High-Protein: Produkte sind kein "gesunder Genuss" - das steckt wirklich drin

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Hochdosiertes Eiweiß gibt es mittlerweile in vielen Formen.
Hochdosiertes Eiweiß gibt es mittlerweile in vielen Formen.
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Die Angaben auf den Verpackungen müssen den EU Vorgaben der Health Claims Verordnung entsprechen.
Die Angaben auf den Verpackungen müssen den EU Vorgaben der Health Claims Verordnung entsprechen.
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Ein Sportler beim Street workout. Gleichzeitige Eiweißreiche Ernährung kann zusammen mit ausreichend Sport das gewünschte Ergebnis begünstigen.
Ein Sportler beim Street workout. Gleichzeitige Eiweißreiche Ernährung kann zusammen mit ausreichend Sport das gewünschte Ergebnis begünstigen.
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Ein gegartes Stück Schweinefleisch enthält im Durchschnitt bereits fast den gesamten Proteinbedarf eines Erwachsenen.
Ein gegartes Stück Schweinefleisch enthält im Durchschnitt bereits fast den gesamten Proteinbedarf eines Erwachsenen.
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Bohnen und Linsen als natürliche Eiweßlieferanten sind für die Meisten vollkommend ausreichend als Bestandteil einer ausgewogenen Ernährung.
Bohnen und Linsen als natürliche Eiweßlieferanten sind für die Meisten vollkommend ausreichend als Bestandteil einer ausgewogenen Ernährung.
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Low Carb, Paleo-Ernährung, ketogene Diät oder Eiweißdiät - Produkte mit High-Protein sind beliebt. Was steckt tatsächlich in ihnen und wie wirkt sich ein erhöhter Konsum auf die Gesundheit aus?

  • Energiequelle Protein
  • High-Protein-Produkte im Überblick
  • Vor- und Nachteile einer eiweißhaltigen Ernährung
  • Was steckt wirklich in den Trendprodukten?
  • Fazit: Die Mischung machts!

Der Begriff „Protein“ wurde zuerst 1839 in der wissenschaftlichen Literatur erwähnt und bezeichnete eine erstmals nachgewiesene, stickstoffhaltige Substanzklasse. Heute werden Strukturen mit mehr als 100 Aminosäureresten als Proteine bezeichnet. Proteine werden im Stoffwechsel von Menschen, Tieren, Pflanzen, Pilzen, Bakterien und Hefen gebildet und sind ein wichtiger Bestandteil der Zellstruktur. Neben den "einfachen" Proteinen, die ausschließlich aus Aminosäuren aufgebaut sind, gibt es sogenannte "zusammengesetzte" Proteine, die zusätzliche Lipide oder Kohlenhydrate beinhalten.

Wozu braucht der menschliche Körper eigentlich Protein? Die bereits genannten Aminosäuren übernehmen wichtige Funktionen, sie bieten den Baustoff für Zellen oder Gewebe, sind die Grundlage für Muskeln, Organe, Enzyme und Hormone und fungieren als Transporthelfer für Sauerstoff und Nährstoffe. Proteine halten aber auch die Immunabwehr in Gang und spielen eine wichtige Rolle bei der Blutgerinnung. Nahrungsproteine versorgen den Körper also primär mit unentbehrlichen Nährstoffen. Proteine stellen weiter auch eine gute Energiequelle dar.

Auch wird zwischen tierischem und pflanzlichem Eiweiß unterschieden. Tierisches Protein enthält in der Regel alle Aminosäuren, die der Körper braucht. Sie sind leicht verwertbar und in ausreichender Menge vorhanden. Dagegen steht pflanzliches Eiweiß, welches zwar in pflanzlichen Nahrungsmitteln enthalten ist, jedoch zumeist in geringerer Menge als in Fleisch- oder Fischprodukten.

Besonders gute Eiweißlieferanten sind Schweine-, Rind- oder Hühnchenfleisch, sowie Fisch. Sie liefern etwa 20 Gramm Eiweiß je 100 Gramm.

Käse ist auch ein guter Eiweißlieferant, 100 Gramm Gouda besitzen 23 Gramm Eiweiß, Parmesan sogar 30 Gramm. Die benötigte Menge Eiweiß ist also für einen durchschnittlichen Erwachsenen leicht über die Nahrung ohne zusätzliche Eiweißprodukte aufnehmbar.

Wieso hat sich der Trend der High Protein Produkte in den letzten Jahren so stark durchgesetzt und wie sinnvoll ist die Extraportion Eiweiß eigentlich?

