Jeder zweite Deutsche hat den Parasiten in sich: Kann Toxoplasmose die Persönlichkeit verändern?

3 Min
Ein bisher für ungefährlich erklärter Parasit hat wohl gravierendere Auswirkungen auf den Menschen, als gedacht. Forscher fanden heraus, dass er organische Veränderungen mit sich bringen kann. Überträger sind oftmals Katzen. Symbolbild: pixabay.com/JensEnemark
Ein bisher für ungefährlich erklärter Parasit hat wohl gravierendere Auswirkungen auf den Menschen, als gedacht. Forscher fanden heraus, dass er organische Veränderungen mit sich bringen kann. Überträger sind oftmals Katzen.  Symbolbild: pixabay.com/JensEnemark

Laut dem Robert-Koch-Institut trägt fast jeder zweite Deutsche einen Parasiten in sich. Dieser könnte laut neuesten Studien drastische Auswirkungen auf den Körper und das Gehirn haben.

  • Parasit "Toxoplasmose Gondii" in jedem zweiten Deutschen
  • Der Parasit verbreitet sich vor allem durch rohes oder nicht durchgegartes Fleisch
  • Auch in Gemüse kann sich der Erreger verstecken

Gerade in Deutschland ist ein Parasit so verbreitet wie in keinem anderen Land der Welt. Es geht um "Toxoplasmose Gondii", einen Parasiten, der sich vor allem in Katzen vermehrt, und von dort aus auf Menschen und andere Tiere überspringt. In einer aktuellen Studie, die am 22. Juni 2021 veröffentlicht worden ist, sprechen Forscherinnen und Forscher über den Parasiten und seine zum Teil erschreckenden Auswirkungen auf den Körper. In Deutschland findet er sich laut Angaben des Robert-Koch-Institutes in jedem zweiten Erwachsenen. Weltweit in rund 30 Prozent der Bevölkerung.

Der Parasit, der gekommen ist, um zu bleiben

Der Parasit wird vor allem über Lebensmittel verbreitet. Besonders in rohem oder nicht durchgegartem Schweinefleisch, etwa Hackfleisch oder Rohwurst, aus infizierten Schlachttieren ist der Parasit oft noch aktiv. Doch auch mit kontaminiertem Gemüse kann man sich infizieren.

Ist ein Nicht-Katzen-Wirt erst einmal mit dem Parasiten infiziert, beginnt dieser seinen Wirt zu beeinflussen. Denn: Laut der Studie sind Zusammenhänge zwischen einer Gondii-Infektion und risikofreudigem Verhalten zu beobachten. Bei Mäusen führt die Infektion mit dem Parasiten dazu, dass sie weniger Angst vor dem Geruch von Katzenurin und damit auch weniger Angst vor Katzen haben. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die mit dem Parasiten infizierte Maus von einer Katze gefressen wird und der Parasit so zurück in den Körper einer Katze gelangen kann. Nur hier kann er sich wieder vermehren und Eier produzieren, die mit dem Kot des Stubentigers ausgeschieden werden. Bei Menschen mit "Toxoplasma Gondii" sei ein ähnlicher Effekt zu beobachten, legt die Studie nahe.

Laut der US-Forscherin Dr. Stefanie Johnson aus Colorado, die selbst in diesem Fachbereich forscht, konnte die Infektion mit dem Parasiten mit Verkehrsrowdys, Selbstmord und sogar Schizophrenie in Verbindung gebracht werden. In ihrer bereits 2018 veröffentlichten Studie erklärte sie zusammen mit ihren Kolleginnen und Kollegen, dass Menschen, die "auf riskante Weise" starben, mit größerer Wahrscheinlichkeit eine Toxoplasma-Infektion hatten. 
Andere Forschende gelangen zu ähnlichen Ergebnissen. In einer Studie aus dem Jahr 2007 von Dr. Fuller Torrey heißt es, dass Menschen mit Schizophrenie eine 2,7-fach höhere Wahrscheinlichkeit hatten, mit dem Parasiten infiziert zu sein. 
Eine zweite Studie von Torrey und seinem Team aus dem Jahr 2015 zeigte sich, dass Erwachsene, die an Schizophrenie erkrankt waren, mit größerer Wahrscheinlichkeit in Haushalten mit Katzen aufgewachsen sind. 

Macht Toxoplasmose seinen Wirt dümmer, langsamer und risikofreudiger?

