Renteneintrittsalter bald bei 69? "Kann nicht sein" - heftiger Zoff nach Reiche-Vorstoß

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Katherina Reiche (CDU) und ihre Berater fordern ein höheres Renteneintrittsalter. Die SPD hält davon nichts und keift: "Frau Reiche hat in ihrem Kerngeschäft mehr als genug zu tun."

"Wir müssen mehr und länger arbeiten": Mit dieser Aussage sorgte Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) vor einigen Wochen für viel Kritik. Christian Bäumler, Bundesvize des CDU-Sozialflügels (CDA) bezeichnete sie im Anschluss gar als "Fehlbesetzung", auch der Sozialverband Deutschland (SoVD) lehnte die Pläne strikt ab. Dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) stieß vor allem die Forderung nach der Abschaffung der Rente mit 63 ungut auf.

Auch ein von Reiche einberufener wissenschaftlicher Beraterkreis drängte jüngst auf ein späteres Renteneintrittsalter. "Ohne eine entschlossene Reformagenda droht die Rentenversicherung zu einer zunehmenden Belastung des Bundeshaushalts zu werden – und zur tickenden Zeitbombe für die Generationengerechtigkeit", warnten die Berater, zu denen auch "Wirtschaftsweise" Veronika Grimm gehört. Die SPD hält von diesem erneuten Vorstoß der Wirtschaftsministerin nichts - und findet jetzt deutliche Worte.

SPD stinksauer nach Reiche-Vorstoß: "Frau Reiche hat in ihrem Kerngeschäft mehr als genug zu tun"

Die Partei wirft Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) unpassende Renten-Vorschläge vor und stemmt sich gegen ein höheres Rentenalter. Für die Rente sei "weder ihr Ressort zuständig" noch fänden sich ihre Forderungen nach einem höheren Rentenalter im Koalitionsvertrag wieder, sagte SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Klüssendorf lehnt ein höheres Rentenalter ab und fordert von Reiche Mäßigung. "Wir wollen in der Regierung konstruktiv mit unseren Partnern von CDU und CSU zusammenarbeiten. Beide Seiten haben kein Interesse an weiterem Streit. Es kann daher nicht sein, dass Frau Reiche schon wieder über die Medien die Rente mit 70 fordert." Im Koalitionsvertrag habe die SPD mit der Union den abschlagsfreien Renteneintritt nach 45 Jahren vereinbart - "und so gemeinsam als Koalition einer Rentenkürzung durch Anhebung des Eintrittsalters eine klare Absage erteilt", ergänzte der SPD-Generalsekretär. "Daran sollten sich alle Regierungsmitglieder halten." 

Der Abgeordnete und NRW-SPD-Chef Achim Post sagte: "Frau Reiche hat in ihrem Kerngeschäft mehr als genug zu tun. Umso verwunderlicher ist es, dass ihr Haus trotz vereinbarter Schritte, eingesetzter Kommissionen und festgelegter Zeitpläne in der Koalition die Zeit und Energie findet, Nebelkerzen in der Sozialstaatsdebatte zu werfen." Ihre Rentenvorschläge gingen an der Lebensrealität vieler Berufstätiger vorbei.

Berater von Katherina Reiche fordern ebenfalls Anhebung des Rentenalters

Die Wissenschaftler, die Reiche für "Reformen im Geiste der Sozialen Marktwirtschaft", wie sie betonte, beraten sollen, warnten zuvor: Werde das Rentenniveau bei 48 Prozent gehalten, müsse mit einem drastischen Anstieg der Kosten gerechnet werden. Mehr als 90 Milliarden Euro müssten zusätzlich aus dem Bundeshaushalt bereitgestellt werden.

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Die Berater drängen daher auf eine rasche Anhebung des Rentenalters in Deutschland. "Eine weitere Anhebung des Rentenalters müsste jetzt auf den Weg gebracht werden", heißt es in einem neuen Impulspapier des Beraterkreises für evidenzbasierte Wirtschaftspolitik. 

"Die steigende Lebenserwartung bedeutet, dass ohne eine Anpassung des Renteneintrittsalters nicht nur die Rentenbezugsdauer immer mehr zunimmt, sondern auch die Jahre als Rentner bei guter Gesundheit", so die Ökonomen. "Deshalb sollte das Renteneintrittsalter angepasst werden." Konkret schlagen sie vor, dass künftig zwei Drittel der gewonnenen Lebenszeit auf die Erwerbsphase entfallen, ein Drittel auf den Ruhestand. Noch vor wenigen Wochen hatte Reiche jedoch gesagt: "Es kann jedenfalls auf Dauer nicht gut gehen, dass wir nur zwei Drittel unseres Erwachsenenlebens arbeiten und ein Drittel in Rente verbringen." 

Renten-Plan der Regierung eine "Verzögerungstaktik"?

"Ausgehend von den mittleren Annahmen des Statistischen Bundesamtes würde das bedeuten: Ab 2031 – wenn die schrittweise Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters auf 67 Jahre abgeschlossen ist – müsste das Rentenalter etwa alle zehn Jahre um ein halbes Jahr steigen", schreiben Reiches Berater nun. Die Grenze von 69 Jahren wäre demnach "erst Anfang der 2070er Jahre" erreicht.

Die Wirtschaftsexpertinnen und -experten sprechen sich für eine automatische Kopplung des Renteneintrittsalters an die fernere Lebenserwartung als "die konsequenteste Lösung" aus. Dabei fordern sie Tempo: "Eine weitere Anhebung des Rentenalters müsste jetzt auf den Weg gebracht werden." Wenn die Politik damit bis zur nächsten Legislaturperiode wartet, bleibt kaum Zeit für eine faire und rechtzeitige Umsetzung. "Die derzeitige Verzögerungstaktik lässt das Zeitfenster für eine sozialverträgliche Anpassung zunehmend kleiner werden."

Auch andere "gezielte Anpassungen" seien erforderlich, um die Zuschüsse zur Rente zu reduzieren. Die Berater plädieren für einen Verzicht auf eine Ausweitung der Mütterrente und eine Abschaffung der Rente ab 63. Zudem sprechen sich die Wirtschaftsberaterinnen und -berater für weitere tiefgreifende Reformschritte aus, etwa eine künftige Anpassung der Bestandsrenten an die Preisentwicklung statt an die Löhne. Reiche dankte den Beraterinnen und Beratern: "Die Experten weisen zu Recht darauf hin, dass wir angesichts einer höheren Lebenserwartung länger arbeiten müssen." In der Koalition lehnt die SPD eine Erhöhung des Renteneintrittsalters ab.

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Vorschaubild: © Kay Nietfeld/dpa