High-Protein Produkte im Überblick

High-Protein-Pudding, Eiweißbrot, dazu ein fettarmer, eiweißreicher Frischkäse, vielleicht noch ein kalorienarmes Hähnchenfilet mit proteinhaltiger Sauce und der neue Lifestyle Trend ist fertig. Was vor ein paar Jahren noch ein Nischenbereich von Sportlern oder Bodybuildern war, hat es inzwischen in den Mainstream Bereich eines jeden Supermarktes geschafft. Immer mehr Menschen, vor allem Fitnessbegeisterte und inzwischen auch vermehrt Diätwillige, setzen auf High-Protein-Produkte

High Protein Produkte sind zunächst Produkte mit einem hohen Proteingehalt, das heißt sie sind sehr eiweißreich. Da jedoch so hoch konzentriertes Eiweiß normalerweise nicht in natürlicher Form vorkommt, sind High Protein Produkte hochverarbeitete Lebensmittel, die überwiegend aus industriellen Energie- und Nährstoffquellen und chemischen Zusatzstoffen zusammengesetzt sind.

Meist sind die entsprechenden High Protein Produkte auch äußerst ansprechend verpackt, lange haltbar, in der Regel gleich verzehrfertig und dazu auch schmackhaft. Die Marketingstrategie bezüglich solcher eiweißhaltiger Produkte passt sich den Bedürfnissen und Wünschen möglicher Kunden an.

Es gibt Eiweißbrote, Eiweißmüsli, Eiweißriegel und sonstige Milchprodukte mit künstlich zugesetztem Eiweiß oder Molkenpulver. Letztendlich wird hier bereits deutlich, mit welchen Marketingstrategien die Konsumenten überzeugt werden sollen. Ein Joghurt (6 bis 10 Gramm Eiweiß) mit der Aufschrift "High Protein" enthält im Schnitt aber tatsächlich weniger Eiweiß als ein normaler Magerquark (12 Gramm Eiweiß).

Es kommen weiter stark proteinhaltige Nudeln, Mehl aus Nichtgetreide, oder Proteineis hinzu. Sogar Fleisch- und Wurstprodukte werden häufig mit dem Schriftzug "hoch konzentriertes Protein" versehen. Letztere werden hierfür in der Regel überwiegend auf natürliche Weise erzeugt, indem die Fleischprodukte geräuchert und getrocknet werden, sodass aufgrund des Wasserverlustes alle Nährstoffe konzentriert vorliegen. Hier sind keine künstlichen Proteinzusätze notwendig.

Im Jahr 2006 gab die Europäische Union eine einheitliche Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben auf Lebensmittelverpackungen heraus (1924/2006), die sogenannte Health Claims-Verordnung. Unterschieden wird hier zunächst zwischen nährwertbezogenen Angaben und gesundheitsbezogenen Angaben. Die Nährwerteigenschaften von Lebensmitteln, zum Beispiel der Energiegehalt oder der Gehalt an Nährstoffen oder anderen Stoffen ("fettarm", "zuckerfrei", "reich an Vitamin C") müssen die in der Health-Claims-Verordnung festgelegten Bedingungen erfüllen, wogegen gesundheitsbezogene Angaben nur nach einem Zulassungsverfahren genehmigt werden. Werden Lebensmittel mit nährwert- und/oder gesundheitsbezogenen Angaben beworben, müssen diese Aussagen wahr und zutreffend sein und von den Verbrauchern verstanden werden. Die zugelassenen gesundheitsbezogenen Werbeaussagen auf Lebensmitteln wurden von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) geprüft und durch den Unionsgesetzgeber zugelassen. Durch die Verordnung wurden einheitliche Regelungen geschaffen, welche den Verbraucher durch strenge Regeln und eine Kennzeichnung auf den entsprechenden Produkten schützen sollen. 

Wird ein Produkt mit der Aufschrift "Hoher Proteingehalt" oder "reich an Eiweiß" beworben, müssen deshalb mindestens 20 Prozent des gesamten Kaloriengehaltes auf den Kaloriengehalt des Proteinanteils entfallen.

Bei einem stark eiweißhaltigem Müsli, welches mit der Aufschrift "High Protein" vermarktet wird, müssen also pro 100 Gramm 21 Gramm Eiweiß enthalten sein, um als stark eiweißhaltiges Produkt beworben werden zu dürfen.

Finden sich jedoch lediglich die Angaben "Proteinquelle" oder "enthält Protein" auf den Produkten, so müssen nur mindestens 12 Prozent des gesamten Brennwerts auf den Proteinanteil entfallen.

