mit seinem Trainer. Lukas Kwasniok (41) wird nämlich zum Saisonfinale nicht auf der Bank des SCP sitzen. Hintergrund: Kwasniok war am vergangenen Montag auf Mallorca festgenommen worden. Es stehen schwere Vorwürfe gegen den Zweitliga-Trainer im Raum. Eine 25-Jährige behauptet, Kwasniok habe sie vergewaltigt, berichtet die Bild-Zeitung. Sein Verein hatte am Mittwoch bestätigt, dass Kwasniok auf Mallorca in Gewahrsam genommen worden war. Zu den Gründen teilten zunächst weder der Verein noch die spanische Polizei etwas mit. Auch die Rechtsanwältin Kwasnioks, Maria Barbancho, wollte sich nicht zum Grund der vorübergehenden Festnahme äußern. Am Mittwochabend hatte der Verein mitgeteilt, dass Kwasniok "ohne Auflagen entlassen auf freiem Fuß" ist. Der Trainer selbst wurde mit den Worten zitiert: "Die Interessen des Vereins stehen für mich an erster Stelle. Zudem brauche ich jetzt Zeit und Raum, um die Ereignisse zu verarbeiten und im Familienkreis zu besprechen." Assistent Frank Kaspari wird also am Sonntag an der Seitenlinie sitzen, Kwasniok solle aber Trainer bleiben. Wie auch immer diese Geschichte weitergeht, eine ruhige Vorbereitung auf einen Spieltag sieht anders aus. Womöglich spielt das dem Club also in die Karten?

Übrigens: Auch Nürnbergs mögliche Gegner in der Relegation liefern sich aktuell ein spannendes Rennen in der Dritten Liga. Der SV Elversberg steht als einziger Aufsteiger bereits fest, Zweiter ist die U23 des SC Freiburg, die nicht aufstiegsberechtigt ist. Dahinter streiten sich der Vfl Osnabrück mit dem ehemaligen Club-Co-Trainer Tobias Schweinsteiger (67 Punkte), Wehen Wiesbaden (67), Saarbrücken (66) und Dynamo Dresden (ebenfalls 66) um die beiden verbleibenden Aufstiegsplätze.

Hier entscheidet sich in einer großen Konferenz bereits am Samstag, dem 27. Mai um 13.30 Uhr, wer um den Aufstieg in die 2. Bundesliga mitspielen darf. Die Voraussetzungen für die Relegation zwischen Liga zwei und drei versprechen also Spannung und Dramatik bis zur letzten Sekunde. Für den neutralen Fan sicher ein potenzielles Fußballfest, für die Fans der gleich sieben Vereine allerdings liegen Freude und Trauer am letzten Spieltag so eng beieinander, wie es selten vorkommt.