Clémence Poirotte, eine Verhaltensbiologin der "Centre d'Ecologie Fonctionnelle et Evolutive" aus Montpellier untersuchte 2016 ebenfalls den Parasiten und seine Auswirkungen. Dafür beobachteten die Forschenden Schimpansen. Deren Fressfeind ist der Leopard. Neun mit dem Parasiten infizierte Affen waren in den Versuchsreihen deutlich sorgloser als die 24 nicht infizierten Artgenossen und näherten sich dem Urin der Großkatze deutlich häufiger. Bei Urin von Tigern und Löwen war diese Sorglosigkeit nicht zu beobachten. Doch sowohl Löwen als auch Tiger kommen nicht im natürlichen Lebensraum der Schimpansen vor. Außerdem ist in Ländern, die eine höhere Toxoplasma-Belastung haben, das Unternehmertum stärker ausgeprägt. 

Im August 2020 veröffentlichte der Forscher Arjen Sutterland zusammen mit seinen Kolleginnen und Kollegen der Universität Amsterdam eine Auswertung von insgesamt 24 Studien zu dem Parasiten und seinem Zusammenhang mit unnatürlichen Todesfällen. Laut der Untersuchung könnten 17 Prozent der Verkehrsunfälle sowie 10 Prozent der Suizidversuche vom Parasiten begünstigt oder sogar ausgelöst worden sein. Allerdings besteht auch die Möglichkeit, dass es sich hier um eine Scheinkorrelation handelt. Denn die Lebensumstände der verstorbenen konnten in die Analyse nicht einbezogen werden. 

Toxoplasmose Gondii ist nur schwer nachweisbar. Infizierte Menschen haben in der Regel keine offensichtlichen Symptome, lediglich das Gefühl einer leichten Grippe oder bei einem intakten Immunsystem leichte Erkältungssymptome. Bei Schwangeren  kann der Parasit jedoch zu einem Problem werden. T. Gondii kann Fehlgeburten und Behinderungen des ungeborenen Kindes auslösen. Das liegt an dem Ort, an welchem sich der Parasit einnistet. "Der häufigste Ort, wo Gondii sich festsetzt, ist das Gehirn", weiß die Professorin Johnson. Ob man mit dem Parasiten infiziert ist, das ist nur mit einer Blutuntersuchung nachweisbar. Der Parasit selbst ist ein Einzeller und artverwandt mit dem Malaria-Erreger. In Deutschland ist ein Großteil der Infektionen auf den Konsum von kontaminiertem Rohfleisch zurückzuführen. Ist der Parasit erst einmal im Magen-Darm-Trakt, gelangt er von dort aus auch in unser Gehirn.

Schwangere Frauen besonders gefährdet: So kann man eine Infektion vermeiden

Das größte Problem stellt der Parasit für schwangere Frauen ohne Immunität dar. Eine Infektion mit Toxoplasmose Gondii während der Schwangerschaft kann zu schweren Missbildungen wie Wasserkopf, geistiger Behinderung oder Blindheit des ungeborenen Kindes führen. Auch Fehlgeburten und Totgeburten können auftreten. Die akute Phase der Toxoplasmose kann jedoch wirksam mit Antibiotika behandelt werden. Dass der Parasit aber im Körper bleiben wird, darauf hat auch die Medikation keinen Einfluss.

Zur Vermeidung einer Infektion mit Toxoplasminen gibt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) insbesondere Personen mit geschwächtem Immunsystem und Schwangeren die Empfehlung, so gut es geht auf rohe Wurst oder Fleischerzeugnisse wie Hackfleisch, Carpaccio, Räucherwurst, glatte Wurst und Salami zu verzichten und Fleischgerichte gründlich durchzugaren.

Rohes Obst und Gemüse soll vor dem Verzehr sorgfältig gespült, geschält oder gekocht werden. Außerdem erklärt das BfR, dass Lebensmittel mit Erdklumpen, wie Kartoffeln und Karotten, getrennt von anderen Lebensmitteln aufbewahrt werden sollen. Und auch der Kontakt mit Katzenfäkalien solle vor allem von den Risikogruppen vermieden werden. Es könnte also tatsächlich sein, dass Toxoplasma Gondii den Menschen langsamer, dümmer und schwächer, dafür aber auch risikobereiter macht. Der Grund dafür liegt laut dem Parasitologen Prof. Jaroslav Flegr von der Prager Karls-Universität in der Evolutionshistorie. Die Vorfahren der Menschen gehörten noch vor wenigen Jahrtausenden zur Beute der Säbelzahnkatze oder Höhlenlöwen.