Vor- und Nachteile einer High Protein Ernährung

Produkte mit einem hohen Proteinanteil sind oft grundlegende Bestandteile der sogenannten "High-Protein-Ernährungsweise". Hier liegt der Fokus auf stark proteinreicher Nahrung, wobei die Menge an aufgenommenen Kohlehydraten deutlich reduziert ist. Die Eiweißdiät, die zu den Low-Carb Diäten zählt, setzt nicht auf Hungern, sondern auf genussvolles Speisen. Der tägliche Energiebedarf soll hauptsächlich durch Proteine gedeckt werden, durch das Kohlenhydratdefizit soll der Körper die eigenen Fettreserven angreifen, um daraus Energie zu gewinnen. Langfristig sollte der menschliche Körper jedoch eine gewisse Menge Kohlehydrate aufnehmen, um eine ausgewogene Versorgung mit wichtigen Nähr- und Botenstoffen zu gewährleisten. 

Vorteile einer Ernährung mit deutlich hohem Eiweißanteil sind zum einen, dass eine längere Sättigung gegeben ist, da weniger Heißhungerattacken durch einen konstanten Blutzuckerspiegel vorkommen. Eine erhöhte Fettverbrennung ist ein weiterer Vorteil einer High-Protein-Ernährung. Das Risiko eines Jo-Jo-Effektes ist bei einer stark eiweißhaltigen Ernährung minimiert, auch wird ein optimierter Muskelaufbau und eine bessere Muskeldefinition bei gleichzeitigem Sport propagiert. Ein weiterer Vorteil ist, dass lästiges Kalorienzählen entfällt, da der Fokus auf einer genussvollen Ernährungsweise liegt. Für bestimmte Personengruppen mit Zöliakie können aufgrund der Unverträglichkeit gegenüber dem Klebereiweiß aus Getreide, Linsen- beziehungsweise Erbsenprodukte wie Nudeln*, eine gesunde Alternative darstellen.

Nachteile einer Ernährungsweise mit High-Protein-Produkten sind zunächst die erhöhten Kosten stark eiweißhaltiger Nahrungsmittel, die im Schnitt teurer sind als herkömmliche Produkte. Auf Dauer ist ein Verzicht auf Kohlehydrate nicht vollständig zu empfehlen. Die Aufnahme von zu viel Eiweiß ist jedoch für den menschlichen Körper relativ unproblematisch, da überschüssiges Protein über den Urin ausgeschieden wird. Deshalb rät die Deutschte Gesellschaft für Ernährung bein einer stark eiweißlastigen Ernährung stets zu einer ausreichenden Flüssigkeitszufuhr. Personen mit einer Nierenfunktionsstörung sollten jedoch bei einer Ernährung mit proteinreichen Lebensmitteln vorsichtig sein.

Was steckt wirklich in den Trend Produkten?

Die Stiftung Warentest hat im Februar 2020 mehrere Produkte mit dem Laben "High Protein" untersucht und kam zu einem eher abschreckenden Ergebnis. Zwar wirken die meisten Produkte mit hohem Eiweißanteil gesund und es wird marketingwirksam suggeriert, dass diese beim Abnehmen unterstützend wirken. Dies sind jedoch zum Teil Fehlinformationen, denn diese können sogar mehr Fett und Kalorien enthalten als herkömm­liche Produkte. Das schlechte Gewissen der Konsumenten soll zugunsten einer gesunden und eiweißhaltigen Ernährung verschwinden, der Genuss und der gesundheitsfördernde Gedanke stehen im Vordergrund.

Bei den 13 untersuchten Produkten haben die Tester die Angaben auf den Verpackungen untersucht. Auf den ersten Blick stimmten diese mit den versprochenen Nennungen überein, hier konnten sich die Hersteller über die Verwendung anderer Süßungsmittel und Anreicherung mit Milcheiweiß behelfen.

Beispielsweise erhöhte sich aber der Kalorienanteil der drei untersuchten Eiweißbrote um 13 - 24 Prozent im Vergleich zu einem normalen Vollbrot. Bei dem Protein-Milchreis stieg der Brennwert um 7 Prozent im Vergleich zu einem handelsüblichen Fertigmilchreis im Becher.

