Ekkehard Hübschmann hat eine Dokumentation über vergessene jüdische Familien in Hof vorgelegt. Auch nach Kulmbach bestehen enge Beziehungen.
Mehr als 70 Jahre nach Kriegsende drohen die Namen zu verlöschen. Die Erinnerung an eine Minderheit, die als Händler und Geschäftsleute das Stadtbild mitprägte, deren Sprache, Religion, Kultur und Brauchtum das Leben bereicherte - dann aber ausgegrenzt, entrechtet, deportiert und in die Vernichtungslager getrieben wurde.
Das gerade erschienene Buch über die jüdischen Familien in Hof möchte dem entgegenwirken. Der Historiker Ekkehard Hübschmann dokumentiert darin akribisch das Schicksal und die Verfolgung von 161 Bürgern, die den Nazis nach den Nürnberger Rassegesetzen als "Juden" galten - unabhängig davon, ob sie der Israelitischen Kultusgemeinde angehörten oder nicht.
In Archiven recherchiert
An sieben Familien wird exemplarisch gezeigt, was "jüdisches Leben" hieß: in seinem Alltag, seinen Familiengeschichten, den geschäftlichen Netzwerken und der immer wieder neu verblüffenden weiträumigen Partnersuche; und schließlich in den Stationen der Verfolgung.
Für die Arbeit hat der Harsdorfer Wissenschaftler vier Jahre in überregionalen und ausländischen Archiven recherchiert. Ohne die Unterstützung der Hofer Hermann-und-Bertl-Müller-Stiftung und weiterer Sponsoren wäre die verdienstvolle, mit zahlreichen Fotos versehene Arbeit nicht zustande gekommen.
Antisemitische Hetze
Zwischen Hof und Kulmbach gibt es zahlreiche Parallelen. Beide Städte sind frühe NS-Hochburgen. An beiden Orten fassen nach dem Ersten Weltkrieg rechtsradikale Bewegungen wie der Deutschvölkische Schutz- und Trutzbund Fuß, die üble antisemitische Hetze betreiben. Und gemeinsam mit anderen fränkischen Städten wetteifern sie, den "Deutschen Tag" durchzuführen - den Aufmarsch von Rechtsparteien, paramilitärischen Kampfverbänden und SA-Kommandos.
Nach Hof reist Adolf Hitler selbst an und spricht am 15. September 1923 vor 40 000 Anhängern. In Kulmbach erfolgte schon vier Wochen vorher, am 12. August, ein Massenaufzug, allerdings ohne den "Führer". Der wird erst 1928 in Kulmbach auftreten. Doch nicht nur die politischen Abläufe verbinden beiden Städte, auch die verwandtschaftlichen Beziehungen jüdischer Familien. Bei Hübschmann wird es bei den Familien Lax und Lump deutlich. Sie sind zugleich ein Lehrbeispiel für frühe Frauenemanzipation, Geschäftstüchtigkeit und unternehmerischen Mut.
Emanzipiert, doch heiratswillig
1906 machen sich zwei Frauen aus Wüstensachsen (Kreis Fulda) allein auf die Reise und mieten sich am Kressenstein 12 in Kulmbach ein. Die 29-jährige Regina und ihre sechs Jahre jüngere Schwester Klara, Töchter des kinderreichen Viehhändlerehepaar Joel und Hanna Lump.