Ein durchschnittlicher Erwachsener unter 65 Jahren benötigt pro Tag im Schnitt 0,8 Gramm Protein pro Kilo Körpergewicht, das entspricht einer Zufuhr von 47 Gramm bis 57 Gramm Protein pro Tag. Menschen ab 65, sowie Schwangere und Stillende haben einen leicht erhöhten Proteinbedarf, dieser kann jedoch über den Verzehr proteinreicher Lebensmittel ausgeglichen werden. Eine Scheibe Vollkornbrot (50 Gramm) enthält auf 100 Gramm 7 Gramm Eiweiß. Ein gekochtes Ei (60 Gramm) enthält ebenfalls 7 Gramm Eiweiß. Ein Stück gegartes Schweinefleisch (150 Gramm) liefert bereits 42 Gramm Eiweiß. Emmentaler (min. 20 % Fett i. Tr.) ist ebenfalls ein guter Proteinlieferant, ddenn bereits eine große Scheibe (30g) enthält 34 Gramm Eiweiß auf 100 Gramm Käse.

Die Untersuchungen der Stiftung Warentest ergaben, dass sich zum Teil mehr Fett und Kalorien in High Protein Produkten finden, als der Verbraucher erwartet. Eiweißprodukte sind also im Vergleich zu herkömmlichen Produkten oft fettreicher. Weiter gibt es Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für Übergewicht bei Säuglingen nach einer über dem Bedarf liegenden Proteinzufuhr in der Schwangerschaft. Ebenfalls gab es Vermutungen, dass im Bereich der Säuglingsmilchnahrung eine erhöhte Proteinzufuhr eine Vergrößerung der Nieren mit sich bringt, wobei hier noch unklar ist, ob dies generell mit negativen Folgen verbunden ist.

High-Protein-Produkte sind kein "gesunder Genuss" - Die Mischung machts!

Grundsätzlich besteht in Deutschland keine Unterversorgung der Bevölkerung mit Eiweiß. Laut der Nationalen Verzehrsstudie II, die 2018 publiziert wurde, einer großen Ernährungserhebung, nehmen sowohl Männer als auch Frauen in Deutschland mit ihrem Essen mehr Eiweiß auf als von der Wissenschaft generell empfohlen wird. Bereits in den Jahren 2001-2002 konnte nach Auswertung der Daten der Verzehrstudie zur Ermittlung der Lebensmittelzufuhr von Säuglingen und Kleinkindern in Deutschland (VELS, 2001–2002) festgestellt werden, dass die tägliche Proteinzufuhr auch bei Kindern im Durchschnitt gestiegen ist, was durch weitere Studien, wie der EsKiMo Studie bestätigt wurde, ein Mangel liegt hier keinesfalls vor. 

Ein Großteil der deutschen Bevölkerung hat also keinen Eiweißmangel. Auch benötigen Freizeitsportler oder Menschen, die aufgrund ihres Alters einen gesteigerten Eiweißbedarf haben, in der Regel keine High-Protein-Produkte, da der höhere Proteinbedarf aus herkömmlichen, proteinreichen Lebensmitteln gedeckt werden kann. Empfohlen wird eine Ernährungskombination aus eiweißhaltigen Lebensmitteln und ballaststoffreichen Stoffen. Natürliche Lebensmittel mit erhöhtem Eiweißanteil können dies ergänzen.

Die Deutsche Ernährung für Gesellschaft kam zu dem Schluss, dass High-Protein-Produkte keinen gesundheitlichen Nutzen besitzen. Der gesundheitliche Schaden bei erhöhtem Proteinkonsum hält sich zwar in Grenzen, jedoch findet sich bei überwiegender Ernährung aus stark proteinhaltigen Lebensmitteln eine gewisse Problematik, die Übergewicht und ernährungsbedingten Krankheiten begünstigen kann, sowie einen ökologischen Nachteil hervorbringt.

Zusammengefasst kann man sagen, dass eine stark eiweißreiche Ernährung keinen gesundheitlichen Nachteil mit sich bringt, sofern der erhöhte Proteinkonsum Bestandteil einer ausgewogenen Kombination von Nähr- und Ballaststoffen ist. Vorteile sind eine mögliche Gewichtsreduzierung und eine bewusstere Lebensmitteleinstellung. High-Protein-Produkte sind in der Regel jedoch ernährungstechnisch nicht notwendig und verdanken ihren Erfolg einer wirksam ausgeweiteten Marketingstrategie einzelner Hersteller, die den Nutzen einer proteinreichen Ernährung für ihr Unternehmen erkannt haben.  

Kochempfehlung: Ein simples und leckeres Gericht für eine Ernährung im Sinne des Low-Carb-Gedankens ohne künstlich zugesetztes Eiweiß ist zum Beispiel Rotes Curry mit Hähnchen und Reis. Hier findet ihr weitere schmackhafte Low Carb Rezepte.